TE UVS Wien 2001/02/12 03/P/42/143/2001

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Veröffentlicht am 12.02.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Mag Dr Tessar über die Berufung des Herrn Christian B gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 13.11.2000, Zl S 9050-P/00/Ha, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

"Sie haben am 11.1.2000 um 15.37 Uhr in Wien, Z-gasse vor ONr 28 Richtung F-gasse mit dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen WU-20 überholt, obwohl nicht einwandfrei zu erkennen war, dass das Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer in den Verkehr eingeordnet werden kann.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 16/1c STVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Geldstrafe von S 1.200,--, Betrag in Euro 87,21, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden gemäß § 99/3a STVO"

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber im wesentlichen vorbringt, keine strafbare Handlung begangen zu haben. Erläuternd führte er aus, dass die Z-gasse eine schnurgerade, steil ansteigende Straße sei und er daher in diese Straße einsehen konnte.

Er habe daher den Überholvorgang ohne irgendwelche

Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers durchführen

können.

Am 14.1.2000 erfolgte durch die erstinstanzliche Behörde eine Anzeige, in welcher dem Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen WU-20 zur Last gelegt wurde, er habe am 11.1.2000 um 15.37 Uhr in Wien, Z-gasse vor ONr 28 Richtung F-gasse ein anderes Kraftfahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei zu erkennen war, dass das von ihm gelenkte Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer in den Verkehr eingeordnet werden kann. Mit Strafverfügung vom 1.2.2000 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, § 99 Abs 3 lit a in Verbindung mit § 16 Abs 1 lit c Straßenverkehrsordnung 1960 verletzt zu haben.

Mit Schriftsatz vom 8.2.2000 erhob der Berufungswerber fristgerecht Einspruch.

Am 12.2.2001 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Zu dieser erschienen der Berufungswerber sowie der Meldungsleger.

Die entscheidungsrelevanten Abschnitte des bezughabenden Verhandlungsprotokolls lauten wie folgt:

?Ich kann mich an den gegenständlichen Überholvorgang noch sehr genau erinnern.

Ich fuhr damals mit meinem Fahrzeug hinter einem sehr langsam fahrenden Mercedes. Nachdem ich den Gegenverkehr abgewartet hatte, habe ich diesen vorschriftsgemäß überholt. Ich bin weder zu schnell gefahren, noch habe ich ein anderes Fahrzeug behindert. Ich war mit einem Renault Espace unterwegs und konnte aufgrund der erhöhten Sitzposition den Bereich vor dem überholten Fahrzeug einsehen. (...)

Ich kann nicht mehr angeben, wo ich diesen Mercedes überholt hatte. Ich nehme aber an, dass dies nach der F-gasse war. (...)

Auf Vorhalt, dass der gegenständliche Überholvorgang deutlich vor der F-gasse gewesen war, teilt der Berufungswerber mit:

Ich kann mich an den gegenständlichen Überholvorgang noch erinnern. Als ich die L-straße querte, befand sich gleich neben der L-straße in meiner Fahrtrichtung ein Linienbus in der Station. Darum konnte ich noch nicht unmittelbar nach der L-straße dieses Fahrzeug überholen. Ich überholte erst dann, als der Gegenverkehr nachließ und ich diesen Autobus passiert hatte.

Auf Vorhalt der Planskizze des Meldungslegers bringt der Berufungswerber vor, dass sich im Bereich der ONr 28 Richtung Norden zwei Fahrspuren befinden, und er darum in diesem Bereich jedenfalls überholen hätte dürfen. Dass die gegenständliche Richtungsfahrbahn zweispurig war, erschließe er, weil laut Planskizze auf dieser zwei Fahrzeuge nebeneinander fahren können. Er könne aber nicht angeben, ob auch durch Bodenmarkierungen zwei Fahrspuren nach Norden markiert sind. Aus der gegenständlichen Skizze sei jedenfalls kein vorschriftswidriger Überholvorgang abzuleiten. Er betont nochmals, dass er nur ein einziges Fahrzeug überholt hatte. Seiner Erinnerung nach wird die gegenständliche Richtungsfahrbahn etwa 200 bis 300 Meter nach der L-straße so eng, dass nicht mehr zwei Fahrzeuge nebeneinander in der selben Richtung fahren können. Herr RvI Rainer F gibt zeugenschaftlich einvernommen folgendes an:

Fremd

Aufgrund des Umstandes, dass ich zur gegenständlichen Anzeige bereits einen Bericht verfasst und zudem eine Skizze angefertigt habe, kann ich mich an den gegenständlichen Vorfall noch etwas erinnern.

