Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Martina Strele über die Berufung des Herrn L., vertreten durch Dr. Mag. S., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 11.10.1999, Zahl St-V.-4182/99-D, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs1 Z3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten, L., spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Sie haben als das gemäß § 9 Abs1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der zulassungsbesitzenden (Punkt 1) bzw befördernden (Punkt 2 bis 4) Firma ?L.? nicht für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gesorgt, da am 14.4.1999 um 10.15 Uhr in Innsbruck, Autobahn A 13, Zenzenhof, beim LKW EBE- (und Anhänger EBE-), der mit folgenden Gütern beladen war:
- 54 Kisten aus Pappe, Parfümerieerzeugnisse, Kl 3 Z 5b ADR, UN-1266, brutto 8.695 kg
festgestellt wurde, dass die Fahrzeugkombination gelenkt wurde,
1. obwohl nicht die gesamte erforderliche Schutzausrüstung mitgeführt wurde, da die laut schriftlicher Weisung erforderliche Augenspülflasche mit reinem Wasser fehlte,
2. obwohl nicht die gesamte erforderliche Schutzausrüstung mitgeführt wurde, da die laut schriftlicher Weisung erforderliche Augenspülflasche mit reinem Wasser fehlte,
3. obwohl kein den Vorschriften entsprechendes Beförderungspapier mitgeführt wurde, da die Konformitätserklärung fehlte und
4. obwohl der Lenker nicht von der ?schriftlichen Weisung? in Kenntnis gesetzt wurde.?
Dadurch habe er folgende Vorschriften verletzt:
Zu 1) § 6 Abs2 iVm § 13 Abs5 GGBG u RN 10.260 litd ADR
Zu 2) § 7 Abs2 Z7 iVm Z8 GGBG u RN 10.260 litd ADR
Zu 3) § 7 Abs2 Z7 iVm Z8 GGBG u RN 10.381 Abs1 lita ADR u RN
2.0002 Abs9 ADR
Zu 4) § 7 Abs2 Z6 GGBG
Weshalb über ihn folgende Geldstrafen gemäß den angeführten Bestimmungen verhängt wurden:
Zu 1) S 1.000,-- gemäß § 27 Abs2 Z13 GGBG
Zu 2) S 10.000,-- gemäß § 27 Abs1 Z1 GGBG
Zu 3) S 10.000,-- gemäß § 27 Abs1 Z1 GGBG
Zu 4) S 10.000,-- gemäß § 27 Abs1 Z1 GGBG
Weiters wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt S 3.100,-- verpflichtet.
Dagegen hat der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Berufung erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass es in der gesamten Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland den Begriff ?Zulassungsbesitzer? überhaupt nicht gebe. Das dem österreichischen Zulassungsschein vergleichbare Fahrzeugpapier trage dort die Bezeichnung ?Fahrzeugschein?. Da es sohin für den gegenständlichen LKW keinen Zulassungsbesitzer geben würde, könne der Berufungswerber auch nicht gemäß § 9 Abs1 VStG für die angeblichen Verwaltungsübertretungen zur Verantwortung gezogen werden. Es sei aber davon auszugehen, dass der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der L. vom Ort des Sitzes der genannten Gesellschaft aus handle. Dieser liege allerdings unzweifelhaft in der Bundesrepublik Deutschland. Im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur handle es sich bei den Delikten wie dem gegenständlichen um keine Erfolgsdelikte, weil ein solcher nicht zu Verwirklichung des Tatbildes gehöre. Ausgehend davon könne somit nicht von einer Begehung der vermeintlichen Verwaltungsübertretungen im Inland gesprochen werden und sei der Berufungswerber auch aus diesem Grunde nicht im Sinne des § 2 Abs1 VStG strafbar.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
Dieser Berufung kommt Berechtigung zu.
Auf Grund des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses festgestellte Sachverhalt wurde von RI D. und RI G. von der Bundespolizeidirektion Innsbruck (Verkehrsabteilung - Gefahrengutgruppe), anlässlich einer am 14.4.1999 in Innsbruck, Autobahn A 13 Zenzenhof, durchgeführten Kontrolle festgestellt und in der Anzeige der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Verkehrsabteilung - Gefahrengutgruppe, vom 30.4.1999, Geschäftszahl ST-V.4182/99-D, festgehalten.
Weiters ist in der Anzeige erwähnt, dass der Kraftwagenzug LKW, MAN, mit dem Kennzeichen EBE- (D) und Anhänger, Schwarzmüller, mit dem Kennzeichen EBE- (D), gelenkt von A. mit 8.695 kg brutto schweren Kisten aus Pappe (54 Stück), Parfümerieerzeugnisse der Klasse 3 Z5b ADR UN-1266 beladen war.
Der Berufungswerber L. ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der L. mit dem Sitz in D.
Für die Berufungsbehörde besteht kein Grund an der Richtigkeit dieser schlüssigen und nachvollziehbaren Anzeige zu zweifeln.
Die in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache maßgebenden Bestimmungen des Gefahrengutbeförderungsgesetzes - GGBG, BGBl I Nr 145/1998 lauten:
GELTUNGSBEREICH
§ 1 (1) Dieses Bundesgesetz ist anzuwenden auf die Beförderung gefährlicher Güter:
1) ganz oder teilweise auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs1 StVO 1960), BGBl Nr 159/1960, wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet,
...
