Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Wilhelm E gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom 6.11.2000, Zl S 20.592/F/00 Tra, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom 6.11.2000, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe am 23.2.2000 um 19:00 Uhr in Wien, T-Straße Fahrtrichtung 5. Bezirk den BMW 7G mit dem behördlichen Kennzeichen KB-1 gelenkt und dabei während der Fahrt mit einem Mobiltelefon ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung telefoniert. Der Bw habe dadurch § 102 Abs 3 KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit ATS 50,-- bestimmt. Zur Begründung dieses Straferkenntnisses führte die Erstbehörde aus, die Verwaltungsübertretung sei aufgrund der Angaben des Aufforderers und der Zeugen als erwiesen angenommen worden. Der Bw habe die ihm zur Last gelegte Tat bestritten, jedoch habe seinen Angaben kein Glauben geschenkt werden können, weil er im Gegensatz zum Zeugen nicht verpflichtet sei, die Wahrheit anzugeben. Im Übrigen legte die Erstbehörde ihre Strafzumessungsgründe dar.
In seiner gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte der Bw im Wesentlichen vor, sein BMW habe eine erstklassige Telefon- und Freisprechanlage serienmäßig eingebaut. Es bestehe absolut keine Notwendigkeit, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Den Hörer nehme man in die Hand, wenn man nicht wolle, dass der Beifahrer das Gespräch mithöre. Die ihn anzeigenden Personen würden bestätigen, dass er alleine gefahren sei; er habe daher keinen Grund gehabt, den Hörer in die Hand zu nehmen. Die Anzeigenden wollten ihn offensichtlich ärgern, aber mit einer Argumentation, die absolut nicht stimme und versichere er, dass er, seit Freisprechanlagen am Markt seien, nur über solche telefoniere.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Nach Lage der Akten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens kam am 23.2.2000 gegen 19:30 Uhr Herr K auf das Wachzimmer 5 der Bundespolizeidirektion Wien (in Begleitung einer namentlich genannten Zeugin) und gab an, an diesem Tag gegen 19:00 Uhr auf der T-Straße in Richtung 5. Bezirk gefahren zu sein. Der Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen KB-1 sei neben ihm auf dem zweiten Fahrstreifen gefahren und habe er bemerken können, dass der Lenker mittels Handy, welches dieser in der rechten Hand gehalten habe, telefoniert habe. Plötzlich sei dieser seitlich mit seinem Pkw kollidiert, wodurch der rechte Außenspiegel verbogen worden sei. Dieser habe sich jedoch gerade biegen lassen und sei nicht beschädigt worden. Obwohl der Lenker die Kollision mit Sicherheit bemerkt habe, habe dieser
sein Fahrzeug nicht angehalten, sondern sei davongefahren. Ihn ärgere dieses Verhalten und wolle er den Lenker auf jeden Fall anzeigen.
Als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen KB-1 wurde der Bw ermittelt. Bei seiner Einvernahme als Beschuldigter bei der BH Ki (im Rechtshilfeweg) am 27.4.2000 bestritt der Bw, während der Fahrt ohne eine Freisprecheinrichtung telefoniert zu haben. Der von ihm gelenkte Pkw der Marke BMW verfüge über eine serienmäßige Freisprecheinrichtung. Die Erstbehörde hat dann (siehe die Niederschriften vom 4.7.2000) Herrn K und Frau V als Zeugen einvernommen. Die mit den beiden Zeugen aufgenommenen Niederschriften wurden dem Bw (in Kopie) übermittelt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, hiezu Stellung zu nehmen. In seinem Schreiben vom 13.7.2000 wies der Bw abermals darauf hin, dass das Autotelefon in seinem Fahrzeug hochwertig und die Freisprechanlage serienmäßig eingebaut sei. Auch in seiner Berufung wies der Bw darauf hin, dass sein BMW eine erstklassige Telefon- und Freisprechanlage serienmäßig eingebaut habe und keine Notwendigkeit bestehe, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen.
Der Berufung kommt schon aus folgenden, von ihr nicht ins Treffen geführten Gründen Berechtigung zu.
§ 102 Abs 3 KFG idF der mit 1. Juli 1999 in Kraft getretenen Novelle BGBl I Nr 146/1998 lautet:
"(3) Der Lenker muss die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtungen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muss die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muss beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen."
Durch eben diese Novelle (BGBl I Nr 146/1998) wurde nach § 134 Abs 3a KFG ein Abs 3b eingefügt; dieser lautet wie folgt:
"(3b) Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs 3
5. Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei
einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von ATS 300,-- zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu ATS 1.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen."
Die Erstbehörde nahm die Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung aufgrund der Angaben des Aufforderers (einer Privatperson) und der Zeugin (diese ist Beifahrerin in dem vom Aufforderer gelenkten Fahrzeug gewesen) als erwiesen an. Der Aufforderer gab an, er habe wahrnehmen können, dass der Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen KB-1 während der Fahrt mittels Handy, welches er in der rechten Hand gehalten habe, telefoniert habe. Die Erstbehörde hat im vorliegenden Fall übersehen, dass der Fahrzeuglenker, der eine Übertretung nach § 102 Abs 3 Satz 5 KFG begangen hat, einen Rechtsanspruch darauf hat, mit einer Organstrafverfügung belegt zu werden (vgl das zum im Wesentlichen gleichlautenden Art IV Abs 5 Z 1 der 4. KFG-Novelle betreffend die Verpflichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Sturzhelmes ergangene Erkenntnis des VwGH vom 29.1.1992, Zl 92/02/0043, VwSlg 13571A/1992). Die Ausstellung einer Organstrafverfügung setzt aber voraus, dass der Fahrzeuglenker von einem Organ der Straßenaufsicht zum Anhalten aufgefordert worden ist und er dieser Aufforderung auch Folge geleistet hat. Wenn eine solche Anhaltung im Sinne des § 97 Abs 5 StVO nicht stattgefunden hat (wie zB im vorliegenden Fall, weil die dem Bw angelastete Tat von einer Privatperson wahrgenommen worden ist), dann ist der Fahrzeuglenker nicht nach § 102 Abs 3 Satz 5 KFG strafbar, auch wenn er das betreffende strafbare Verhalten gesetzt haben sollte. Das Sachverhaltselement, dass das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung während des Fahrens ?bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt? wurde, stellt kein Element des strafbaren Verhaltens, welches in die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nach § 44a Z 1 VStG aufzunehmen gewesen wäre, dar. Das Fehlen der verfahrensrechtlichen Voraussetzung zur Ahndung dieser Verwaltungsübertretung, das in der Feststellung der Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ?bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO? (vgl zB das Erkenntnis des VwGH vom 28.3.1990, Zl 89/03/0183) liegt, verhindert aber eben die entsprechende Bestrafung.
Das angefochtene Straferkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig. Es war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen.