TE UVS Tirol 2001/01/18 2000/14/011-3

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Veröffentlicht am 18.01.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz über die Berufung des Herrn U., vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 13.1.2000, Zahl 3a-ST-59021/99, auf Grund der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 15.1.2001 wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24 und 51e VStG wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs1 Z1 VStG eingestellt wird. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 64 Abs1 und 2 VStG hat der Berufungswerber zu Punkt 2 des Straferkenntnisses als weitere Kosten als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind S 200,-- (EUR 14,54) zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 2.6.1999 um 14.50 Uhr das Fahrzeug (Motorrad), Kennzeichen MIL-, auf der Reschenstraße B-315 bei Kilometer 39,460 in Nauders in Fahrtrichtung Italien gelenkt und

 

1. in einer unübersichtlichen Kurve ein mehrspuriges Fahrzeug überholt

2. ein Fahrzeug überholt, obwohl für ihn nicht einwandfrei erkennbar war, ob er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen wird können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Er habe dadurch zu 1. die Rechtsvorschrift des § 16 Abs2 litb StVO und zu 2. die des § 16 Abs1 litc StVO verletzt und wurde über ihn jeweils gemäß § 99 Abs3 lita StVO Geldstrafen in Höhe von jeweils S 1.000,-- (Ersatzarrest 24 Stunden) verhängt. Ferner wurde er zum Kostenersatz des Strafverfahrens verpflichtet.

 

Das Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter am 18.1.2000 zugestellt.

 

Innerhalb offener Frist wurde eine Berufung erhoben in der ausgeführt wird, dass das Straferkenntnis dem gesamten Inhalt nach angefochten wird. Gemäß § 25 Abs2 VStG seien die für die Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Die Behörde dürfe nur dann beantragte Beweismittel ablehnen, wenn der Sachverhalt so vollständig festgestellt sei, dass die Behörde sich auf Grund der bisher vorliegende Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen könne und sie auch dann nicht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, wenn das beantragte Beweismittel das bestätigen würde, was der Beschuldigte unter Beweis stelle. In seiner Stellungnahme habe der Beschuldigte ausdrücklich das Beweismittel des Lokalaugenscheines beantragt, da eben aus dem Foto nicht mit der notwendigen Sicherheit zu entnehmen sei, wie sich die Sichtverhältnisse im Unfallsbereich tatsächlich ergeben haben. In der Stellungnahme sei dargetan worden, dass in diesem Bereich vor Erreichen der Spitzkehre auf einer Länge von ca 1 km Sicht auf den kommenden Straßenverlauf gewesen sei und sei dieser Kilometer frei von jeglichem Verkehr gewesen. Infolge dessen sei die Kurve, in der er ein mehrspuriges Fahrzeug überholt habe, nicht unübersichtlich gewesen und habe er einwandfrei erkennen können, dass sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang sich in den Verkehr einordnen werde können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Der Lokalaugenschein hätte diese Umstände klar und in eindeutiger Weise unter Beweis stellen können und leide das Verfahren an einer Mangelhaftigkeit, sodass aus diesem Grund die Berufung gerechtfertigt sei. Im unterbehördlichen Verfahren habe der Beschuldigte mehrfach darauf hingewiesen, dass die Erhebungen der Gendarmeriebeamten nicht zutreffen, und dass es einfach nicht richtig sei, dass lediglich eine Überholsichtweite von maximal 30 Metern gegeben gewesen sei und das genannte Lichtbild sich nicht mit den tatsächlichen Sichtverhältnissen im Unfallsbereich in Einklang gebracht werden könnte. Folge man dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.9.1989, so sei eine genaue Tatumschreibung deshalb erforderlich, weil sowohl der Mangel einwandfreier Erkennbarkeit der Möglichkeit des Einordnens nach dem Überholvorgang als auch der Umstand der Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer nur unter dem konkreten Verhältnissen an Ort und Stelle beurteilt werden könne. Dies heiße, dass der Verwaltungsgerichtshof längst erkannt habe, dass derartige Entscheidungen nicht auf Grund von Skizzen, Fotos und dgl. gefasst werden können, vielmehr ein Lokalaugenschein zwingend erforderlich wäre. Die Frage, ob eine unübersichtliche Straßenstelle gegeben sei, sei grundsätzlich von der Stelle aus, wo das Überholmanöver begonnen werde, zu beurteilen. Zum Zeitpunkt, als der Beschuldigte zu seinem Überholmanöver ansetzte, hatte er, wie bereits dargelegt, eine uneingeschränkte Sicht auf ca 1 km. Der überholende Motorradfahrer sei daher in der Lage gewesen, das Straßenstück bei Beginn des Überholvorganges zur Gänze zu überblicken, das er für diese Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Motorrades auf dem rechten Fahrstreifen benötigte. Es könne daher von einer unübersichtlichen Straßenstelle nicht gesprochen werden. Es werde der Antrag gestellt die Berufungsbehörde möge in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass dieses behoben und bezüglich des gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs1 VStG die Einstellung verfügt werde; in eventu, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Straferkenntnisses an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen; auf jeden Fall eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen.

 

Infolge der erhobenen Berufung wurde am 15.1.2001 die mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei der Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme der Zeugen Insp A. und Insp W.. Eine Einvernahme des Berufungswerbers konnte nicht erfolgen, dieser ließ sich durch seinen Rechtsvertreter wegen berufsbedingter Unabkömmlichkeit entschuldigen. Ferner wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Landeck mit der Zahl 3a-ST-59021/99.

 

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

Am 2.6.1999 gegen 14.50 Uhr lenkte der Berufungswerber das Motorrad der Marke Yamaha mit dem Kennzeichen MIL- auf der Reschenstraße B 315 in Nauders von Pfunds kommend in Richtung Italien. Vor dem Berufungswerber fuhr ein PKW. Vor der unübersichtlichen Rechtskurve bei Strkm 39,460 überholte der Berufungswerber mit seinem Motorrad den PKW. Dieser Überholvorgang wurde von den beiden Inspektoren A. und W. vom GP Nauders wahrgenommen, welche zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrsüberwachungsdienst durchführten. Die Beamten standen bei Strkm 39,8 und konnten den Überholvorgang gut beobachten. Zum Zeitpunkt des Überholvorganges war die Fahrbahn trocken und es herrschten gute Sichtverhältnisse. Der PKW fuhr mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 70 km/h die Geschwindigkeit des Motorrades betrug beim Überholen ca 90 km/h. Das Überholmanöver bei Strkm 39,460 wurde so durchgeführt, dass der Berufungswerber mit seinem Motorrad zu Kurvenanfang sich wieder auf den rechten Fahrstreifen einordnen konnte. Infolge der Kurve ist die Sichtweite auf die B 315 auf eine Strecke von ca 100 Metern verdeckt (siehe Lichtbildbeilage).

 

Zur Sachverhaltsfeststellung wurden die Aussagen der einvernommenen Gendarmen sowie der Inhalt der Anzeige des GP Nauders vom 28.6.1999 herangezogen. Insbesondere aus der der Anzeige beiliegenden Lichtbildbeilage ergibt sich, dass die Rechtskurve für den Berufungswerber unübersichtlich ist und ein Teil der B 315 nicht eingesehen werden kann.

 

Gemäß § 16 Abs1 lita StVO darf ein Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere Entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

Nach § 16 Abs2 litb StVO darf bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen nicht überholt werden; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

 

Zutreffend wird in der Berufung darauf hingewiesen, dass bei der Frage, ob ein übersichtliche Straßenstelle gegeben ist, grundsätzlich von der Stelle aus, wo das Überholmanöver begonnen wird, zu beurteilen ist. Ist der überholende KFZ-Lenker in der Lage, das Straßenstück bei Beginn des Überholvorganges zur Gänze zu überblicken, das er für diese Maßnahme einschließlich des ordnungsgemäßen Wiedereinordnens seines Kraftfahrzeuges auf dem rechten Fahrstreifen benötigt, so kann von einer unübersichtlichen Straßenstelle nicht gesprochen werden (VwGH 10.7.1981, 81/02/0017, VwGH 3.7.1996, 95/03/0297 und 18.6.1997, 97/03/0029).

 

Auf der gefertigten Lichtbildbeilage ist skizzenhaft eingezeichnet, wo der Berufungswerber das Überholmanöver begonnen hat und wo er sich wieder einordnete. Der Ort des Einordnens ist im Lichtbild mit Anfang der Kurve eingezeichnet worden und haben die Zeugen angegeben, dass die vor der Kurve liegende Strecke 120 Meter lang ist, sodass gesagt werden kann, dass vom Berufungswerber (seine Überholstrecke konnte er überblicken) keine Übertretung nach § 16 Abs2 litb StVO begangen wurde. Bei der rechtlichen Berurteilung dieser Verwaltungsübertretung kommt es nicht darauf an, ob Sicht auf den (allfälligen) Gegenverkehr besteht, sondern ist nur die Sicht der eigenen Überholstrecke maßgebend.

 

Bei der Übertretung nach § 16 Abs1 lita StVO hingegen ist die (theoretische) Sichtweite und Fahrtstrecke des Gegenverkehrs zu berücksichtigen. Aus den Aussagen der Beamten und insbesondere aus der Lichtbildbeilage läßt sich klar entnehmen, dass eine Sicht auf einen allfälligen Gegenverkehr nicht bestand und daher der Berufungswerber beim Beginn des Überholmanövers nicht sagen konnte, ob er nach dem Überholvorgang sich so einordnen kann, ohne dass andere Straßenbenützer, insbesondere Entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden könnten. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass der Straßenverlauf für den Berufungswerber auf einer Strecke von 100 Meter nicht einsichtig war. Der Berufungswerber hat daher die ihm zu Punkt 2 angelastete Übertretung zu vertreten und konnte der Berufung hinsichtlich dieses Punktes nicht stattgegeben werden.

 

Was die Durchführung des beantragten Lokalaugenscheines anlangt, so war dieser abzuweisen, weil sich der Streckenverlauf aus dem in der Anzeige beiliegendem Lichtbild klar ergibt. Insbesondere ist aus diesem zu entnehmen, dass die B 315 von der Sicht des Berufungswerbers aus auf eine Strecke von ca 100 Meter nicht einsichtig war und er aus diesem Grunde in diesem Bereich den Gegenverkehr nicht wahrnehmen konnte. Infolge dieses klaren Sachverhaltes war es auch nicht notwendig den beantragten Sachbefund einzuholen.

 

Aus vorgenannten Gründen konnte der Berufung teilweise stattgegeben werden und war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lichtbild, überholt, Lokalaugenschein, abzuweisen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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