Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Ruiner über die Berufung des Herrn R K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23.5.2000, GZ.: 15.1 1999/10212, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung hinsichtlich Punkt 1.) abgewiesen.
Hinsichtlich Punkt 2.) wird der Berufung Folge gegeben, von der Fortführung des Verfahrens abgesehen und gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG die Einstellung verfügt.
Hiedurch vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auf S 100,-- (EUR 7,27). Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 200,-- (EUR 14,53) binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurden dem Berufungswerber Übertretungen des § 15 Abs 1 StVO zur Last gelegt und hiefür gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Gesamtgeldstrafe von S 2.000,-- (72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von S 200,-
- vorgeschrieben.
In seiner rechtzeitigen Berufung brachte der Berufungswerber im Wesentlichen vor, dass ein Rechtsüberholen auf der Autobahn nicht zu seinem Fahrstil gehöre, da er auf Grund seiner langjährigen Außendiensttätigkeit und Erfahrung wisse, wie gefährlich solche Rechtsüberholvorgänge seien. Er habe zum Tatzeitpunkt keinen Grund gehabt, die Abfahrt Gratkorn zu benutzen und könne er sich nicht vorstellen, warum die Beamten ihn nicht angehalten hätten.
Bei der durchgeführten Berufungsverhandlung brachte der Berufungswerber im Wesentlichen noch vor, dass sich die Straßenkilometer 171,3 und 172,8 zwischen dem Gratkorntunnel und einem weiteren Tunnel befinde, wobei die A 9 im fraglichen Bereich drei Fahrstreifen in Richtung Graz aufweise. Der rechte Fahrstreifen führe zur Abfahrt Gratkorn, wobei die beiden anderen in Richtung Süden weiterführen. Seiner Erinnerung nach habe geringer Fahrzeugverkehr in Richtung Graz geherrscht und hätte er bei Zutreffen der Vorwürfe auf Grund der 100 km/h-Beschränkung wohl auch die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschreiten müssen, wobei jedoch diesbezüglich keine Anzeige erfolgt sei. Es wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben.
Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Der Berufungswerber lenkte seinen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW zum Tatzeitpunkt auf der A 9 in Richtung Spielfeld. Die A 9 weist im fraglichen Bereich, das heißt zwischen dem Gratkorntunnel Nord und Gratkorntunnel Süd 3 Fahrstreifen auf, wobei der äußerst rechte Fahrstreifen im Bereich des Gratkorntunnel Süd sowie in diesem Tunnel bis zur Abfahrt Gratkorn durch eine Begrenzungslinie im Sinne des § 7 b der Bodenmarkierungsverordnung abgegrenzt ist. Innerhalb dieser bestehen Bodenmarkierungen (Richtungspfeile und dergleichen) die auf die Abfahrt nach Gratkorn, welche sich unmittelbar nach dem Ende des gegenständlichen Tunnels befindet, hinweisen. Zum Tatzeitpunkt herrschte aufgelockerter Verkehr und besteht im Gratkorntunnel Süd eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h.
Im Bereich des Strkm. 171,3 konnte von RI P I, der zum damaligen Zeitpunkt den Dienstkraftwagen, der mit Wiegeplatten und dergleichen beladen war mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 80 bis 100 km/h in Richtung Graz lenkte, festgestellt werden, dass der Berufungswerber in einer Entfernung von etwa 15 m vor dem vom genannten Zeugen gelenkten Fahrzeug ein Fahrzeug, welches am mittleren Fahrstreifen fuhr, rechts überholte, obwohl ein Überholen auf dem äußerst linken Fahrstreifen durchaus möglich gewesen wäre. Im Zuge dieses vom Berufungswerber durchgeführten Überholmanövers konnte vom genannten Zeugen sowie seinem Beifahrer Insp. K das Kennzeichen abgelesen und die Fahrzeugtype festgestellt werden. In weiterer Folge lenkte der Berufungswerber seinen PKW auf dem äußerst rechten Fahrstreifen in Richtung Graz weiter, benutzte hiebei den durch die Begrenzungslinie abgegrenzten Teil der A 9 und fuhr derart im Gratkorntunnel Süd an einem PKW am - verbleibenden - rechten Fahrstreifen der A 9 vorbei. Unmittelbar vor dem Ende des Tunnels wechselte der Berufungswerber auf den rechten Fahrstreifen und lenkte sein Fahrzeug in Richtung Graz weiter.
