TE UVS Steiermark 2001/01/31 30.15-31/2000

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Veröffentlicht am 31.01.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Arbeitsinspektorates Leoben vom 7.6.2000 gegen den Einstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Gröbming vom 25.5.2000, GZ.: 15.1 - 1998/4959, wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) Folge gegeben, der angefochtene Einstellungsbescheid behoben und ausgesprochen, dass Herr Ing. B S, J-S nachstehende Verwaltungsübertretung begangen hat:

Sie haben als verantwortlicher Beauftragter und somit gemäß § 9 Abs 2 VStG Verantwortlicher der Firma DI E E GesmbH mit dem Sitz in Ö nicht dafür gesorgt, dass die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren, nämlich die Errichtung einer gewendelten Stiege beim Bauvorhaben A, (EG Wohnung 3) durch den Hilfspolier J Z im Zeitraum 10. - 19.11.1998 so erfolgen konnte, dass unter Berücksichtigung aller Umstände ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit erreicht wird. Herrn Z standen bei der Errichtung der Stiege keine Bewehrungspläne für die konkrete Stiege zur Verfügung. Am 19.11.1998 stürzte die Stiege beim Ausschalen ein, wobei Herr Z tödliche Verletzungen erlitt.

Dadurch wurden folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 17 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) BGBl 340/1994 i. d.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

ATS 30.000,-- (EUR 2.180,19) gemäß § 130 Abs 5 Z 1 ASchG BGBl Nr 450/1994 idgF iVm § 118 Abs 3 leg cit (Ersatzarrest 5 Tage gemäß § 16 VStG)

Text

Mit Bescheid vom 25.5.2000, GZ.: 15.1 1998/4959, stellte die Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Gröbming ein gegen Herrn Ing. B S eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 17 Abs 2 Bauarbeiterschutzverordnung ein. Begründet wurde der Einstellungsbescheid im Wesentlichen damit, dass ein beim Bezirksgericht B A durchgeführtes Gerichtsverfahren ergeben habe, dass dem tödlich verunglückten Arbeiter bei der Errichtung der Stiege der Wohnung 3 auf der Baustelle in A, sehr wohl die erforderlichen Pläne zur Verfügung standen.

Das Arbeitsinspektorat Leoben berief als mitbeteiligte Partei gegen diesen Einstellungsbescheid und wandte ein, der Beschuldigte habe keinen Nachweis dafür erbringen können, dass der verunglückte Arbeitnehmer Herr Z über eine entsprechende Praxiserfahrung hinsichtlich der Errichtung von Stiegen mit 1/4 gewendeltem Laufteil habe. Weiters sei Herrn Z kein geeigneter Bewehrungsplan zur Verfügung gestanden und sei die

maßgebliche Anzahl der Bewehrungsstäbe ebenso wie die Verlegeart derselben nicht bekannt gewesen. Es werde daher beantragt, den Einstellungsbescheid zu beheben und dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates Folge zu geben. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Am 8.11.2000 fand eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung statt, in welcher der Beschuldigte sowie die Zeugen L K, Ing. C G, K J, H H und H N einvernommen wurden. Weiters wurde der auch in dem zu GZ.: 1U23/99t beim Bezirksgericht B A gegen Herrn L K durchgeführten Gerichtsverfahren wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 80 StGB als Gutachter beigezogene Baumeister M S neuerlich zum Sachverständigen bestellt. Unter Zugrundelegung der Zeugen- und Beschuldigtenaussagen, der in der Verhandlung verlesenen Urkunden sowie insbesondere auch deren beiden Gutachten des Baumeisters M S wird nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Beschuldigte war zum Tatzeitpunkt Angestellter der Firma E GesmbH und wurde mit Bestellungsurkunde vom 14.3.1997 unter anderem für den sachlichen Bereich Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften und für den räumlichen Bereich Steiermark rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellt. Im Betrieb der Firma E gab es zum damaligen Zeitpunkt zwei Bauleiter mit jeweils ca. 20 unterstellten Arbeitnehmern, nämlich einerseits den Beschuldigten und andererseits Herrn K. Die verfahrensgegenständliche Baustelle war Herrn K unterstellt. Herr K wickelte das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben wie alle Projekte, welcher seiner Bauaufsicht unterlagen zu 90 % selbstständig ab. Rücksprache mit dem Beschuldigten wurde nur bei speziellen Problemen gehalten, der Beschuldigte war zumindest bei Baubeginn einmal vor Ort. Der Beschuldigte kontrollierte Herrn K nicht, da er der Auffassung war, dass dieser selbstständig für die ihm unterstellten Baustellen verantwortlich ist.

