TE UVS Niederösterreich 2001/05/10 Senat-WB-00-427

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Veröffentlicht am 10.05.2001
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Spruch

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1991 keine Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, dass die Tatbeschreibung abgeändert nunmehr zu lauten hat wie folgt:

"Bei dieser Fahrt nicht dafür gesorgt, dass die Kennzeichen des gelenkten KFZs nicht durch Verschmutzung der Kennzeichentafel unlesbar sind (infolge starker Verschmutzung der hinteren Kennzeichentafel ist das KFZ-Kennzeichen selbst aus nächster Nähe nicht ablesbar und nicht einmal mehr ersichtlich gewesen, ob auf der Kennzeichentafel überhaupt ein Kennzeichen eingeprägt ist).?

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß § 64 Abs 1 und Abs 2 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 1991 einen Betrag von S 100,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens der Behörde erster Instanz zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG).

Text

Mit Straferkenntnis vom 02.03.2000, Zl. 3-****-99, erkannte die Bezirkshauptmannschaft X den nunmehrigen Berufungswerber der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs 2 KFG schuldig, weil er am 14.01.1999, 15,30 Uhr, in G*********, auf der B **, auf Höhe des Hauses V********** **, Richtung P******, als Lenker des Fahrzeuges **-**** (Opel F*******), bei dieser Fahrt nicht dafür gesorgt hatte, dass das hintere Kennzeichen des Fahrzeuges vollständig sichtbar war (unlesbar durch Verschmutzung), und verhängte hiefür gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) unter gleichzeitiger Vorschreibung eines Kostenbeitrages gemäß § 64 Abs 2 VStG von S 50,--.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht am 15.03.2000 im wesentlichen mit der Begründung Berufung, die Kennzeichen vor Antritt der gegenständlichen Fahrt in Klagenfurt gereinigt und die Fahrt bis und in G********* nicht unterbrochen zu haben.

 

Mit Schreiben vom 20.03.2000 legte die Bezirkshauptmannschaft X den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vor.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

1 Schuldberufung:

 

Einbekanntermaßen (siehe fristgerecht gegen die erstbehördliche Strafverfügung vom 03.02.1999, Zl. 3-***-99, erhobenen Einspruch vom 05.02.1999, niederschriftliche Beschuldigteneinvernahmen vom 10.03. und 27.04.1999, Berufungsschrift) hat der Beschuldigte das Tatfahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt.

 

Unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren, schlüssigen, überzeugenden, auch unter Wahrheitspflicht stehend getätigten, vom Rechtsmittelwerber in concreto unbestritten gebliebenen, Angaben des Meldungslegers Bez Insp I*** H*************** (siehe schriftliche Anzeige des Gendarmeriepostens P******  vom 14.01.1999, GZ P-**/99, zeugenschaftliche Einvernahme vom 17.02.1999) und des Zeugen Abt Insp H**** G******* (siehe zeugenschaftliche Einvernahme vom 14.04.1999) steht fest, dass das Kennzeichen des Tatfahrzeuges infolge starker Verschmutzung der hinteren Kennzeichentafel selbst aus nächster Nähe nicht mehr ablesbar und nicht einmal mehr ersichtlich gewesen ist, ob auf der Kennzeichentafel überhaupt ein Kennzeichen eingeprägt ist.

Bei dieser Verschmutzung hat es sich um einen einheitlichen, dicken,

grauen,

angetrockneten, Schmutzbelag gehandelt.

Im tatörtlichen Bereich ist es sonnig, klar und leicht windig

gewesen, die Fahrbahn ist trocken gewesen.

Nachdem der Beschuldigte von den beiden genannten Straßenaufsichtsorganen angehalten und ihm die Kennzeichenverunreinigung vorgehalten worden war, hat auch der Rechtsmittelwerber diese Verschmutzung wahrgenommen, die Reinigung der Kennzeichentafel durchgeführt und die Verschmutzung der Kennzeichentafel damit erklärt, dass sich der Schmutz während der Fahrt gebildet habe. Er habe vor Fahrtantritt die Kennzeichentafel kontrolliert. Er könne nicht während der Fahrt aussteigen und ununterbrochen die Kennzeichentafeln kontrollieren. Der Beschuldigte hat die Bezahlung einer Organstrafverfügung abgelehnt.

 

Die Berufungsbehörde erachtet die Angaben der beiden Zeugen als glaubwürdig, weil ein Grund, aus welchem die Gendarmeriebeamten den ihnen - unbestritten - unbekannten Beschuldigten tatsachen- und wahrheitswidrig belasten und sich dadurch der strafgerichtlichen und disziplinarrechtlichen Verfolgung aussetzen sollten, weder vom Beschuldigten behauptet worden noch sonst verfahrensevident geworden ist.

