Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Merl, Dr. Hütter und Dr. Ruiner über die Berufung der Frau C M, vertreten durch Dr. E M, Rechtsanwalt, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 02.11.2000, GZ.: 15.1 4155/2000, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG eingestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Judenburg warf der Berufungswerberin mit Straferkenntnis Folgendes vor:
Sie habe als Betreiberin des Bordells "C" in U-F, folgende sieben rumänische Staatsangehörige in folgenden Zeiträumen beschäftigt, ohne dass ihr für die Ausländerinnen Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden seien und ohne dass für diese Ausländerinnen eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden sei:
1.)
I F N, geb. am 10.07.1980, vom 13.03.2000 bis 05.05.2000
2.)
C S L, geb. am 20.03.1977, vom 24.03.2000 bis 05.05.2000
3.)
R E P, geb. am 30.05.1979, vom 24.03.2000 bis 05.05.2000
4.)
I C T, geb. am 06.09.1968, vom 06.03.2000 bis 05.05.2000
5.)
G B M, geb. am 27.03.1976, vom 07.10.1999 bis 05.05.2000
6.)
E H, geb. am 21.01.1971, vom 24.03.2000 bis 05.05.2000
7.)
M S, geb. am 04.06.1976, vom 03.03.2000 bis 05.05.2000 Dadurch sei jeweils § 3 Abs 1 i.V.m. § 28 Abs 1 Z 1 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG verletzt worden. Nach der zuletzt genannten Bestimmung wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Die erste Instanz begründete die Verurteilung damit, dass die Übertretungen durch die Anzeige des Arbeitsinspektorates Graz vom 10.07.2000 erwiesen seien. Diese Anzeige enthält auf zwei Seiten lediglich die Namen und Geburtsdaten der Ausländerinnen, die Beschäftigungszeiträume und einige Standardausführungen zu den betroffenen gesetzlichen Bestimmungen. Die Bezirkshauptmannschaft Judenburg führte weiters aus, sie folge in ihrer Beweiswürdigung den glaubwürdigen Angaben des Meldungslegers in dessen Anzeige vom 10.07.2000: Als Meldungsleger kann nach der Anzeige Mag. Ch S, Arbeitsinspektorat Graz, angesehen werden. Er hat allerdings an der Kontrolle am 05.05.2000 nicht teilgenommen. Weiters führte die Bezirkshauptmannschaft Judenburg aus, dass die Beschuldigte trotz Ladung keine Stellungnahme abgegeben habe "und somit der in der Anzeige angegebene Tatbestand als erwiesen angenommen werden muß". Die verhängte Strafe sei schuldangemessen und gerechtfertigt, als erschwerend sei nichts und als mildernd die bisherige Straflosigkeit gewertet worden. Abgesehen vom Einkommen und vom Vermögen, worüber die Beschuldigte keine Angaben gemacht habe, seien alle für die Strafbemessung maßgeblichen Umstände berücksichtigt worden - in welcher Weise, wurde nicht gesagt.
Die Beschuldigte berief:
Sie habe erstens die Übertretungen nicht begangen, zweitens sei das Straferkenntnis unüberprüfbar, da keine Sachverhaltsfeststellungen vorlägen und die Begründung des Straferkenntnisses nicht dem § 60 AVG entspreche. Drittens sei C M nie Betreiberin eines Bordells gewesen und habe keine Ausländerinnen im Haus U, beschäftigt. Es sei allerdings richtig, dass die sieben genannten Ausländerinnen im Haus U, jeweils ein Zimmer gemietet hätten, dies sei aber in keinem Zusammenhang mit der Beschuldigten gestanden. Dass die sieben Ausländerinnen hin und wieder der Prostitution nachgegangen seien, sei ohne Abhängigkeitsverhältnis zur Beschuldigten geschehen. Die sieben Ausländerinnen mögen unter der Adresse U, als Zeuginnen geladen werden. Viertens gebe es keine Beweisergebnisse für eine Beschäftigung der Ausländerinnen, am 05.05.2000 habe im Haus U, wohl eine Überprüfung durch die Kriminalpolizei stattgefunden, aber nicht einmal dabei seien alle sieben Ausländerinnen bei einer Beschäftigung durch die Beschuldigte angetroffen worden. Es werde beantragt, die Meldungsleger zeugenschaftlich zu vernehmen sowie das Verfahren einzustellen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 08.02.2001 in Gegenwart der Berufungswerberin und ihres Vertreters sowie eines Vertreters des Arbeitsinspektorates Graz als mitbeteiligter Partei. Es wurden die Berufungswerberin als Partei sowie folgende Personen als Zeugen vernommen: Die Kriminalbeamten des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark AI H S, AI W V und GI J S; weiters N S und W E. Die sieben Ausländerinnen konnten nicht geladen werden - die Ladungen wurden an die Adresse St. G, geschickt, kamen aber mit dem Vermerk
Verzogen
Kontrolle von Beamten des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vernommen, die Niederschriften über die Vernehmungen wurden verlesen. Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:
N S, geb. am 22.08.1959, besitzt in St. G, den bordellähnlichen Betrieb "C H" und in U, den bordellähnlichen Betrieb "C C". N S war Eigentümer und Betreiber dieser zwei Lokale, für den "C C" gab es bis 15.09.2000 keine Gewerbeberechtigung. Die Berufungswerberin suchte am 27.08.1999 bei der Marktgemeinde U-F um Bordellbewilligung für den "C C" an, mit Bescheid vom 08.05.2000, zugestellt am 18.05.2000, wurde diese Bewilligung erteilt.
Die Berufungswerberin ist Lebensgefährtin von N S, sie hatte im Haus U, eine Wohnung gemietet, für die sie monatlich S 6.000,-- Miete bezahlte.
Für die rumänischen Staatsangehörigen I F N, C S L, R E P, I C
T und G B M beschaffte N S Visa, streckte die Kosten hiefür vor, finanzierte auch vorschussweise deren Krankenversicherungsbeiträge und brachte sie zum "C H" oder zum "C C", wo sie zu den im Straferkenntnis genannten Zeitpunkten als Prostituierte, Animierdamen und Tänzerinnen zu arbeiten begannen. Die rumänischen Staatsangehörigen E H und
M S kamen von sich aus zu den im Straferkenntnis genannten Zeitpunkten zu einem der beiden Clubs und begannen dort auf gleiche Weise zu arbeiten. Alle sieben Rumäninnen wohnten in einem Zimmer des jeweiligen Clubs, in dem sie gerade arbeiteten. I F N, E H und M S arbeiteten und wohnten ausschließlich im "C C", C S L, R E P und I C T ausschließlich im
C H
C H
Visa und Krankenversicherung noch weitere Aufwendungen vorschussweise getragen, die Beträge von S 120.000,--, S 163.000,--, S 135.000,--, S 125.000,-- und S 80.000,-- wurden von S auf einem Kontoblatt vermerkt und von den Ausländerinnen mit Unterschrift bestätigt. Die Prostituierten hatten für die Benützung des Zimmers zu Wohnzwecken täglich S 200,-- zu bezahlen. Dieses Geld wurde täglich, wöchentlich oder wann immer sie Geld hatten im Auftrag von S an die Berufungswerberin bezahlt. Im Erdgeschoss gegenüber der Bar im "C C" liegt ein Separee mit Whirlpool. Dieses Separee benützten die Prostituierten zur Ausübung der Prostitution und verlangten von den Kunden folgende Beträge:
Für 20 Minuten S 1.500,--, für 30 Minuten S 2.500,-- und für 60 Minuten S 5.000,--. Hievon waren die Beträge von S 200,--, S 500,-- und S 1.000,-- als Separeebenützungsgebühr an S via der Berufungswerberin abzuliefern. Außerdem wurden die aus der Prostitution vereinnahmten Beträge für N, L, P, T und M an N S abgeführt und von der Schuldenliste abgebucht. Bei Bedarf bekamen N, L, P, T und M Geldbeträge von S für den Lebensunterhalt, S kaufte aber auch für diese genannten Personen Kleidung und Toilettenartikel und verbuchte die hiefür aufgewendeten Beträge auf den jeweiligen Kontoblättern. S schickte oder brachte die sieben Ausländerinnen auch zum stellvertretenden Amtsarzt Dr. R nach S zur wöchentlichen Untersuchung nach dem Geschlechtskrankheitengesetz. Unabhängig davon, ob sie im "C H" wohnten oder nicht, meldete S alle sieben Rumäninnen polizeilich bei der Gemeinde St. G an, weil es bei der Bezirkshauptmannschaft Judenburg, in deren Sprengel U liegt, keinen Amtsarzt für diese Untersuchungen gab. Daneben arbeiteten die sieben Rumäninnen als Animierdamen und wurden mit einem prozentuellen Anteil am Getränkekonsum entlohnt. N kaufte die Präservative selbst in einem Geschäft, L verwendete die im Club vorhandenen Präservative, T, M und S mussten sie selbst bezahlen. In Abwesenheit von S hatte die Berufungswerberin das Geld von den Prostituierten zu kassieren, sie hatte aber auch den Auftrag, dem Stromableser die Tür aufzusperren und dem Versicherungsbeamten zu sagen, wo er S erreichen kann. Sie war im "C C" als Barfrau bzw. Kellnerin tätig, im "C H" hatte sie keine solchen Aufgaben zu erfüllen. Für keine der sieben Rumäninnen lag eine Bewilligung nach dem AuslBG vor.
Beweiswürdigung:
Das Landesgendarmeriekommando für Steiermark, Kriminalabteilung, kontrollierte am 05.05.2000 im Auftrag des LG Leoben den "C C" und den "C H", dabei wurden im "C C" E H, I F N und M S angetroffen und im "C H" C S L, R E P, I C T und G B M. Die sieben Ausländerinnen wurden dann auf dem GP M vernommen, die vernehmenden Beamten S, V und S sagten vor der Berufungsbehörde als Zeugen aus, dass diese Vernehmungen in unauffälliger Atmosphäre und ohne besondere Vorkommnisse durchgeführt worden seien. Aus diesen Protokollen über die Vernehmung der sieben Ausländerinnen durch das Landesgendarmeriekommando für Steiermark ergeben sich im Wesentlichen übereinstimmend die Umstände, unter welchen die sieben Rumäninnen in den zwei Clubs untergebracht waren und dort ihrer Tätigkeit nachgingen.
Die Berufungswerberin leistete zur Sachverhaltsaufklärung keinen wesentlichen Beitrag. Auffallend war bei ihrer Aussage und bei der Aussage der Zeugin E, dass diese beiden Personen sich oftmals in Satzfragmenten ausdrückten und Antworten gaben, die mit der Frage nicht zusammenhingen. S fiel durch sein aggressives Gebaren auf und musste ermahnt werden. Aus seiner Aussage ergibt sich immerhin die Bestätigung dafür, dass die Prostituierten für ihr Zimmer jeweils S 200,-- bezahlen mussten, von ihm polizeilich in St. G gemeldet wurden, zur amtsärztlichen Untersuchung nach S geschickt wurden, öfters die Wohnung gewechselt haben und dass die Schuldenstände auf den Kontoblättern vermerkt wurden.
Aus dem gesamten Akt ergibt sich, dass keine Bewilligungen
nach dem AuslBG vorlagen.
Rechtliche Beurteilung:
Nach § 3 Abs 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.
Nach § 2 Abs 2 AuslBG gilt als Beschäftigung u. a. die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis, b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird.