Allfällige Rücksprachen zwischen dem Beschuldigten und Herrn K betrafen lediglich den Baufortschritt sowie finanzielle Belange, nicht jedoch Fragen des Arbeitnehmerschutzes.

Bei der verfahrensgegenständlichen Baustelle am Standort A, handelt es sich um die Errichtung von drei Häusern mit jeweils einem Erdgeschoß und einem Dachgeschoß, in welchem

insgesamt sechs Eigentumswohnungen errichtet wurden. Die Stiegenhäuser in den Häusern waren unterschiedlich ausgeführt, zwei der Häuser hatten ein gemeinsames Stiegenhaus, im dritten Stiegenhaus befand sich jene gewendelte Stiege, welche am 19.11.1998 einstürzte. Mit den Bauarbeiten wurde ca. drei Monate vor dem Unfall begonnen.

Als Polier auf der Baustelle fungierte Herr Z, welcher kollektivvertraglich als Arbeiter eingestuft war. Herr Z war schon seit mehreren Jahren in der Firma E beschäftigt und hatte ca. ein Jahr vor dem Unfall begonnen, als Hilfspolier zu arbeiten, nachdem er zuvor vom 27.6.1994 bis 27.3.1997 beim Humboldinstitut Wien einen Fernlehrkurs als Polier mit der Gesamtleistung "Gut" absolviert hatte. Herr Z fungierte als Aufsichtsperson gemäß § 84 Abs 1 BauV und waren ihm drei bis vier Arbeiter (Maurer und Hilfsarbeiter) unterstellt. Bauleiter K besprach zumindest vor Beginn eines neuen Bauabschnittes die durchzuführenden Arbeiten im Groben mit dem Polier. Die Bautagesberichte wurden von Herrn Z selbst verfasst und Herrn K im Nachhinein in unregelmäßigen Abständen zugeleitet. Die im Gerichtsakt aufliegenden Bautagesberichte tragen nur einen Firmenstempel, da K und Z es mit der Abzeichnung durch den Polier nicht so genau nahmen, da die Bautagesberichte in erster Linie Abrechnungszwecken dienten.

Im Zeitraum 10. bis 19.11.1998 war Herr Z mit der Errichtung der verfahrensgegenständlichen Wendeltreppe im Erdgeschoß Wohnung 3 beschäftigt. Dabei halfen ihm beim Einschalen der Hilfsarbeiter H H, beim Betonieren der Maurer H N und beim Ausschalen am Unfallstag ebenfalls wieder H H sowie weiters der Maurer K J, wobei Herr Z selbst den Auftrag zum Ausschalen erteilte. Vor der Errichtung der Stiege wurde weder vom Beschuldigten, noch von Herrn K eine statische Berechnung für die gewendelte Stiege erstellt. Herrn Z standen bei der Errichtung der Stiege keine Bewehrungspläne für die konkrete Stiege zur Verfügung. Dem Polier wurden lediglich sogenannte Regeldetailpläne betreffend ein anderes Bauvorhaben (Siedlungsgenossenschaft Ennstal) zur Verfügung gestellt, welche sich auf gerade Stiegen bezogen und aus welchen die Auflagerbildung und die Bewehrung nicht hervorgeht. Am 19.11.1998 stürzte die Stiege beim Ausschalen ein und begrub Herrn Z unter sich, wobei der Genannte einige Zeit nach dem Unfall seinen schweren Verletzungen erlag.

