Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit §24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird der Berufung zu
Punkt 1 (Verwaltungsübertretung gemäß §4 Abs1 litc StVO in Verbindung mit §99 Abs2
lita StVO 1960) Folge gegeben, der Bescheid in diesem Punkt aufgehoben und das Verfahren gemäß §45 Abs1 Z 2 VStG 1991 eingestellt. Der Berufung zu Punkt 2 wird
keine Folge gegeben und der Bescheid in diesem Punkt bestätigt.
Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 VStG S 200,-- (20 % der verhängten
Geldstrafe) als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen
zwei Wochen zu
bezahlen.
Gemäß §59 Abs2 AVG sind innerhalb gleicher Frist der Strafbetrag und die Kosten des Strafverfahrens erster Instanz von insgesamt S 1,100,-- zu bezahlen.
Nach dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom **.**.***, Zl ******, wurde Herr A**** V**** für schuldig befunden, dass er am **.**.****, 14,20 Uhr, im Gemeindegebiet von L*****, auf der B **, nächst dem Strkm **, in Fahrtrichtung G****, als
Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens
1. bei einem Verkehrsunfall insofern an der Feststellung des Sachverhaltes nicht
mitgewirkt hat, als er nicht tätig geworden ist im Hinblick auf die an der Unfallstelle
seitens der Organe der öffentlichen Aufsicht zu pflegenden
Erhebungen und zu
treffenden Feststellungen und
2. nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit
Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt hat, obwohl das Verhalten am
Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein
gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgte.
Wegen Übertretung
1. §4 Abs1 litc StVO wurde gemäß §99 Abs2 lita StVO 1960 eine Geldstrafe von S 1000,--
(Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) und
2. §4 Abs5 StVO wurde gemäß §99 Abs3 litb StVO 1960 eine Geldstrafe von S 1000,--
(Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden)
verhängt.
Gemäß §64 Abs2 VStG wurden S 200,-- als Kostenbeitrag für das erstinstanzliche
Verfahren vorgeschrieben.
Die Erstbehörde hat das Straferkenntnis auf eine Anzeige einer Privatperson gestützt.
In der dagegen eingebrachten Berufung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass er zum
angeführten Zeitpunkt die Strecke befahren und das Auto des Anzeigers überholt habe. Es
könnte sein, dass sein Fahrzeug einen Stein hochgewirbelt habe. Genauso könnte der Stein vom Gegenverkehr stammen. Nach der österreichischen Rechtslage gäbe es keine
Haftung für hochgewirbelte Steine. Steine würden bei allen Geschwindigkeiten
hochgewirbelt. Die Bekanntgabe des Namens und der Adresse sei vom Anzeiger vor Ort
nicht verlangt worden. Grund der Diskussion sei lediglich der Vorwurf gewesen, er hätte
die Windschutzscheibe beschädigt. Dies hätte er vehement bestritten. Er hätte daher auch
keinen Grund gehabt, die Identität bekannt zu geben, da es keinen nachgewiesenen,
durch sein Verhalten irgendwie beeinflussten Verkehrsunfall gegeben habe.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat hiezu erwogen:
Gemäß §4 Abs1 litc StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit
einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
§4 Abs5 StVO 1960 lautet:
Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs1
genannten Personen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom
Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf
jedoch unterbleiben, wenn die im Abs1 genannten Personen oder jene, in deren
Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre
Anschrift
nachgewiesen haben.
Am **.**.**** hat Herr K*** F**** darüber Anzeige erstattet, dass er gegen 14,20 Uhr mit
seinem Pkw mit dem Kennzeichen KS-****, auf der B **, in Richtung G**** gefahren sei.
Seine Geschwindigkeit habe ca. 100 km/h betragen. Nach einem Parkplatz sei er auf der Geraden von dem Lenker des Personenkraftwagens mit dem Kennzeichen KS-****
überholt worden. Als sich das überholende Fahrzeug wieder vor seinem Fahrzeug
einordnete, sei die Windschutzscheibe seines Personenkraftwagens durch einen Steinschlag beschädigt worden. In weiterer Folge hätte er gesehen, dass sich der Pkw-Lenker bei der L**** Abfahrt eingeparkt habe. Er hätte den Lenker zur Rede gestellt.
Der Lenker sei jedoch nicht gesprächsbereit gewesen. Anlässlich der niederschriftlichen
Einvernahme am **.**.**** hat der Anzeiger seine Angaben im Wesentlichen wiederholt
und ergänzt, dass sich der andere Fahrzeuglenker nicht interessiert gezeigt und weder
Namen noch Versicherung bekannt gegeben habe. Der Berufungswerber wurde am
**.**.**** niederschriftlich einvernommen. Dabei hat er angegeben, dass er zur
angeführten Zeit in Richtung G**** gefahren sei. Die genaue Geschwindigkeit könne er
nicht angeben. Er könne nicht sagen, ob er einen Stein aufgewirbelt habe.
Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich
zusammenhängende Ereignis anzusehen, das sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr
ereignet und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Die Frage, ob das Verhalten einer Person am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem
Zusammenhang stand, ist auf dem Boden der Äquivalenztheorie, die sich einer Eliminationsmethode bedient zu lösen. Maßgebend ist somit ? unabhängig von der Verschuldensfrage ? ob das Verhalten der betreffenden Person örtlich und zeitlich
unmittelbar Bedingung für das Entstehen des Unfalles war. Unbestritten ist, dass der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt am Tatort anwesend war und
das Fahrzeug des Anzeigers überholte. Unmittelbar nach dem Überholvorgang wurde die Windschutzscheibe des Anzeigers beschädigt. Es ist demnach ein Sachschaden
eingetreten, der mit dem Straßenverkehr in ursächlichem Zusammenhang stand. Der Berufungswerber übersieht, dass nicht über Schuld oder Unschuld am Zustandekommen
des Verkehrsunfalles abgesprochen wird, sondern darüber, welches Verhalten die an dem Verkehrsunfall ursächlich beteiligten Lenker nach dem Verkehrsunfall gesetzt haben. Die Strafbarkeit einer derartigen Übertretung setzt auch das Wissen um einen Verkehrsunfall
voraus, wobei aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
unbedingt nur das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichem
Zusammenhang erforderlich ist. Es genügt demnach vielmehr, dass die betreffende
Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen
Zusammenhang hätte erkennen können. Unbestritten ist auch, dass der Berufungswerber
vom Anzeiger auf das Schadensereignis angesprochen wurde. Der Berufungswerber war
demnach in Kenntnis des Verkehrsunfalles. Es kam zu keinem Identitätstausch, sodass
der Berufungswerber verpflichtet gewesen wäre, eine Anzeige bei der nächsten
Gendarmeriedienststelle gemäß §4 Abs5 StVO durchzuführen. Dies hat der
Berufungswerber unterlassen, sodass der dem Berufungswerber zur Last gelegte
Tatbestand im Punkt 2 des Straferkenntnisses als erwiesen anzunehmen war. Hingegen
war seiner Berufung zu Punkt 1 aus folgenden Gründen stattzugeben:
Die Verpflichtung des §4 Abs1 litc StVO dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen
Sicherheit die Aufnahme des Tatgeschehens zu erleichtern und zu gewährleisten, dass
die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner
Ursachen und Folgen gewinnt. Dies beinhaltet die Verpflichtung, das Eintreffen der Organe der öffentlichen Sicherheit am Unfallsort abzuwarten, auch um Feststellungen zur Person der beteiligten Fahrzeuglenker in der Richtung treffen zu können, ob diese zur Lenkung der am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuge berechtigt waren und äußerlich den Anschein erwecken, sich geistig und körperlich in einem zur Lenkung eines Fahrzeuges
geeigneten Zustand befunden zu haben. Eine solche Verpflichtung besteht nur dann,
wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des §4 Abs2 StVO
1960 besteht; darüber hinaus aber auch dann, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein
am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. In diesen Fällen ist die
amtliche Aufnahme des Tatbestandes an der Unfallstelle bzw die Notwendigkeit einer
solchen von wesentlicher Bedeutung. Besteht eine derartige Notwendigkeit nicht und
kommt es auch nicht zur amtlichen Tatbestandsaufnahme an der Unfallstelle ist eine Verpflichtung an der Feststellung des Sachverhaltes durch Verbleiben an der Unfallstelle
mitzuwirken nicht gegeben. Die hier normierte Mitwirkungsverpflichtung besteht nicht bei
jedem Verkehrsunfall in gleicher Weise; sie bedingt je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen der an einem Unfall beteiligten Personen.
Nach den Angaben des Zeugen wurde der Überholvorgang auf einer Geraden
durchgeführt und in weiterer Folge hat der Berufungswerber bei einer Ausfahrt angehalten.
Die Fahrzeuge sind demnach nicht unmittelbar bei der Unfallstelle zum Stillstand
gekommen. Da es sich nur um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden handelte, musste es
nicht zur Aufnahme des Tatbestandes an Ort und Stelle kommen und wurde die Tatbestandsaufnahme auch von dem Anzeiger nicht verlangt. Es war demnach der Tatbestand des §4 Abs1 litc StVO 1960 nicht gegeben (siehe VwGH Erkenntnis vom 22.4.1998, Zl. 97/03/0367). Es war sohin der Berufung in diesem Punkt Folge zu geben
und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.
Weiters war von der Berufungsbehörde zu prüfen:
Gemäß §19 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der
mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren
Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige
Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe,
soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögensund
Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von
Geldstrafen zu
berücksichtigen.
Die Verursachung eines Verkehrsunfalles verlangt kein Verschulden,
weshalb der Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in objektiver
Hinsicht begangen hat. Zur subjektiven Tatseite wird ausgeführt, dass für die Strafbarkeit
dieser Verwaltungsübertretungen Fahrlässigkeit genügt, weil über das Verschulden nicht
anderes bestimmt ist. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter zufolge Außerachtlassung
der gebotenen Sorgfalt verkennt, dass er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen
könne. Das Maß der gebotenen Sorgfalt ist einerseits objektiv an der Anwendung jener
Sorgfalt, zu der der Täter nach den Umständen des einzelnen Falles verpflichtet ist und
andererseits subjektiv nach der Befähigung des Täters zur Sorgfaltsausübung und der Zumutbarkeit der Sorgfaltsausübung zu bestimmen.
Die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwider gehandelt hat,
entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift
nicht einsehen
konnte.
Der Berufungswerber ist geprüfter Fahrzeuglenker, sodass von der Kenntnis der Verkehrsvorschriften auszugehen ist und ihm deren Einhaltung zugemutet werden kann.
Dem Berufungswerber ist zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen. Von ihm
wurde nicht dargelegt, dass ihm die Einhaltung der Bestimmungen nicht möglich gewesen
wäre. Die Übertretung gemäß §99 Abs3 litb StVO ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10000,--
im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bedroht. Die von der Erstbehörde festgesetzte Strafe liegt im unteren Bereich, sodass selbst unter
Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit und seines
monatlichen Einkommens von ca S 17000,-- mit keiner weiteren Herabsetzung
vorzugehen war. Bei der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung
handelt es sich keinesfalls um ein Bagatelldelikt. Die Geldstrafe ist dem Verschulden nach
angemessen und soll auch geeignet sein, den Berufungswerber künftighin von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e
VStG 1991 Abstand genommen werden, weil im angefochtenen Bescheid keine S 3000,--
übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.