TE UVS Steiermark 2001/02/26 30.16-83/2000

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Veröffentlicht am 26.02.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn J T, R a. d. R. Nr., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 28.03.2000, GZ.: 15.1- 1999/5874, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei gemäß § 9 VStG Verantwortlicher der Firma T J GmbH mit dem Sitz in F, R Nr., und daher für die Einhaltung der LMKV verantwortlich. Anlässlich einer am 02.08.1999 um 10.10 Uhr in der Firma J A F AG, W, durchgeführten lebensmittelpolizeilichen Revision sei festgestellt worden, dass die von ihm gelieferte und zum Verkauf feilgehaltene Ware "Hühnerleber" nicht den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprochen habe. Gemäß Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26.06.1999 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch gelte frisches Geflügelfleisch als ein in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliches Lebensmittel. Gemäß § 5 LMKV 1993 sei daher das Verbrauchsdatum mit den Worten "Verbrauchen bis .."

anzugeben.

Anstelle des Mindesthaltbarkeitsdatums sei somit das Verbrauchsdatum zu deklarieren.

Der Berufungswerber habe daher eine Verwaltungsübertretung nach § 5 LMKV 1993, BGBl. Nr. 72/1993, i.d.g.F. begangen und wurde über ihn hiefür gemäß § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975, BGBl. Nr. 86/1975, i.d.g.F. eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 Tagen, verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in der in verfahrensrelevanter Hinsicht auf ein Gutachten der B G vom 05.05.1999 hingewiesen wurde, in dem bestätigt worden sei, dass frisches Geflügelfleisch in Schutzgas verpackt mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum gekennzeichnet werden könnte. Es sei ihm, da er auf dieses Gutachten vertraut hätte, kein schuldhaftes Handeln vorzuwerfen, weshalb beantragt werde, das Verfahren einzustellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung hatte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 Z 1 VStG zu entfallen.

Aufgrund des vorliegenden Verfahrensaktes der Behörde erster Instanz in Verbindung mit den ergänzend durchgeführten Ermittlungen, wobei insbesonders auf die Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark zu GZ.: 30.16- 92 und 93/2000 besonders hinzuweisen ist, werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Firma J T Gesellschaft m.b.H. - der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer - lieferte am 02.08.1999 an die Firma J A F AG in W, das seitens der B W beanstandete verpackte, dort an diesem Tag zum Verkauf feilgehaltene Lebensmittel "Hühnerleber", welches u.a. mit dem Hinweis Mindestens haltbar bis ...

Dieses Faktum wurde vom nunmehrigen Berufungswerber niemals bestritten, die solcherart erfolgte Etikettierung jedoch mit dem Hinweis auf ein Gutachten der B G vom 05.05.1999 gerechtfertigt, welches er - wobei auf die bereits zitierten Parallelverfahren ausdrücklich Bezug genommen wird - von Herrn M R zur Kenntnis gebracht erhielt, der als ein geflügelverarbeitender Betrieb, wie es auch jener des Berufungswerbers ist, um eine entsprechende Klarstellung hinsichtlich der Etikettierung dieser Produkte ersucht hatte.

In dem zitierten Gutachten heißt es unter anderem:

Die Kennzeichnungsetikette ist für frisches Geflügelfleisch bestimmt. Gemäß § 5 der LMKV, BGBl. 72/1993 idgF, ist für ein derartiges Produkt das Verbrauchsdatum anzugeben. Der Wortlaut "mindestens haltbar bis ..." ist daher durch "verbrauchen bis ..." zu ersetzen.

Wäre das Produkt in Schutzgas verpackt, so wäre das Mindesthaltbarkeitsdatum unter Verwendung des Wortlautes mindestens haltbar bis ...

Die Verwendung von Schutzgas wäre gemäß den Bestimmungen der LMKV, BGBl. 72/1993 idgF, in der Form "unter Schutzatmosphäre verpackt" zu deklarieren."

