Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn F N, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft W & K, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 08.01.2001, GZ.: A 4 - St 564/1999/302, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt Graz aufgehoben.
Der Bürgermeister der Stadt Graz als erste Instanz warf dem nunmehrigen Berufungswerber mit Straferkenntnis vor, als Vorstand der G L AG mit Sitz in W N dafür verantwortlich zu sein, dass näher bezeichnete Handelswaagen am 24.06.1999 in der G L AG, Filiale, G, in ungeeichtem Zustand zum Verkauf von Obst und Gemüse verwendet worden seien, obwohl Messgeräte im amtlichen und rechtsgeschäftlichen Verkehr zur Bestimmung der Masse, einschließlich der Gewichtsstücke und Zählwaagen, der Eichpflicht unterlägen.
Dadurch sei jeweils § 8 Abs 1 i.V.m. § 63 Abs 1 Maß- und Eichgesetz - MEG verletzt worden.
Es wurden vier Geldstrafen verhängt.
Der Beschuldigte berief und machte geltend, aufgrund der Anzahl und Dislozierung der Filialen könne er nicht in allen Filialen gleichzeitig die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten. Er habe daher einen verantwortlichen Beauftragten bestellt: Für den damaligen Zeitpunkt sei dies P gewesen, der für alle neu geführten G- Filialen verantwortlich zeichne. P C habe seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch Unterfertigung einer entsprechenden Urkunde am 01.03.1999 nachweislich zugestimmt. Nach dem Inhalt der Urkunde sei er unter anderem für die Einhaltung des Maß- und Eichgesetzes verantwortlich. Beweis: Bestellungsurkunde vom 01.03.1999 in Kopie. Daher könne ihm ein subjektives Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden. Er stelle den Antrag, der Berufung stattzugeben und das Verfahren einzustellen. Das Eichamt Graz nahm mit Schreiben vom 06.03.2001 wie folgt zur Berufung Stellung:
Zunächst wird auf die Kontrolle vom 24.06.1999 hingewiesen, dann wird der Beginn der Anzeige vom 28.06.1999 wörtlich zitiert. Dann kommt das Eichamt auf die Verträge
zu sprechen (gemeint: Urkunde über die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vom 01.03.1999) und meint, es sei ein Rayonsleiter für die im Vertrag genau aufgezählten Punkte 1.) bis 4.) verantwortlich. Das Eichamt kommt zu dem Ergebnis, es habe keinen Einfluss auf den Inhalt des Strafbescheides und es ersuche (gemeint: die Berufungsbehörde), "die Gründe für die Ermittlung der beiden Herrn W und N als Verantwortliche beim Magistrat Graz zu erfragen". Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt zu folgender Beurteilung:
Der nunmehrige Berufungswerber ist Vorstand der G L Aktiengesellschaft mit Sitz in W N.
In der Urkunde mit dem Titel "Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gem. § 9 VSTG" betreffend Peter C heißt es unter anderem: Wir bestellen Sie gem. § 9 VSTG. zum verantwortlichen Beauftragten für folgende
Bereiche:
1.) Sie sind für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften im Sinne der folgenden Bestimmungen verantwortlich.
2.) Ihre Verantwortung umfaßt
räumlich die von Ihnen geleiteten Filialen lt.
Rayonsleitung.
Der Verantwortungsbereich umfasst unter anderem das Maß- und Eichgesetz. Die Urkunde ist von P C und (unter anderem) offenbar von Dir. F N unterschrieben. Dies ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug FN 176789 i und der zitierten Bestellungsurkunde. Nach § 27 Abs 1 VStG ist (für die Untersuchung und Bestrafung aller Übertretungen) die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Im Bereich des VStG kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird, also auch nicht auf den Ort des Filialbetriebes. Wird dem Beschuldigten die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet, so ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Beschuldigte hätte tätig werden sollen. Das ist jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (siehe die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), unter E 14, E 16 und E 28 zu § 27 VStG zitierte Judikatur des VwGH). Auch beim Verstoß gegen § 7 Abs 2 i.V.m. § 8 Abs 1 MEG handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt: Der Verantwortliche hat dafür zu sorgen, dass die verwendeten oder bereitgehaltenen Messgeräte geeicht sind. Es kommt daher für den Tatort nicht auf den Ort an, an dem die Messgeräte verwendet wurden (hier: die Filiale in G), sondern auf den Sitz der Unternehmensleitung in W N. Der Berufungswerber wendete aber ein, P C sei zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden: Wenn für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 Abs 2 zweiter Satz VStG bestellt ist, dann liegt der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der Unternehmensleitung. In der Rechtsprechung des VwGH wurde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebracht, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Dies ist bei einem verantwortlich beauftragten Filialleiter der Standort der Filiale. Hingegen kommt als Tatort der Sitz des Unternehmens in Betracht, wenn der Beschuldigte in seiner Eigenschaft als Filialinspektor, somit mit einem Verantwortungsbereich nicht nur für eine Filiale, zum verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), E 33 und 34 zu § 27 VStG). Die Urkunde vom 01.03.1999 enthält einen sachlich klar abgegrenzten Bereich (insbesondere "Maß- und Eichgesetz"), sie lässt aber offen, für welchen räumlichen Bereich die Bestellung gelten soll: ... die von Ihnen geleiteten Filialen lt. Rayonsleitung lassen die Filialen nicht erkennen, auf die sich die Bestellung bezieht. So hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsstrafbehörden nicht in die Lage versetzt werden sollen, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung und ihren Nachweis einer Interpretation zu unterziehen, die nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglich ist, um zu klären, welcher Inhalt einer Erklärung beizumessen ist, die diesbezüglich nicht eindeutig ist (Zl. 93/02/0267 vom 25.03.1994). Welche Filialen von P C am 24.06.1999 geleitet wurden, geht aus der Bestellungsurkunde nicht hervor; auch die Behauptung in der Berufung, P C habe "für den damaligen Zeitpunkt ... für alle neu geführten G-Filialen verantwortlich (ge)zeichnet", ergibt keine Klärung in dem von der Judikatur geforderten Sinn. Daher ändert sich auch an dem Tatort unter dem zuletzt genannten Aspekt nichts. Die Unzuständigkeit ist von der Berufungsbehörde von Amts wegen wahrzunehmen, daher war es nicht erforderlich, sie in der Berufung geltend zu machen. Der Berufung ist somit insofern Folge zu geben, als das Straferkenntnis zu beheben ist. Der Bürgermeister der Stadt Graz wird das Verfahren an die zuständige Behörde weiterzuleiten haben. Diese Entscheidung kann ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, da sich die Aufhebung des Strafbescheides bereits nach der Aktenlage ergibt (§ 51 e Abs 2 Z 1 VStG).