Anzuwendende Vorschriften
§ 2 für die Beförderung gefährlicher Güter gemäß § 1 Abs1 gelten folgende Vorschriften:
1) Für die Beförderung gemäß § 1 Abs1 Z1:
a) innerhalb Österreichs sowie mit einem in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes registrierten oder zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug von Österreich in einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums und von einem Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Österreich:
Die Anhänge A und B der Richtlinie 94/55 EG des Rates vom 21. November 1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße, ABl Nr L 319 vom 12.12.1994, S 7, in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG der Kommission vom 13. Dezember 1996, ABl Nr L 335 vom 24. Dezember 1996, S 43;
Die Anhänge A und B der genannten Richtlinie enthalten die Anhänge A und B des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
(ADR).
Begriffsbestimmungen
§ 3 Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:
---
7) Beförderer ist, wer mit oder ohne Beförderungsvertrag Beförderungen gemäß § 1 Abs1 durchführt.
Strafbestimmungen, besondere Vorschriften für das Strafverfahren
§ 27 (1) wer
1) als Beförderer gefährliche Güter entgegen § 7 Abs2 befördert ...
begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bis 600.000,-- zu bestrafen.
Pflichten von Beteiligten
§ 7
...
(2) Gefährliche Güter dürfen nur befördert werden, wenn
...
6) das zuständige bei der Beförderung tätige Personal entsprechend den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften über seine Pflichten und über die Besonderheiten der Beförderung und über das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen ausreichend in Kenntnis gesetzt und unterwiesen worden ist;
7) dem Zuständigen bei der Beförderung tätigen Personal die in den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände sowie gegebenenfalls der Bescheid über die Ausnahmebewilligung gemäß § 9 übergeben worden sind, soweit dieses nicht bereits im Besitz dieser Gegenstände oder Papiere ist;
8) die Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände (Z7) den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften entsprechend mitgeführt werden.
Zulässigkeit der Verwendung von Fahrzeugen
§ 6 Fahrzeuge dürfen zur Beförderung gefährlicher Güter nur verwendet werden
...
wenn sie hinsichtlich ihrer Bauart, Ausrüstung und Ausstattung den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.
Besondere Pflichten von Beteiligten
§ 13
...
(5) der Zulassungsbesitzer
1) hat dafür zu sorgen, dass ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug nur dann zur Beförderung gefährlicher Güter verwendet wird, wenn die Voraussetzungen gemäß § 6 erfüllt sind.
Es trifft nun zwar zu, dass sich die im § 27 Abs1 Z1 iVm § 3 Z7 GGBG pönalisierte Durchführung der Beförderung gefährlicher Güter entgegen § 7 Abs2 schon dem Wortlaut der angeführten Normen her auf den gesamten Beförderungsvorgang bezieht, also nicht bloß auf die Herbeiführung, sondern auch auf die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Es handelt sich somit um ein Dauerdelikt, bei dem das verpönte strafbare Verhalten erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes aufhört (vgl Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 8.9.1998, Zahl 98/03/0159).
In der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache fand aber die von den kontrollierenden Beamten vorgenommene Kontrolle des Fahrzeuges im Sprengel der Bundespolizeidirektion Innsbruck statt und wurde der rechtswidrige Zustand dort festgestellt. Gemäß § 27 Abs1 VStG, wonach die Behörde örtlich zuständig ist, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist, ergibt sich aber daraus noch nicht die Zuständigkeit dieser Behörde zur Ahndung der Verwaltungsübertretungen.
Bei dem dem Berufungswerber - als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung der als Beförderer tätig gewordenen L. nach außen Berufenen - zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen handelt es sich nämlich um Unterlassungsdelikte, wurde ihm doch vorgeworfen bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen nicht getroffen zu haben (Übergabe eines ordnungsgemäßen Beförderungspapier, Ausstattung des Fahrzeuges mit entsprechender Schutzausrüstung und Nichterteilung schriftlicher Weisung an den Lenker). Bei solchen Delikten ist der Tatort dort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Zusammenhang mit Übertretungen von Arbeitszeitvorschriften ausgesprochen, dass dieser Ort dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt sind, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfällt. Dieser Grundsatz wurde auch auf die Übertretung anderer Arbeitnehmerschutzbestimmungen angewendet. (Vgl Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 18.6.1990, Zahl 90/19/0107). Es ist demnach - so der Verwaltungsgerichtshof - nicht zu erkennen, warum er nicht auch für die Unterlassungsdelikte nach dem GGBG gelten sollte. In der Regel wird daher die Behörde davon auszugehen können, dass das Unterlassen am Sitz des Unternehmens des Halters stattgefunden hat (vgl zuletzt Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 20.09.2000, Zahl 2000/03/0071, 72-6).
In der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache ist unbestritten, dass der Sitz der als Beförderer tätig gewordenen L., deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber ist, in D. gelegen ist.
Es ergibt sich daher, dass der Berufungswerber nicht zu bestrafen ist, weil er den Gefahrenguttransport vom Sitz seines Unternehmens in Deutschland aus durchführen ließ. Er hat somit nicht im Inland im Sinn des § 2 Abs2 VStG (nach dieser Bestimmung sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar) gehandelt und stellen die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen keine Erfolgsdelikte im Sinn des § 2 Abs2 VStG dar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.