In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:

Gemäß § 5 LMKV 1993 i.d.g.F. ist bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblicher Ware, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnte, das Verbrauchsdatum mit den Worten:

Verbrauchen bis ...

Stelle, an der es in der Etikettierung angegeben ist, einzusetzen. Während die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung von einer Aufstellung von Produkten, bei denen das Verbrauchsdatum anzugeben ist, Abstand genommen hat - auch die EG-Etikettierungsrichtlinie kennt keinen solchen Katalog -, schreibt

Artikel 5 Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1906/90 des Rates vom 26.06.1990 über Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch vor, dass bei frischem Geflügelfleisch das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum mit der Angabe "Verbrauchen bis ..."

ersetzt werden muss. Es ist daher anstatt des Mindesthaltbarkeitsdatums das Verbrauchsdatum zu deklarieren. Diese Verordnung hat jedenfalls ab 01.01.1995 (EG-Beitritt) auch in Österreich unmittelbare Geltung.

Gemäß § 74 Abs 5 Z 2 LMG begeht - soferne hier nicht relevante Umstände vorliegen - eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-

- zu bestrafen, wer den Bestimmungen einer aufgrund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber verpackte Hühnerleber am 02.08.1999 durch Lieferung an die Filiale der J A F AG in W, entgegen der zitierten LMKV bzw. der EG-Verordnung in Verkehr gebracht hat, zumal auf der Etikette dieses Produkts anstelle der Angabe "Verbrauchen bis ..." nur das Mindesthaltbarkeitsdatum angebracht war.

In objektiver Hinsicht wurde daher die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung von diesem begangen. Hinsichtlich des Verschuldens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass unter Umständen die Strafbarkeit aufgehoben oder ausgeschlossen wird und zutreffendenfalls im Sinne des § 45 Abs 1 Z 1 VStG eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durchzuführen ist, wenn eine unverschuldete Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift vorliegt.

§ 5 Abs 2 VStG bestimmt, dass die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Die Unkenntnis einer Vorschrift kann aber nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (z.B.: VwSlg. 7528 A/1969, VwSlg. 2435/1976) und selbst guter Glaube den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht herstellt, wenn der Partei fahrlässiges Handeln im Nichterkennen der Verwaltungsvorschrift vorzuhalten ist.

Bei einem Rechtsirrtum (Verbotsirrtum) irrt der Täter über eine Verbotsnorm (bzw. über einen Erlaubnissatz): Der Täter erkennt zwar den Sachverhalt, irrt aber über die rechtliche Seite der Tat und erkennt deshalb nicht das Unrecht seines Verhaltens (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Linde-Verlag, Anmerkung 8 zu § 5 VStG, S 759 und die dort zitierten Literaturhinweise). Ist die Auslegung von Normen für einen juristischen Laien mit Schwierigkeiten verbunden, so ist es seine Sache, sich bei der zuständigen Behörde oder bei der gesetzlichen Vertretung über den Inhalt dieser Normen zu informieren (vgl. zum Futtermittelgesetz und Futtermittelverordnung, VwGH 16.11.1993, 93/07/0022; 16.11.1993, 93/07/0023).

Seitens des Berufungswerbers wurde in diesem Zusammenhang glaubhaft gemacht, dass er durch Kontakte mit dem, dieselben Produkte vertreibenden Betrieb der Firma Geflügelhof R GesmbH davon in Kenntnis gesetzt war, dass zufolge des angeführten Gutachtens der B G jene Etikettierung bzw. Deklaration der verfahrensrelevanten Produkte offensichtlich doch erlaubt ist, wie sie schließlich seitens seines Unternehmens, aber auch der Firma R in gutem Glauben, damit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen, vorgenommen wurde.

Gerade bei der B G als für den Unternehmenssitz zuständige Stelle war wohl davon auszugehen, dass es sich bei dieser um eine in jeder Hinsicht auch fachlich kompetente Stelle zur rechtlichen Klärung der bestehenden Probleme bezüglich der richtigen Deklaration von frischem Geflügelfleisch handelte. Mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 05.05.1999 hat die B G der Firma Geflügelhof R GesmbH mitgeteilt, dass die Kennzeichnungsetikette entgegen § 5 LMKV auch die Wortfolge Mindestens haltbar bis ...