Für die Anwendbarkeit des AuslBG reicht der Nachweis, dass es sich beim beschäftigten Ausländer um eine arbeitnehmerähnliche Person handelt. Zur Charakterisierung arbeitnehmerähnlicher Personen kommt es auf die "wirtschaftliche Unselbständigkeit" oder "Fremdbestimmtheit" an. Zu prüfen ist dabei, ob das konkrete und genau erhobene Gesamtbild der Tätigkeit, die eine Person im Auftrag und für Rechnung eines anderen leistet, so beschaffen ist, dass sich die betreffende Person im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber wirtschaftlich in einer ähnlichen Situation befindet, wie dies beim persönlich abhängigen Arbeitnehmer typischerweise der Fall ist oder darüber hinausgehend eine persönliche Abhängigkeit vorliegt. Die Kriterien, die möglicherweise zur Bestimmung der wirtschaftlichen Unselbständigkeit relevant sein können, müssen nicht lückenlos verwirklicht sein, sondern die Gewichtung der vorhandenen Merkmale in einem Gesamtbild entscheidet darüber, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann [Bachler - Ausländerbeschäftigung (1995), 9ff]. E H bezeichnete bei ihrer Vernehmung die Berufungswerberin als Chefin
den "Fixpreis" für die Prostitution bestimmt. Auch M S sprach von den "Chefleuten", nämlich von der Berufungswerberin und N S. Sie und H gaben an, den Separeekostenanteil von S 200,--, S 500,-- oder S 1.000,-- an die Berufungswerberin abgeliefert zu haben. Die Berufungswerberin hatte im "C C" die Stellung einer Barfrau bzw. Kellnerin inne und hatte von S den Auftrag, Mietzahlungen, aber auch das Prostitutionsgeld zu vereinnahmen und beispielsweise auch dem Stromableser die Tür aufzusperren. Nach der Aussage des Zeugen AI S war ihm die Berufungswerberin von einer Vorbesprechung her als Betreiberin des "C C" bekannt. Demgegenüber war der Zeugin GI S von einer Vorbesprechung her bekannt, dass S Betreiber und die Berufungswerberin Kellnerin oder Barfrau des "C C" waren. Beide Lokale standen im Eigentum von S, die Berufungswerberin hatte im "C C" nur eine Wohnung gemietet, für die sie Miete bezahlte. Sie hatte zu den Tatzeiten noch nicht jene Bordellbewilligung, die ihr dann ab 18.05.2000 erteilt wurde. Für das Lokal bestand zu den Tatzeiten aber auch noch keine Gewerbeberechtigung. Wenn die Berufungswerberin den "C C" in Abwesenheit von S stellvertretend geleitet haben sollte, machte sie das im Auftrag von S. Sie kassierte insbesondere die verschiedenen Geldbeträge von den Prostituierten auch nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, denn die Einnahmen wurden ja auf jenen Kontoblättern abgebucht, die den Schuldenstand enthielten, der sich aus den Vorschüssen ergab, die S für diverse Anschaffungen und Kosten für die Prostituierten ausgelegt hatte. Die Berufungswerberin kann daher nicht als Betreiberin des "C C" angesehen werden, sie kann aber auch nicht als Beschäftigerin und Arbeitgeberin der Ausländerinnen betrachtet werden:
Sie erteilte ihre Weisungen ganz offensichtlich im Auftrag des N S, der auch selbst den jeweiligen Einsatzort der Prostituierten festlegte und die Untersuchung nach dem Geschlechtskrankheitengesetz veranlasste. Dass mehrere Ausländerinnen die Berufungswerberin als Chefin bezeichneten und sie offensichtlich für die Chefin hielten, reicht aber nicht aus für die Zuordnung einer Arbeitgeberfunktion. Die übrigen Beweisergebnisse reichen ebenfalls für eine solche Annahme nicht aus, weshalb der Berufung im Zweifel Folge zu geben ist, was zur Aufhebung des Strafbescheides und zur Einstellung des Verfahrens führt.