 

Dazu kommt noch, dass Straßenaufsichtsorganen aufgrund ihrer besonderen Schulung die fehlerfreie Wahrnehmung und richtige Wiedergabe von Vorgängen des Verkehrsgeschehens, insbesondere auch das Feststellen der Unlesbarkeit eines Kennzeichens sowie der Art und des Grades einer Kennzeichentafelverschmutzung, zuzubilligen ist, zumal die beiden Zeugen amtsbekanntermaßen über eine langjährige Praxis und Erfahrung im Straßenüberwachungsdienst verfügen.

 

Der Beschuldigtenverantwortung zufolge sei der Rechtsmittelwerber am Tattag mit dem Tatfahrzeug von K********* nach G********* ohne Fahrtunterbrechung gefahren.

Bei der, von ihm vor Antritt dieser Fahrt vorgenommenen, Nachschau sei die hintere Kennzeichentafel vollkommen leserlich gewesen. Die Verschmutzung sei während der genannten Fahrt aufgrund der auf dieser Strecke durchgeführten ?enormen Salzstreuung? und der gegebenen ?extremen Witterungsverhältnisse? entstanden. Es habe im M***** geschneit bzw geregnet, die Straße sei sehr verschmutzt gewesen.

Dem Beschuldigten sei nicht bekannt, dass er verpflichtet wäre, während der Fahrt auszusteigen, um die Kennzeichentafeln zu säubern und zu kontrollieren.

 

Wie diversen Straßenkarten entnehmbar und auch amtsbekannt, liegt zwischen K********* und G******** eine Strecke von rund 280 km.

 

Gemäß § 102 Abs 2, 2 Satz, 3 Fall, 1 Unterfall, KFG hat der Lenker dafür zu sorgen, dass die Kennzeichen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges nicht durch Verschmutzung der Kennzeichentafel unlesbar sind.

Diese Verpflichtung trifft den Fahrzeuglenker sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck dieser Norm auch noch nach Antritt der Fahrt und besteht daher, entsprechend den Witterungsverhältnissen und den Straßenverhältnissen, im Rahmen der Zumutbarkeit auch im Zuge der Fahrt (VwGH 14.05.1997, 97/03/0021, 24.02.2000, 98/02/0062).

 

Angesichts der festgestellten Kennzeichentafelverschmutzung ergibt sich, dass der Beschuldigte dieser Verpflichtung, selbst für den Fall, dass er ? wie von ihm behauptet ? vor Fahrtantritt die Leserlichkeit der Kennzeichentafel festgestellt hätte, nicht entsprochen hat, weil er sich ? einbekanntermaßen ? nach Fahrtantritt nicht mehr von der Lesbarkeit des Kennzeichens überzeugt hat, obwohl ? seiner Version nach ? Umstände (enorme Salzstreuung, extreme Witterungsverhältnisse, Schneien, Regnen, starke Verschmutzung der Straße) vorgelegen haben, eine zur Unlesbarkeit der Kennzeichentafel führende Verschmutzung begründet annehmen zu müssen, und die letztmalige Überprüfung der Lesbarkeit der Kennzeichen rund 280 km vom Zielort der Fahrt entfernt erfolgt ist.

Liegt zwischen dem Ausgangspunkt der Fahrt und dem beabsichtigten Fahrtziel eine Distanz von rund 280 km, ist eine Kontrolle der Lesbarkeit der Kennzeichen aufgrund der deponierten Witterungs- und Straßenverhältnisse auch im Zuge der Fahrt unbedingt erforderlich und zumutbar, zumal der, sich aus einer zu diesem Zweck vorgenommenen Fahrtunterbrechung ergebende, Zeitaufwand äußerst gering ist und (fallbezogen) auf der genannten Fahrtstrecke (amtsbekanntermaßen) eine Unzahl von gesetzlich zulässigen Anhalteorten (zB Raststättenparkplätze, sonstige Parkplätze etc) zur Verfügung stehen.

Die Unmöglichkeit der in Rede stehenden Überprüfung im Zuge der Fahrt ist vom Rechtsmittelwerber nicht einmal behauptet worden.

 

In Anbetracht dieser Sach- und Rechtslage kann (mangels Entscheidungsrelevanz) dahingestellt bleiben, ob die Verschmutzung während der gegenständlichen Fahrt entstanden ist (so der Beschuldigte) oder ausgehend von der Beschaffenheit des Schmutzbelages erfahrungsgemäß mindestens einige Tage alt gewesen ist (so die beiden Zeugen).

 

Die, in der Berufungsschrift aufgeworfene, Frage, wie die beiden Zeugen die Verschmutzung feststellen haben können, ist dahingehend zu beantworten, dass diese Feststellung durch optische Wahrnehmungen der beiden Beamten erfolgt ist.

Die Feststellbarkeit einer Verschmutzung sowie der Art und des Grades derselben auf optischem Wege (durch Sehen) steht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung.

 

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes sowie der dargelegten Rechtslage hat der Beschuldigte den ihm angelasteten Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht, sodass der erstinstanzliche Schuldspruch zu Recht erfolgt ist und der Schuldberufung keine Folge zu geben war.

 

Die von der Berufungsbehörde vorgenommene Spruchänderung dient der Konkretisierung.

 

2 Strafberufung:

 

Zweck der Norm des § 102 Abs 2 KFG ist, (ua) die jederzeitige, eindeutige und ohne Schwierigkeiten und Aufwand verbundene, Identifizierung eines Kraftfahrzeuges zu gewährleisten.

 

Der Milderungsgrund der Unbescholtenheit kommt dem Rechtsmittelwerber aufgrund der bei seiner Wohnsitzbehörde (Bezirkshauptmannschaft Y) evidenten sieben, zur verfahrensgegenständlichen Tatzeit bereits rechtskräftigen, bis dato ungetilgten, nicht einschlägigen, Vorstrafen wegen Verwaltungsübertretungen nach der StVO, der Gewerbeordnung, der Kärntner Bauordnung und dem SPG nicht zu.

Einschlägige Verurteilungen sind nicht aktenevident geworden.

 

Die Berufungsbehörde wertet mildernd keinen Umstand, erschwerend die bedingt vorsätzliche Tatbegehungsweise (aufgrund des Zurücklegens einer Fahrtstrecke von rund 280 km unter den vom Rechtsmittelwerber angeführten Straßen- und Witterungsverhältnissen im Zusammenhalt mit dem Unterlassen einer Überprüfung der Lesbarkeit des Kennzeichens im Zuge dieser Fahrt, des beträchtlichen Verschmutzungsgrades sowie der Augenfälligkeit dieser Verschmutzung hat der Beschuldigte eine Tatbestandsverwirklichung ernsthaft für möglich halten müssen und sich damit abgefunden).

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 10.03.1999 gab der Rechtsmittelwerber an, ein Einkommen als selbständiger Immobilienkaufmann zu beziehen, ohne dieses zu beziffern. Er ist für vier Kinder sorgepflichtig und Eigentümer eines Einfamilienhauses.

 

Da zur Deckung der dringendsten Lebensbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Kleidung etc) ein monatlicher Mindestbetrag von S 3.000,-- erforderlich ist, legt die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung zugrunde, dass dem Rechtsmittelwerber Geld- und/oder Sachzuwendungen im geldwerten Betrag von monatlich S 3.000,-- zufließen, welche bei der Strafbemessung als Einkommen iSd § 19 Abs 2 VStG zu berücksichtigen sind.

 

Unter Bedachtnahme auf die in § 19 VStG normierten Strafbemessungskriterien, somit im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte durch sein rechtswidriges Verhalten den Schutzzweck der übertretenen Norm verletzt hat, sowie unter Berücksichtigung der bis zu S 30.000,-- reichenden Strafdrohung des § 134 Abs 1 KFG, des nicht unwesentlichen Unrechtsgehaltes der Tat, des erheblichen Verschuldensausmaßes, des  gewichtigen Erschwerungsgrundes, der allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten (Einkommen: monatlich S 3.000,--, Vermögen: Einfamilienhaus, vier Sorgepflichten), general- und spezialpräventiver Erfordernisse sowie der Tatsache, dass die Kennzeichentafel dermaßen verschmutzt gewesen ist, dass selbst aus nächster Nähe nicht einmal mehr ersichtlich gewesen ist, ob auf der Kennzeichentafel überhaupt ein Kennzeichen eingeprägt ist, ist die von der Erstbehörde verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe viel zu gering, um als tat-, schuld- und täterangemessen gewertet werden zu können.

 

Da es der Berufungsbehörde jedoch angesichts des in § 51 Abs 6 VStG normierten Verschlechterungsverbotes verwehrt ist, die festgesetzte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe auf ein tat-, schuld- und täterangemessenes, sohin erheblich erhöhtes, Ausmaß heraufzusetzen, musste der erstinstanzliche Strafausspruch, folglich auch der Kostenausspruch, vollinhaltlich bestätigt werden.

 

Der Strafberufung war demnach keine Folge zu geben.

 

Eine außerordentliche Milderung der Strafe (§ 20 VStG) kam bei der gegenständlichen, keine Mindestgrenze enthaltenden, Strafdrohung nicht in Betracht, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) lagen allein schon infolge des vom Rechtsmittelwerber zu vertretenden erheblichen Verschuldensausmaßes nicht vor.

 

3 Sonstiges:

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 51 e Abs 3 Z 3 VStG abzusehen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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