Zu GZ.: 1U23/99t wurde beim Bezirksgericht B A ein Strafverfahren gegen Herrn L K wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 80 StGB durchgeführt, welches mit einem Freispruch für den Beschuldigten endete. In diesem Gerichtsverfahren wurde auch der nunmehr im Verwaltungsverfahren ebenfalls bestellte Baumeister M S zum Gutachter bestellt. In seinem im Gerichtsverfahren abgegebenen Gutachten führte der Sachverständige zusammenfassend aus, dass zum Einsturz der Stiege mehrere Ursachen gemeinschaftlich beigetragen haben, wobei Hauptursache des Einsturzes wohl die zu geringe Druckfestigkeit des Betons zu Folge zu kurzer Aushärtezeit war. Weitere Ursache war sowohl die falsche Verlegung der Bewehrung sowie die zu geringe Dimensionierung, wobei nicht mit eindeutiger Sicherheit geklärt werden konnte, ob das Fehlen nur einer dieser Voraussetzungen das Einstürzen der Stiege verhindert hätte. Das Gericht kam weiters zum Ergebnis, dass dem Beschuldigten Bauleiter K die fehlende Unterweisung des Poliers Z nicht vorzuwerfen sei, da dieser die nötigen Regeldetailpläne zur Verfügung hatte und überdies bereits mehrere gleichartige Stiegen hergestellt hat. Bezüglich der fehlenden Dimensionierung der Bewehrung in diesen Regeldetailplänen wurde vom Gericht ausgeführt, dass ein eindeutiger und ausschließlicher Kausalzusammenhang mit dem Erfolg nicht gegeben sei und daher kein etwaiger Verstoß gegen die Bauarbeiterschutzverordnung vorläge, weshalb Herr K freigesprochen wurde.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben des Beschuldigten und der einvernommenen Zeugen sowie der verlesenen Urkunden. Hiebei ist anzumerken, dass die entscheidungswesentlichen Feststellungen, dass nämlich der verunglückte Hilfspolier Z bei der Errichtung der verfahrensgegenständliche Stiege keine konkreten Bewehrungspläne zur Verfügung hatte und auch keinerlei statische Berechnungen durchgeführt wurden, aufgrund der Aussagen des Beschuldigten selbst sowie seines Bauleiters K getroffen wurden. Beide Personen haben schlussendlich zugegeben, dass Herrn Z bei der Errichtung der Stiege nur sogenannte Regeldetailpläne zur Verfügung standen, die sich auf anderes Bauvorhaben und überdies auf die Errichtung gerader Stiegen bezogen. Der Beschuldigte vermochte weiters keinen Nachweis für die von ihm aufgestellte Behauptung zu erbringen, dass der Hilfspolier Z über reichliche Erfahrung hinsichtlich der Errichtung von Stiegen insbesondere auch hinsichtlich solcher in gewendelter Ausführung verfügt hat. Entsprechende Nachweise über die Mitarbeit des Poliers Z bei der Errichtung solcher Stiegen bei anderen Bauvorhaben konnten trotz gegenteiliger Behauptungen nicht vorgelegt werden. Der Zeuge J, welcher schon seit 14 Jahren im Betrieb beschäftigt ist, hat vielmehr ausgesagt, dass er mit dem verunglückten Polier vor dem Unfall nur ganz wenige Stiegen gebaut habe, worunter keine solchen in gewendelter Ausführung gewesen seien. Überdies sei Herr Z nach seiner Einschätzung ein Streberer

jedoch über wenig Praxiserfahrung verfügte.

Rechtliche Beurteilung:

Zu dem unter GZ.: 1U23/99t durchgeführten Gerichtsverfahren gegen Herrn L K ist zunächst auszuführen, dass dieses Verfahren gegen eine andere Person geführt wurde, sodass schon allein mangels Personenidentität keine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde an den Freispruch im gerichtlichen Verfahren besteht. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist daher weder hinsichtlich des Spruches, noch hinsichtlich der Begründung an das vorliegende Gerichtsurteil gebunden.

Weder die Bauarbeiterschutzverordnung, noch das Arbeitnehmerschutzgesetz enthalten Detailbestimmungen dahingehend, ob und welche Pläne Arbeitnehmern bei der Durchführung diverser Bauvorhaben auf der Baustelle zur Verfügung zu stellen sind. Die von der mitbeteiligten Partei in Ermangelung einer einschlägigen Detailbestimmung angezogene Bestimmung des § 17 Abs 2 BauV enthält folgenden Wortlaut:

Die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren hat derart zu erfolgen, dass unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der technischen Möglichkeiten und der besonderen betrieblichen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen gegeben sind, durch die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. Dementsprechend sind die hiefür notwendigen und geeigneten Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen und Betriebsmittel mit den notwendigen Schutzvorrichtungen zur Verfügung zu stellen oder geeignete Schutzmaßnahmen anderer Art zu treffen."