Ich kenne die gegenständliche Örtlichkeit sehr gut. Die Z-gasse ist von der C-straße bis zur L-straße eine Einbahn. Ab der L-straße ist sie eine Straße mit Gegenverkehr. Etwa 60 bis 70 Meter vor der Kreuzung mit der L-straße ist die Z-gasse in Fahrtrichtung Norden etwas verbreitert, sodass zwei Fahrzeuge vor der Kreuzung nebeneinander stehen können. Nach der L-straße ist die Z-gasse noch etwa 75 Meter Richtung Norden ebenfalls so breit, dass zwei Fahrzeuge nebeneinander fahren können.

Meiner Erinnerung nach war das Fahrzeug des Berufungswerbers an der Kreuzung vor der L-straße in zweiter Spur eingereiht, und fuhr geradeaus weiter, wobei es dabei eine Fahrzeugkolonne, die neben diesem Fahrzeug fuhr, überholte.

Ich bin mir sicher, dass das Fahrzeug des Berufungswerbers das einzige Fahrzeug war, das nach der L-straße in zweiter Spur fuhr. Ich kann mich auch erinnern, dass das angezeigte Fahrzeug eine Fahrzeugkolonne überholte. Während dieses Überholvorganges überragte das angezeigte Fahrzeug nicht die Sperrlinie. Da aber die Z-gasse sich nach etwa 75 Meter verengt, war das angezeigte Fahrzeug danach gezwungen, sich auf den rechten Fahrstreifen einzuordnen. Dabei wurden die überholten Fahrzeuge behindert. Ich kann nicht angeben, ob das angezeigte Fahrzeug zum Zeitpunkt des Grünwerdens der Verkehrslichtsignalanlage vor der L-straße als erstes Fahrzeug vor der Kreuzung gestanden war. Aufgrund des Umstandes, dass dieses meines Wissens eine Fahrzeugkolonne überholt hatte, gehe ich aber davon aus, dass es nicht als erstes Fahrzeug vor der Kreuzung gestanden war. Zur Tatortkonkretisierung ?vor ONr 28? meinte ich, dass ua im Bereich der ONr 28 der Überholvorgang stattgefunden hatte. Damit wurde aber nicht zum Ausdruck gebracht, wo dieser begonnen wurde bzw wo dieser geendet hat.

Auf Vorhalt der Angabe des Berufungswerbers:

Ich bin mir sicher, dass nicht nur ein einziges Fahrzeug überholt

worden ist.?

DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT HAT ERWOGEN:

Gemäß § 16 Abs 1 lit c StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges ein anders Fahrzeug nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Nach § 2 Abs 1 Z 29 StVO 1960 gilt ua das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung, nicht als Überholen. Durch diese Bestimmung sollte dem Erfordernis erhöhter Verkehrsdichte Rechnung getragen werden und insbesondere klargestellt werden, dass kein Überholen vorliegt, wenn Fahrzeugreihen mit unterschiedlicher Fahrgeschwindigkeit fahren (vgl 495 Blg Nr 10. GP, 1). Das Nebeneinanderfahren regelt § 7 Abs 3 StVO, der den Grundsatz des Rechtsfahrgebotes auflockert. Auf Straßen mit wenigstens zwei Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung darf, wenn es die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, der Lenker eines Kraftfahrzeuges neben einem anderen Fahrzeug fahren. Nach den Gesetzesmaterialien soll durch diese Regelung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich ein Nebeneinanderfahren im dichten Verkehr nicht vermeiden lässt (vgl 240 Blg Nr 9. GP, 4).

Daraus wird seitens des Verwaltungsgerichtshofs (vgl VwGH 11.12.1996, 96/03/0165) abgeleitet, dass der Gesetzgeber es hingenommen hat, dass sich Fahrzeugreihen auch auf dem zweiten (oder dritten etc) Fahrstreifen (bei mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung) bilden.