Diese Feststellungen gründen sich auf widerspruchsfreien und durchaus glaubwürdigen Angaben des vernommenen Zeugen Insp. I sowie die übermittelten Straßenpläne betreffend den gegenständlichen Autobahnabschnitt. Die Behörde kann keinen Grund finden, die Angaben des vernommenen Zeugen in Zweifel zu ziehen, wobei die diesbezüglichen Angaben des Berufungswerbers, nämlich, dass es nicht zu seinem Fahrstil gehöre, Fahrzeuge auf der Autobahn rechts zu überholen, die durchaus nachvollziehbaren Angaben der genannten Straßenaufsichtsorgane nicht widerlegen können.
In rechtlicher Hinsicht ist hiezu Nachstehendes auszuführen:
Gemäß § 15 Abs 1 StVO darf außer in den Fällen des Abs 2 und 2a der Lenker eines Fahrzeuges nur links überholen. Gemäß § 7 b der Bodenmarkierungsverordnung sind Begrenzungslinien unterbrochene Längsmarkierungen in weißer Farbe, die die Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen (§ 55 Abs 3 StVO) abgrenzen. Durch das Anbringen einer Begrenzungslinie im Sinne des § 55 Abs 3 StVO iVm § 7 b Bodenmarkierungsverordnung, wird die Fahrbahn von der anderen Verkehrsfläche
Einordnen für die Abfahrt nach Gratkorn - abgegrenzt, sodass diese nicht mehr Teil der Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 5 StVO, wohl aber als Teil der Straße im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 StVO ist. Das Befahren dieser "anderen Verkehrsfläche" ist grundsätzlich nicht verboten, es besteht jedoch auch keine Verpflichtung diese etwa zum Zwecke des Einordnens zum Rechtseinbiegen zu benutzen.
Gemäß § 2 Z 29 StVO ist Überholen das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeuges.
Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses unter Hinweis auf die getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass der Berufungswerber innerhalb dem durch die Begrenzungslinie abgegrenzten Straßenabschnitt der A 9 in Richtung Graz fuhr und solcherart an einem auf dem mittleren bzw. außerhalb dieses Straßenteils in Richtung Graz fahrenden Fahrzeug rechts vorbei fuhr. Ein Überholen liegt nicht vor, da es sich hiebei nicht auf derselben Fahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 29 StVO befindet. Da es sich somit beim vorliegenden Fahrmanöver - innerhalb des Gratkorntunnels Süd - um kein Überholen im Sinne der oben zitierten Gesetzesstelle handelte, war hinsichtlich dieses Vorwurfes der Berufung Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.
Bezüglich der Strafbemessung zu Punkt 1.) wird ausgeführt, dass nach der Bestimmung des § 19 Abs 1 VStG insbesondere die Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, Grundlage für die Bemessung der Strafe ist. Die übertretene Norm zielt insbesondere darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer gegen diese Vorschriften verstößt, trägt zur Erhöhung der Gefahren des Straßenverkehrs bei und gefährdet in seinem Bereich die Verkehrssicherheit. Dieser Schutzzweck ist durch das vorgeworfene Verhalten verletzt worden.
Unter Berücksichtigung dieser objektiven Kriterien muss die Strafbemessung durch die Vorinstanz als gerechtfertigt angesehen werden, zumal sich die verhängte Strafe im Hinblick auf die gesetzliche Strafobergrenze von S 10.000,-- ohnehin nur im untersten Strafbereich bewegt.
Es bleibt daher gemäß § 19 Abs 2 VStG noch zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abwägung eine Strafmilderung möglich wäre. Die bisherige Unbescholtenheit kann eine Änderung der Entscheidung nicht herbeiführen, da die verhängte Strafe auch unter Berücksichtigung dieses Milderungsgrundes schuldangemessen erscheint.
Auch die aus dem Akt ersichtlichen und vom Berufungswerber angeführten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sind nicht geeignet, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen, da die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe auch diesbezüglich angepasst erscheint.
Bei diesen persönlichen Verhältnissen und den bisher angeführten Strafbemessungsgründen ist die verhängte Strafe als schuldangemessen und gerechtfertigt anzusehen, da Strafen einen immerhin spürbaren Vermögensnachteil darstellen müssen, um den Strafzweck zu erfüllen.
Auf Grund all dieser Erwägungen war daher, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden.