TE UVS Steiermark 2001/01/18 30.15-57/2000

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Veröffentlicht am 18.01.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung der I R, wohnhaft in H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 15.11.2000, GZ.: 15.1 2000/5197, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 28.9.2000, um

22.30 Uhr, in G, im Nachtlokal "A" die Prostitution ausgeübt sowie die Anbahnung hiezu, ohne im Besitz eines Ausweises gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz gewesen zu sein. Sie habe dadurch eine Übertretung des § 3 Abs 5 iVm § 15 Abs 1 Z 1 lit a leg. cit. begangen und wurde über sie wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt.

In ihrer dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 1.12.2000 bestritt die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung und wandte ein, sie sei sehr wohl im Besitz eines Ausweises gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz gewesen. Dieser Ausweis sei jedoch am Kontrolltag zwecks Eintragung der ärztlichen Untersuchung bei der Behörde gelegen. Sie habe daher am 28.9.2000 im Nachtclub "A" lediglich als Tänzerin gearbeitet und dies den erhebenden Gendarmeriebeamten auch mitgeteilt. Es sei ihr nicht erinnerlich durch welche Handlungen ihrerseits die Ausübung oder Anbahnung der Prostitution erfolgt sein solle bzw. zumindest dieser Eindruck erweckt worden sein könnte und fänden sich diesbezüglich auch keinerlei Hinweise in dem Straferkenntnis. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Zum Einwand des Spruchmangels gemäß § 44 a VStG:

Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Hiezu sind entsprechende, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich.

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Entscheidend dafür, welche Tathandlung die Behörde der Verwaltungsvorschrift unterstellt hat, ist daher die Bezeichnung im Spruch des Erkenntnisses. Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfasste, äußere menschliche Verhalten. Dieses Verhalten kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Umstände so genau zu umschreiben, dass

1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2.) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13.6.1984, Slg. NF 11.466/A).

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu beschützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11.894/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtssprechung zum Verwaltungsstrafverfahren betreffend Übertretung sittlichkeitspolizeilicher Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution (unter anderem VwGH 26.11.1984, Zl. 84/10/0196, Zl. 96/10/0259 vom 15.11.1999 und Zl. 96/10/0207 vom 27.1.1997) judiziert, dass der Spruch des Straferkenntnisses das konkrete Verhalten, mit welchem die Beschuldigte mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht getrieben hat bzw. Anbahnungshandlungen zur Ausübung der Prostitution gesetzt hat, umschreiben muss. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes bzw. eine allgemeine Umschreibung des Verhaltens ("Auf- und Abgehen" als Anbahnung, Beschreibung der Örtlichkeit als "Bordell" etc.) reichen hiebei nicht aus, um den Konkretisierungserfordernissen des § 44 a VStG gerecht zu werden. Im Anlassfall wurde der Berufungswerberin mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11.10.2000 und wortgleich im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis in sinngemäßer Wiedergabe des Gesetzeswortlautes lediglich zur Last gelegt, sie habe "am 28.9.2000 um 22.30 Uhr in G, Nachtlokal "A", wie bei einer Überprüfung im Bordell zur oben genannten Zeit festgestellt wurde, die Prostitution ausgeübt sowie die Anbahnung hiezu, obwohl sie nicht im Besitz eines Ausweises gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz war".

Die Berufungswerberin ist daher im Recht, wenn sie vorbringt, dass diesem Spruch nicht zu entnehmen ist, durch welches konkrete Verhalten sie am Kontrolltag die Prostitution ausgeübt bzw. angebahnt habe bzw. dieser Eindruck bei den erhebenden Gendarmeriebeamten entstanden sei. Der Spruch des Straferkenntnisses beschränkt sich neben der Angabe von Tatort und Tatzeit nämlich auf die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes und enthält somit keine auch nur andeutungsweise Umschreibung des konkreten Prostitutionsverhaltens bzw. der beobachteten Anbahnungshandlungen hiezu. Nebenbei sei bemerkt, dass nicht einmal der verfahrensgegenständlichen Anzeige nähere Details hinsichtlich des Verhaltens der Berufungswerberin entnommen werden können, da aus der Anzeige lediglich hervorgeht, dass zur angeführten Kontrollzeit im Bordellbetrieb insgesamt zehn Prostituierte "angetroffen" wurden, von denen sechs Personen, darunter die Berufungswerberin keinen Ausweis gemäß § 10 Abs 1 Z 2 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz vorweisen konnten. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses entspricht somit hinsichtlich der Tatumschreibung nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44 a Z 1 VStG. Dieser Spruchmangel ist trotz noch nicht eingetretener Verfolgungsverjährung nicht verbesserungsfähig, da der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses jegliche Beschreibung des konkreten Tatverhaltens vermissen lässt. Die Berufungsbehörde wäre somit genötigt, das komplette Tatverhalten von Grund auf neu zu formulieren, was weit über eine bloße Konkretisierung des Tatvorwurfes hinaus geht. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.2.1995, Zl. 90/10/092. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen einer rechtmäßigen Modifizierung der Tatumschreibung und einer unzulässigen Auswechslung der Tat ausgeführt, dass eine allfällige Spruchkorrektur durch die Berufungsbehörde voraussetzt, dass jenes konkrete, dem Beschuldigten durch den Strafbescheid der Berufungsbehörde zur Last gelegte Verhalten in konkretisierter Form bereits Gegenstand des Strafverfahrens erster Instanz war. Da somit bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG aufzuheben ist, war gemäß § 51 e Abs 2 VStG eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung nicht durchzuführen. An die Adresse der belangten Behörde sei noch ausgeführt, dass im Anlassfall noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist und somit die Möglichkeit besteht, nach Durchführung entsprechender Erhebungen (Befragung der Gendarmeriebeamten etc.) eine neue Verfolgungshandlung mit einem im Sinne der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes detaillierten Tatvorwurf zu erlassen.

Schlagworte
Sache Entscheidungsbefugnis Konkretisierung Auswechslung Prostitution Anbahnung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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