Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn H, vertreten durch Dr. A L, Dr. K R, Rechtsanwälte in G, K, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 12.07.2000, GZ.: III/S-3227/00, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 18.12.1999 um
16.50 Uhr in Graz, Kärntner Straße Nr. 287, Richtung Südwesten, mit dem KFZ
1.)
den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, und 2.)
den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht rechtzeitig angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen hätten können.
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§§ 1.) 11 Abs 1 StVO und 2.) 11 Abs 2 StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn zu den Punkten 1.) und 2.) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO jeweils Geldstrafen in der Höhe von S 700,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 24 Stunden, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und in dieser im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kärntner Straße im Tatortbereich keine zwei Fahrstreifen aufweise. Die Meldungsleger wären von der Autobahnabfahrt kommend, die vor der Einmündung in die Kärntner Straße auf Höhe Haus Nr. 287 mit einem negativen Vorrangzeichen versehen ist, in den genannten Straßenzug eingefahren, während der Berufungswerber auf der bevorrangten, einspurigen Kärntner Straße zur Tatzeit stadtauswärts unterwegs gewesen sei. Es sei daher zu keinem Fahrstreifenwechsel gekommen, weshalb auch kein Blinker gesetzt werden musste. Aus den dargestellten Überlegungen werde daher der Antrag gestellt, nach Durchführung eines Ortsaugenscheins unter Beiziehung eines KFZ-Sachverständigen den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung hatte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 Z 1 VStG zu entfallen. Unter Zugrundelegung des Verfahrensaktes der Strafbehörde erster Instanz in Verbindung mit dem Ergebnis des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Berufungswerber befuhr am 18.12.1999 gegen 16.50 Uhr mit dem Fahrzeug, behördliches Kennzeichen: die Kärntner Straße in Graz in Fahrtrichtung stadtauswärts. Er benützte auf Höhe Kärntner Straße Nr. 287 (Möbelhaus KIKA) den nicht gesondert markierten Fahrstreifen auf der bevorrangten Kärntner Straße, während vor der in diesem Bereich bestehenden Einbindung der Autobahnabfahrt (kommend vom sogenannten "Autobahnstumpf Webling") in die Kärntner Straße das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" gemäß § 52 Z 23 StVO aufgestellt ist. Die beiden Meldungsleger kamen hingegen von der erwähnten Abfahrt von der Autobahn, welche aufgrund der gegebenen örtlichen Verhältnisse trichterförmig in die Kärntner Straße einmündet. Wie auch vom zuständigen Bauamt der Stadt Graz bestätigt wurde, weist der Tatortbereich aus baulicher Sicht eine Überbreite auf, grundsätzlich ist nach der ohnedies entsprechend markierten Linksabbiegespur von der Kärntner Straße nach der Unterführung des sogenannten "Autobahnstumpfs" allerdings nur mehr ein Fahrstreifen in der Kärntner Straße in Fahrtrichtung stadtauswärts vorgesehen bzw. eingerichtet. In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:
Gemäß § 11 Abs 1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeugs die Fahrtrichtung nur ändern oder einen Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist. Gemäß § 11 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeugs die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, dass sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.
Im konkreten Fall ist als erwiesen anzunehmen, dass der Berufungswerber keinen Fahrstreifenwechsel im Sinne des Gesetzes durchgeführt hat, zumal die Kärntner Straße in dem von ihm benützten Teilabschnitt, wie zutreffend auch vom Straßenbauamt bestätigt wird, nur einen Fahrstreifen in Fahrtrichtung stadtauswärts aufweist.
Die Bestimmung des § 11 StVO regelt ausschließlich die Änderung der Fahrtrichtung und den Wechsel des Fahrstreifens, keinesfalls befasst sich aber diese Bestimmung mit den Bestimmungen, die den Vorrang der Fahrzeuge regeln (VwGH 15.11.1976, 1181/75). Ein Wechsel des Fahrstreifens ist - von seiner besonderen Kennzeichnung abgesehen, die im gegenständlichen Fall nicht vorliegt - nur dann anzunehmen, wenn aus der durch den natürlichen Fahrbahnverlauf bestimmten Lage des Fahrstreifens herausgefahren wird (OGH 16.12.1982, 8 Ob 262/62, ZVR 1983/175). Dass der Berufungswerber ein solches Fahrmanöver getätigt hat, wird aber nicht einmal in der diesem Verfahren zugrunde liegenden Anzeige behauptet, vielmehr wird lediglich darauf hingewiesen, dass der Berufungswerber vom nicht gekennzeichneten linken der beiden aufgrund der Fahrbahnbreite von mehr als 5 m vorhandenen Fahrstreifen der Kärntner Straße sein Fahrzeug auf den rechten, ebenfalls nicht gesondert gekennzeichneten Fahrstreifen gelenkt hätte, ohne hiebei die im § 11 Abs 1 und 2 StVO normierten Regeln zu beachten. Dazu ist festzustellen, dass zwar einerseits das Vorhandensein von Bodenmarkierungen für die Annahme des Vorliegens zweier Fahrstreifen nicht erforderlich ist (VwGH 22.10.1982, 81/02/0082 u.a.), andererseits jedoch eine Fahrbahnverbreiterung, und um eine solche handelt es sich ausschließlich gerade im Tatortbereich, die dem Zweck dient, in eine Abzweigung einfahrenden Fahrzeugen Gelegenheit zum Ablenken bzw. aus einer Abzweigung kommenden Fahrzeugen die Möglichkeit zur Beschleunigung zu geben, keinen Fahrstreifen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 5 StVO darstellt (vgl. OGH 05.05.1977, 2 Ob 78/77). Daraus folgt aus der Sicht der erkennenden Behörde, dass der Berufungswerber aufgrund der im Tatortbereich nur einspurig stadtauswärts führenden Kärntner Straße zufolge der getroffenen Feststellungen bzw. rechtlichen Würdigung keinen Fahrstreifenwechsel im technischen, aber auch nicht im rechtlichen Sinne durchgeführt hat, weshalb er die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen war.