TE UVS Steiermark 2001/04/20 30.12-115/2000

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2001
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn T B, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft W & K, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 16.11.2000, GZ.: 15.1 2369/1999, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG eingestellt.

Text

Nach dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur hat der Berufungswerber am 11.03.1999 als verantwortlicher Beauftragter der Firma A F AG mit Standort in K, nicht dafür gesorgt, dass "das Abladen von Frischfleisch bzw. der Transport desselben durch Lagerräume in hygienisch zulässiger Weise erfolgt. U.a. wurde festgestellt, dass der Asphaltboden stark verdreckt war, im unmittelbaren Abladebereich sich eine Müllsammelstelle sowie mehrere Bierkistenstapel befanden, im Bereich des Transportweges einige Container mit Abfall standen, unzählige Putzgeräte am Boden umherlagen, etc. Ebenfalls war der gesamte Lagerraumboden total verdreckt."

Dadurch wurde nach dem Straferkenntnis § 4 Abs 1 Lebensmittelhygieneverordnung i.V.m. § 74 Abs 4 Z 1 Lebensmittelgesetz 1975 - LMG verletzt. Nach § 74 Abs 4 Z 1 LMG wurde eine Geldstrafe von ATS 5.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der Beschuldigte berief, focht das Straferkenntnis dem gesamten Umfang nach an, beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Stattgebung der Berufung, Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe auf ein tat- und schuldangemessenes Ausmaß. Nach dem Berufungsvorbringen stellt sich die Sache wie folgt dar: Die verfahrensgegenständliche Filiale wurde erst drei Tage vor der Revision übernommen, der Berufungswerber selbst hat in dieser kurzen Zeit keine wesentlichen Veranlassungen im Bereich der Anlieferung vornehmen können, dessen ungeachtet verweist er darauf, dass "die Ware selbst erst von mir bzw. der J A F AG nach der Abwaage und Kontrolle übernommen wird", davor erfolgt der Transport bis dorthin im Verantwortungsbereich des Lieferanten. Die Filiale wurde nach der Revision gesperrt und im März 2000 wieder eröffnet. Während dieser Zeit wurde ein Komplettumbau durchgeführt. Nunmehr erfolgt die Anlieferung über ein Andocksystem, wobei ein relativ kurzer Weg von der Laderampe bis in den Kühlraum gegeben ist. Der Betrieb entspricht derzeit allen geltenden Hygienebestimmungen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 04.04.2001 in Gegenwart des Berufungswerbers und seiner Vertreterin. Nach Vernehmung des Berufungswerbers als Partei und des H-P B (Fachabteilung für das Gesundheitswesen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung) als Zeugen gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen: T B war am 11.03.1999 verantwortlicher Beauftragter der Filiale K der J A F AG und St. Außer dem Berufungswerber waren noch ein weiterer Fleischhauer und eine Dame zur Regalbetreuung beschäftigt. Vor dem 08.03.1999 gehörte diese Filiale zum M-K, damals wurde das Fleisch fertig verpackt geliefert, sodass z.B. nur mehr Schnitzel geschnitten werden mussten. Bei der J A F AG änderte sich das:

Hier wurden Tierkörperhälften geliefert, die zu zerlegen waren. Es fehlte bei Übernahme durch die J A F AG eine Andockschneise, deshalb musste das Fleisch im Freien abgeladen und durch das Lager des M-M ca. 40 m weit transportiert werden. Die Einrichtungen für das Zerlegen des Fleisches waren von Anfang an vorhanden. Die Übernahme des Fleisches ging folgendermaßen vor sich: Der Chauffeur des Wagens des Lieferanten hängte die Fleischhälften aus dem Haken und der Berufungswerber und sein Kollege nahmen diese gemeinsam vom LKW herunter und hängten sie auf den Fleischwagen, der etwa 2 m hoch und mit Haken versehen war. Dieser Fleischwagen wurde durch das Lager zum Zerlegeraum geschoben, in dem die Waage stand, und von dort zum Kühlraum. Seitens der Firmenleitung hatte der Berufungswerber keine Anweisungen erhalten, dass das Fleisch beim Transport durch den Lagerraum umhüllt sein müsse. Am 11.03.1999 wurden auf diese Weise erstmals Schweinehälften geliefert und auf die beschriebene Weise durch das Lager transportiert. Das Fleisch war beim Abladen und Transport durch den Lagerraum teilweise verhüllt worden: Der Berufungswerber und sein Kollege schnitten einen großen Plastiksack auf und stülpten ihn von oben über die Schweinehälften. Dabei blieb der untere Teil (Kopf und Schultern) offen, da der Sack nicht ganz bis zum Boden reichte. Im Lagerraum des M-M standen ein Hubstapler, einige Container mit Abfall, Putzgeräte, Putzfetzen, Kartonagen, ein Fahrrad, Holzpaletten, eine Putzmaschine, Schachteln und diverse betriebsfremde Gegenstände. Der Lagerraumboden war verschmutzt. Dieser Sachverhalt ergibt sich übereinstimmend aus den Aussagen des Berufungswerbers, des Zeugen B, der Beilage ./A (einer Notiz des Kontrollors H-P B über die Kontrolle), der Anzeige vom 19.03.1999 und aus den Fotos 1 bis 14 im Akt der ersten Instanz.

Rechtliche Beurteilung: Die Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II Nr. 31/1998, wurde unter anderem aufgrund des § 21 Lebensmittelgesetz 1975 erlassen. Sie enthält im Anhang Abschnitt IV unter dem Titel "Beförderung" Bestimmungen über Transportmittel, Transportgefäße und Behälter zur Beförderung von Lebensmitteln. § 1 Abs 3 der Verordnung lautet:

Diese Verordnung ist in jenen Teilbereichen nicht anzuwenden, in denen

einschlägige Hygienevorschriften spezielle Regelungen vorsehen. Hier geht es um einen Transportvorgang durch einen Lagerraum des M-M einschließlich des Abladens vom LKW im Freien. Von den Abschnitten I bis IX des Anhangs ist im Berufungsfall allenfalls Abschnitt IV über die Beförderung anzuwenden. Andererseits enthält auch die Frischfleisch-Hygieneverordnung, BGBl. Nr. 396/1994 in der Fassung BGBl. Nr. 519/1996, im 9. Hauptstück unter dem Titel Fleischbearbeitungsräume von Kleinverkaufstellen Hygienevorschriften. Diese Verordnung wurde aufgrund des Fleischuntersuchungsgesetzes erlassen und gilt nach ihrem § 1 Abs 1 Z 2 für Frischfleisch-Bearbeitungsbetriebe, insbesondere Zerlegungsbetriebe. Um einen solchen handelte es sich bei der Filiale der J A F AG. § 17 Abs 3 Frischfleisch-Hygieneverordnung lautet:

Die Anlieferung zum Betrieb, in den Arbeitsraum und in den Verkaufsraum hat so

zu erfolgen, dass das Fleisch beim Transport

im Freien und durch Räumlichkeiten,

die nicht den Bestimmungen

nach Abs 1 entsprechen, durch geeignete Maßnahmen

geschützt ist

und die vorgeschriebenen Temperaturen nicht überschritten werden. Vergleicht man Abschnitt IV des Anhangs zur Lebensmittelhygieneverordnung mit § 17 Abs 3 Frischfleisch-Hygieneverordnung, zeigt sich, dass die Regelungen des Abschnittes IV hier nicht zum Tragen kommen, weil es nicht um Transportmittel, Transportgefäße und Behälter zur Beförderung von Lebensmitteln geht, sondern darum, dass Frischfleisch bei der Anlieferung in den Arbeitsraum durch geeignete Maßnahmen geschützt ist. Daher ist § 17 Abs 3 Frischfleisch-Hygieneverordnung eine spezielle Regelung im Vergleich zum Abschnitt IV der Lebensmittelhygieneverordnung. Die Notwendigkeit solcher geeigneter Maßnahmen ergibt sich aufgrund des § 17 Abs 1 Frischfleisch-Hygieneverordnung, weil Zerlegungsbetriebe hinsichtlich der baulichen Erfordernisse unter anderem dem § 16 Abs 1 Z 1 dieser Verordnung entsprechen müssen, der unter anderem wasserundurchlässige Fußböden, glatte, feste, undurchlässige Wände und Türen aus leicht zu reinigendem, nicht verrottbarem und geruchlosem Material verlangt. Diese Voraussetzungen erfüllte der Lagerraum des M-M nicht, daher hätten die Schweinehälften entsprechend geschützt werden müssen, als sie mit dem Fleischwagen durch den Lagerraum transportiert wurden. Der Schutz ist denkbar durch Einwickeln in eine Folie, ein Netz oder sonstige Verpackung. Nach § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, wobei der Sachverhalt, der den Deliktstatbestand bildet, mit allen rechtserheblichen Merkmalen umschrieben und besonders nach Ort und Zeit konkretisiert werden muss. Das Straferkenntnis führt in seiner Kernaussage aus, dass der Berufungswerber nicht dafür gesorgt habe, dass "das Abladen von Frischfleisch bzw. der Transport desselben durch Lagerräume in hygienisch zulässiger Weise erfolgt". Es ist richtig, dass sich aus der Aufzählung der hygienischen Mängel in diesem Lagerraum ergibt, dass er nicht dem § 16 Abs 1 Frischfleisch-Hygieneverordnung entsprach, weshalb das Frischfleisch hätte "durch geeignete Maßnahmen geschützt (werden müssen)". Das Straferkenntnis sagt aber nichts darüber aus, dass das Frischfleisch nicht durch geeignete Maßnahmen geschützt gewesen wäre, sondern es beschränkt sich darauf, der Berufungswerber habe nicht dafür gesorgt, dass der Transport des Frischfleisches in hygienisch zulässiger Weise erfolgt. Die Begriffe "Transport auf unzulässige Weise" und "fehlender Schutz durch geeignete Maßnahmen" dürfen nicht gleichgesetzt werden, da der erste Begriff nur einen ganz weit gefassten Rahmen bildet, der zweite aber einen Schutz durch geeignete Maßnahmen konkret verlangt. Insbesondere enthält das Straferkenntnis keine Aussage darüber, dass das Frischfleisch nicht umhüllt oder sonst ungeschützt gewesen wäre. Innerhalb der 6- monatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG, die auch bei Übertretungen von Verordnungen gilt, die aufgrund des Fleischuntersuchungsgesetzes erlassen wurden, setzte die erste Instanz auch keine Verfolgungshandlung mit den notwendigen Angaben. Die Berufungsbehörde ist nicht berechtigt, den Sachverhalt nachträglich so zu ergänzen, dass er dem Tatbild des § 17 Abs 3 Frischfleisch-Hygieneverordnung entspricht, weil damit die Grenzen des § 66 Abs 4 AVG überschritten würden, wonach die Berufungsbehörde in der Sache zu entscheiden hat. Daher ist der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG einzustellen.

Schlagworte
Fleisch Transport Lagerräume Hygiene Schutzmaßnahme Umhüllung Hülle Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten