Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung der Frau B M, vertreten durch Herrn L H, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 20.12.2000, GZ.: 15.1 2465/2000, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung gegen Punkt 1.) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG eingestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Weiz als erste Instanz warf der nunmehrigen Berufungswerberin mit Straferkenntnis Folgendes vor:
Tatzeit: 26.05.2000
Tatort: G, H K Gasse
Ihre Funktion:
Handelsrechtliche(r) Geschäftsführer(in) und daher als gem. § 9
Abs. 1 VStG Verantwortlicher
1. Übertretung
Sie haben es als
handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtliche Verantwortliche der S-R G- u. G-GmbH, mit Sitz in
G, unterlassen, der Steiermärkischen
Gebietskrankenkasse im Zuge der gem. § 42
ASVG durchzuführenden
Beitragsprüfung die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen
vom
Zeitraum Mai 1995 bis Dezember 1999 zur Einsichtnahme vorzulegen. Dadurch sei § 42 Abs 1 ASVG verletzt worden. Nach § 111 ASVG wurde eine Geldstrafe verhängt. Unter "2. Übertretung" forderte die Bezirkshauptmannschaft Weiz die Beschuldigte auf, "die fehlenden Buchhaltungsunterlagen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse unverzüglich vorzulegen", und vermerkte als Rechtsvorschrift § 42 Abs 2 ASVG. Die Beschuldigte berief durch ihren Vertreter: Herr K von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse habe mitgeteilt, dass das ganze Strafverfahren ein Irrtum sei, da die Gebietskrankenkasse immer bei einem falschen Steuerberater angefragt habe, nie aber beim richtigen. Die Berufungswerberin treffe daher keine Schuld, das Straferkenntnis sei aufzuheben. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgender Beurteilung: Nach § 42 Abs 1 ASVG sind Dienstgeber und bestimmte andere Personen verpflichtet, längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen. Weiters haben sie den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind. Aus der Anzeige der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 26.05.2000 ergibt sich, dass das Prüforgan der Gebietskrankenkasse beim Steuerberater vorgesprochen hat und insgesamt sechs Telefonate mit dem Gesellschafter L H führte und dass danach Lohnzettel übermittelt wurden. Die zur vollständigen Abklärung erforderlichen Buchhaltungsunterlagen sind weiterhin nicht vorgelegt worden. Als Begründung hiefür hat die Berufungswerberin bei einem Telefonat erklärt, der ehemalige Steuerberater würde die gegenständlichen Belege nicht freigeben. Auf eine telefonische Anfrage der Kasse bei diesem Steuerberater hat eine Sachbearbeiterin mitgeteilt, es befänden sich keinerlei Belege in ihrem Büro. Soweit für den Berufungsfall relevant, bestehen nach § 42 Abs 1 ASVG nur zwei Verpflichtungen: Binnen 14 Tagen Auskunft über näher bezeichnete maßgebende Umstände zu erteilen und während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren. Da ausdrücklich auf die Betriebszeit hingewiesen wird, kann Einsicht nur im Betrieb des Dienstgebers genommen werden. Eine Pflicht zur Übermittlung von Unterlagen durch den Dienstgeber an die Gebietskrankenkasse lässt sich aus dieser Bestimmung nicht ableiten. Aus der Anzeige geht ja hervor, dass nachträglich Lohnzettel übermittelt, die Buchhaltungsunterlagen jedoch nicht vorgelegt wurden. Dies zeigt, dass die Gebietskrankenkasse offensichtlich der Meinung ist, es bestehe eine gesetzliche Verpflichtung zur Übermittlung von Buchhaltungsunterlagen. Die telefonische Rückfrage des Prüforgans in der Steuerberatungskanzlei und die Auskunft der Kanzlei, es befänden sich keine Belege im Büro, konnten die Verpflichtung des Dienstgebers, Einsicht zu gewähren, nicht verletzen, da eine telefonische Einsichtnahme nicht möglich ist. Von einer Vorsprache des Prüforgans der Kasse in den Betriebsräumlichkeiten der Dienstgeberin ist aber in der Anzeige keine Rede, daher kann auch
die Sachverhaltsumschreibung im Straferkenntnis: "... unterlassen,
... die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen ... zur Einsichtnahme vorzulegen." nicht den Tatvorwurf ersetzen, die Berufungswerberin habe nicht die erforderliche Einsicht in Unterlagen gewährt. Die Strafanzeige enthält im Übrigen keinen zeitlichen Bezug zum referierten Geschehen; die erste Instanz trug als Tatzeit das Datum der Strafanzeige ein, ohne dass erkennbar wäre, in welchem Zusammenhang dieses Datum mit dem Tatgeschehen stehen könnte. Die Berufungswerberin hat daher weder die Verpflichtung verletzt, Buchhaltungsunterlagen vorzulegen (im Sinne von "Übermitteln"), da eine solche Verpflichtung nicht besteht, noch hat sie die Verpflichtung, Einsicht in Unterlagen zu gewähren, verletzt, da nach dem Inhalt der Anzeige das Kassenprüforgan "während der Betriebszeit" eine solche Einsicht nicht verlangt hat. Der Berufung ist im Punkt 1.) Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Ob mit der Berufung auch Punkt 2.) des Straferkenntnisses angefochten wurde, ist nicht klar erkennbar. Dabei handelt es sich um eine Verfahrensanordnung im Sinne des § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz - VVG, ohne dass allerdings eine Zwangsstrafe angedroht und eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Verpflichtung festgesetzt worden wäre. Gemäß § 63 Abs 2 AVG ist gegen Verfahrensanordnungen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Die Berufung gegen eine nach dem VVG erlassene Vollstreckungsverfügung geht an den Landeshauptmann (§ 10 Abs 3 VVG).