Schutzgas verpackt und dieser Umstand gemäß den Bestimmungen der LMKV 1993 entsprechend deklariert werde. Unbestritten enthielt die beanstandete Warenprobe, wie den Beilagen des Gutachtens der B W vom 23.11.1999 zu entnehmen ist, der Empfehlung der B G folgend, die entsprechenden Hinweise die Verwendung von Schutzgas betreffend sowie die Deklaration "Mindestens haltbar bis ...".

Die B Graz (DI Dr. B) teilte der erkennenden Behörde über telefonische Anfrage mit, dass es zum Zeitpunkt der Anfrage eines Branchenkollegen des Berufungswerbers aus der Sicht des Verbraucherschutzes bei Beurteilung des Verhaltens eines lauteren Kaufmanns durchaus begrüßenswert war, dass sich dieser an seine Anstalt gewendet hat, um offenkundig bestehende Zweifel hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Etikettierung auszuräumen. Die entsprechenden Zweifel dürften ihren Grund vor allem auch darin zu finden haben, dass gerade im Jahre 1995, wie auch dem Anfragenden durchaus bekannt gewesen sein musste, die zuvor zitierte EG-Verordnung auch für Österreich Rechtswirksamkeit erlangte.

Wie seitens der B G weiters ausgeführt wurde, vertrat diese zum Zeitpunkt der der Firma Geflügelhof R GesmbH übermittelten Empfehlung die Auffassung, dass gerade durch Verwendung von Schutzgas die mikrobiologische Stabilität des Produktes erhöht wird, wodurch vor allem das Wachstum von nachteiligen Organismen (Salmonellen) verhindert bzw. nachhaltig reduziert werden soll.

Ungeachtet des Umstands, dass in den bereits erwähnten Parallelverfahren vom dortigen Berufungswerber ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass man sich in der Branche zwischenzeitig insofern ohnedies bereits wieder umgestellt hat, als bei frischem Hühnerfleisch, welches verpackt in Verkehr gebracht wird, die Etikettierung entsprechend der Ansicht der B W vom 28.04.2000 vorgenommen und das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum ersetzt wird (siehe dazu auch die Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 04.10.1995, GZ.: 32.014/10- III/B/12/95), ist im konkreten Fall aus der Sicht der erkennenden Behörde davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung aller den Berufungswerber entlastenden Umstände (vgl. § 25 Abs 2 VStG) dieser sich in einer zumindest einem entschuldbaren Rechtsirrtum gleichkommenden Situation befunden hat, als er durch seinen, eine diesbezügliche Anfrage an die B G stellenden Kollegen M R hievon in Kenntnis gesetzt wurde, dass die B G von der Zulässigkeit jener Etikettierung durchaus ausging, die letztendlich aber seitens der B W als unzulässig beanstandet worden war. Für den Berufungswerber existierten, bezogen auf den verfahrensrelevanten Zeitpunkt bzw. den davor liegenden Zeitraum, keine sonstigen gegenteiligen Meinungen auf gleicher fachlicher Ebene, weshalb aus der Sicht der Berufungsbehörde zumindest im Zweifel von einem entschuldbaren Rechtsirrtum auszugehen und daher spruchgemäß zu entscheiden war. Der Ordnung halber ist schließlich noch auszuführen, dass es im gegebenen Zusammenhang wohl eine Überspannung der Verpflichtung des Berufungswerbers zur Vorsorge, nicht rechtswidrig zu handeln, bedeutet hätte, würde man von ihm verlangen können, weitere Schritte zu unternehmen, um sich über seine rechtliche Situation und seine Befugnisse ergänzend zu vergewissern (vgl. VwGH 29.09.1999, 99/11/0190).

Schlagworte
Rechtsirrtum Auskunft Gutachten Mindesthaltbarkeitsdatum Verbrauchsdatum
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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