Da die obzitierte Bestimmung sehr allgemein formuliert ist, war im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren unter Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich des Baugewerbes zu klären, ob der Beschuldigte den Polier Z mit allen für die Errichtung der Stiege erforderlichen Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln ausgestattet hat und sonst alle Vorkehrungen getroffen hat, um einen möglichst wirksamen Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. In seinem im Verwaltungsstrafverfahren erstellten Gutachten kam Baumeister S zum Schluss, dass es dem Stand der Technik entspricht, dass bei tragenden Bauteilen, insbesondere Stahlbetontragwerken, eine statische Berechnung und Bewehrungspläne erstellt werden. Es war dem verunglückten Polier Z trotz Absolvierung einer Fernausbildung beim Humboldinstitut in Wien zum Polier-Baustellenleiter nicht zuzumuten, dass er eine relativ komplizierte Armierung einer gewendelten Stiege von sich aus ordnungsgemäß durchführen konnte. Aus diesem Gutachten folgt demnach in rechtlicher Hinsicht, dass der Beschuldigte den Tatbestand des § 17 Abs 2 BASchV in objektiver Hinsicht jedenfalls verwirklicht hat, indem er für die gegenständliche Stiege weder eine statische Berechnung durchführte, noch Bewehrungspläne erstellte und den Polier lediglich mit sogenannten Regeldetailplänen betreffend die Errichtung von geraden Stiegen bei anderen Bauvorhaben ausstattete, aus welchen die Auflagerbildung und die Bewehrung nicht hervorgeht. Hinzu kommt, dass Herr Z auch wenig praktische Erfahrung mit der Errichtung solcher Stiegen hatte. Die Bestimmung des § 17 Abs 2 BASchV ist als sogenannter Auffangtatbestand zu verstehen, welcher dem Arbeitgeber für jene Arbeitsschritte auf einer Baustelle, für welche nach der Bauarbeiterschutzverordnung keine Spezialvorschriften bestehen (vgl. etwa § 84 leg. cit. betreffend das fachgerechte Ausschalen) eine allgemeine Verpflichtung zur Bereitstellung der erforderlichen und geeigneten Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen und Betriebsmitteln sowie der notwendigen Schutzvorrichtungen auferlegt. Hiebei ist im Anlassfall gegebenenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen zu klären, welche Vorkehrungen bezogen auf das konkrete Projekt, den Ausbildungsstand und die Praxiserfahrung der damit befassten Mitarbeiter, für eine dem Stand der Technik entsprechende und sichere Ausführung des jeweiligen Projektes getroffen werden müssen. Der Beschuldigte hat gegen den Schutzzweck dieser Bestimmung zumindest in der Schuldform der Fahrlässigkeit verstoßen, indem er dem Polier Z keine Bewehrungspläne für die konkrete Wendeltreppe zur Verfügung stellte, obwohl dies dem Stand der Technik entspricht. Das Verfahren hat weiters ergeben, dass der zuständige Bauleiter K den Polier Z auf der Baustelle weitgehend sich selbst überlies und die Führung der Bautagesberichte äußerst "salopp" gehandhabt wurde. Für diese Versäumnisse des Bauleiters K ist der Beschuldigte verantwortlich. Herr Ing. S hat nämlich nachweislich seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften betreffend sämtliche Bauvorhaben der Firma E GesmbH in der Steiermark zugestimmt und wäre bei dieser Sach- und Rechtslage verpflichtet gewesen, seinen Bauleiter K hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu kontrollieren. Hiebei hat der Beschuldigte selbst zugegeben, dass er jegliche Kontrollen des Bauleiters K unterlassen hat und eine Rücksprache zwischen den Bauleitern nur zu Fragen des Baufortschrittes, der Finanzierung etc. nicht jedoch hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften erfolgte.

Die im Anlassfall anzuwendende Strafnorm des § 130 Abs 5 Z 1 ASchG sieht für die gegenständliche Verwaltungsübertretung einen Strafrahmen von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- vor. Das Arbeitsinspektorat Leoben beantragte mit Strafantrag vom 30.11.1998 die Verhängung einer Geldstrafe von S 40.000,--, wobei ausdrücklich der tödliche Arbeitsunfall als Erschwerungsgrund angeführt wurde.

Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Beschuldigte weist mehrere Vorstrafen betreffend Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung auf, welche jedoch nicht unmittelbar einschlägig sind (§§ 35, 58 und 61 BauV). Es ist daher im vorliegenden Fall bei der Strafbemessung vom einfachen Strafsatz auszugehen, wobei jedoch die einschlägigen Vorstrafen als Erschwerungsgrund zu berücksichtigen sind. Als weiterer Erschwerungsgrund ist der Umstand zu werten, dass die unterlassene Zurverfügungstellung ausreichender Bewehrungspläne den Tod des Poliers Z zumindest mitverschuldet hat. Aus den dargestellten Gründen war daher dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates Leoben auch hinsichtlich der Höhe weitgehend stattzugeben. Zu Gunsten des Beschuldigten war bei der Strafbemessung lediglich zu berücksichtigen, dass sich aus dem im Gerichtsverfahren erstatteten Gutachten des Baumeisters S ergibt, dass Hauptursache für den verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfall das vorzeitige Ausschalen der Stiege war. Dabei konnte auch im durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren nicht erwiesen werden, dass der Beschuldigte selbst bzw. sein Bauleiter K dem Polier einen Auftrag zum vorzeitigen Ausschalen erteilt hat. Aus diesen Gründen konnte das beantragte Strafausmaß geringfügig unterschritten werden.

Bei der Strafbemessung wurden die vom Beschuldigten selbst bekannt gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (S 25.000,-- netto monatlich, Eigenheim im Hälfteeigentum mit der Gattin mit einem Verkehrswert von ca. 4 Millionen S, Sorgepflichten für ein Kind und Belastungen von S 800.000,--) berücksichtigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Auffangtatbestand Schutzvorrichtungen Sachverständigengutachten Konkretisierung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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