Weiters führt der Verwaltungsgerichtshof im obangeführten Erkenntnis vom 11.12.1996, Zl 96/03/0165, aus wie folgt:

?Die Bildung solcher Fahrzeugreihen setzt aber notwendigerweise (begonnene) Überholvorgänge voraus, die nicht in einem jeweiligen Wiedereinordnen der betreffenden Kraftfahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen enden, sondern eben in der Bildung einer Fahrzeugreihe münden. Mit anderen Worten: Bei Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung kann zulässigerweise ein Überholvorgang auch in ein nicht mehr als Überholen zu qualifizierendes Nebeneinanderfahren nach § 7 Abs 3 StVO 1960 übergehen (vgl auch OGH vom 2. September 1982, 8 Ob 173/82, wonach das Rechtsfahrgebot grundsätzlich auch auf Autobahnen gilt und zur Folge hat, dass der linke oder mittlere Fahrstreifen einer Autobahn, außer beim Überholen ODER im Falle eines nach § 7 Abs 3 StVO 1960 zulässigen Nebeneinanderfahrens, ohne Notwendigkeit nicht befahren werden darf). Das bedeutet aber auch, dass auf Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung nicht ausnahmslos ein Wiedereinordnen (nach dem Überholvorgang) auf den rechten Fahrstreifen gefordert ist, sondern ein Einordnen "nach dem Überholvorgang in den Verkehr" im Sinne des § 16 Abs 1 lit c StVO 1960 auch darin bestehen kann, dass der Überholvorgang in ein Nebeneinanderfahren im Grunde des § 7 Abs 3 iVm § 2 Abs 1 Z 29 StVO 1960 mündet. In diesem Sinne ist es daher zu verstehen, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Februar 1986, Zl 85/18/0075, unter Hinweis auf Vorjudikatur ausgesprochen hat, lägen in einer Fahrtrichtung drei Fahrstreifen vor (und habe der dritte Fahrstreifen erlaubterweise benützt werden dürfen), so dürfe man, weil ein Einordnen nach dem Überholvorgang in den zweiten oder ersten Fahrstreifen grundsätzlich nicht geboten gewesen sei, auch dicht aufgeschlossene Fahrzeugkolonnen (auf dem zweiten und ersten Fahrstreifen) überholen. Da somit bei einer Fahrbahn mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung ein Fahrzeuglenker damit rechnen kann, dass er sein Fahrzeug in einer der beiden oben dargestellten Formen "nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern" (§ 16 Abs 1 lit c StVO 1960), darf auf solchen Fahrbahnen grundsätzlich auch eine dicht aufgeschlossene Fahrzeugkolonne überholt werden.?

Der gegenständlichen Überholvorgang erfolgte in einem Bereich der Z-gasse, welcher in der vom Berufungswerber gewählten Fahrtrichtung zwei Fahrstreifen aufwies.

Für den Fall, wenn auf Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich ist oder ein Fahrstreifen endet, sieht § 11 Abs 5 StVO das Reißverschlusssystem vor. Demnach ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Wechsel auf den zunächst gelegen verbleibenden Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nachfolgen können.

Gemäß § 3 Abs 1 StVO darf jeder Straßenbenützer außer in dem Fall, dass er annehmen muss, dass es sich um Kinder, Seh- oder Hörbehinderte mit weißem Stock oder gelber Armbinde, offensichtlich Körperbehinderte, Gebrechliche, oder um Personen handelt, aus deren augenfälligem Gehaben geschlossen werden muss, dass sie unfähig sind, die Gefahren des Straßenverkehrs einzusehen oder sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, darauf vertrauen, dass andere Personen die für die Straßenbenützung maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen.

Gemäß § 11 Abs 5 iVm 3 Abs 1 StVO durfte der Berufungswerber sohin zu Beginn seines Überholmanövers darauf vertrauen, dass ihm das Einordnen auf den rechten Fahrstreifen im Bereich des Endes des von ihm befahrenen Fahrstreifens ohne Behinderung eines am rechten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeuglenkers möglich sein wird. Sohin ist davon auszugehen, dass das dem Berufungswerber angelastete Tatbild von ihm nicht verwirklicht worden ist.

Es war sohin das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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