TE UVS Wien 2001/05/15 03/P/03/7917/2000

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Veröffentlicht am 15.05.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Wilfert über die Berufung des Herrn Hubert K, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 11.8.2000, AZ: S 27.698-S/2000, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

1. Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:

?Sie haben am 2.3.2000 um 21.40 Uhr in Wien, O-ring in der Staatsoper im Foyer durch das Auftreten ?als Adolf Hitler? und durch das Heben der rechten Hand zum Hitlergruß die öffentliche Ordnung in besonders rücksichtsloser Weise gestört.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 81/1 SPG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 2.000,--, Betrag in Euro 145,35, falls diese

uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tage, gemäß § 81/1

SPG.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

200,00 Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich ATS 200,-- angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

ATS 2.200,-- (159,88 Euro). Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG).?

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung vom 4.9.2000, in welcher der Berufungswerber die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestreitet.

2. In der Angelegenheit fand am 3.4.2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt, in welcher der Berufungswerber als Partei sowie die Sicherheitswachebeamten Schn, Scha und Kl zeugenschaftlich einvernommen wurden.

3. Die Berufung ist begründet.

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gründet sich auf eine Meldung der Bundespolizeidirektion Wien vom 2.3.2000 wegen des Verdachts der Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes. Laut dieser Meldung habe an diesem Tag um

21.40 Uhr eine zunächst unbekannte Person (der Berufungswerber) in der Oper bei der Feststiege wahrgenommen werden können, welche eine graugrüne Uniform, vermutlich einer ehemaligen nationalsozialistischen Wehrformation, eine Schirmkappe der NSDAP, ein goldenes Parteiabzeichen und eine Hackenkreuzarmbinde am linken Oberarm trug. Diese Person habe den rechten Arm zum so genannten ?Hitlergruß? empor gestreckt und dabei die Parole ?es lebe Adolf Hitler? in die Menge geschrieen. Die Person sei von den Sicherheitswachebeamten sofort an der Oberbekleidung erfasst und aus der Oper gedrängt worden. Dabei sei es zu einer größeren Drängelei und mehreren Stößen von Opernbesuchern gekommen. Beim Verlassen der Oper seien der Berufungswerber und die Polizeibeamten von 30 - 40 Presseleuten empfangen worden, welche die Amtshandlung entsprechend dokumentiert hätten. Es habe der Anschein bestanden, dass es sich um eine gesteuerte Aktion gehandelt habe und das die Presseleute nur auf die Sicherheitswachebeamten gewartet hätten. Zuvor habe wahrgenommen werden können, dass der Berufungswerber mit einem weißen Rolls Royce zur Oper zugefahren sei.

In seiner gegen das in der Folge ergangene Straferkenntnis vom 11.8.2000, wegen Übertretung des § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, erhobenen Berufung vom 4.9.2000, bestreitet der Berufungswerber im Wesentlichen ?Heil Hitler? oder Ähnliches gerufen zu haben und bestreitet den Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht zu haben. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gab er als Partei einvernommen an, er sei Schauspieler und trete häufig in der Rolle des Adolf Hitler auf, so in

der Produktion ?Nazis im Weltraum? und ?Überlebenskünstler, Helmut Z im Gespräch mit Adolf Hitler?.

Er sei überzeugter Antifaschist und habe sich in seinen künstlerischen Arbeiten auch wiederholt mit dem Thema Faschismus auseinander gesetzt. Anlass für seine Aktion sei die Regierungsbeteilung des Herrn H gewesen. Er habe aus diesem Anlass einen theatralischen Akt setzen wollen. Entsprechend einem Aufruf der Organisatoren des Balles des schlechten Geschmackes habe er die Absicht gehabt, auch gegen den Opernball auf gewaltfreie und dem Fasching entsprechende Art, also friedlich und kostümiert, zu protestieren. Er sei mit einem Chauffeur und einem Begleiter ungehindert zur Oper vorgefahren. Er sei dort ausgestiegen und habe laut gesagt ?Ich bin wieder hier?. Er habe sicher nicht ?Heil Hitler? oder Ähnliches gerufen, weil diese genau die Gesinnung ausdrücken würde die er ablehne. Die Figur des Adolf Hitler, die er dargestellt habe, würde so etwas auch nicht sagen. Dementsprechend habe er die Hand auch nur in der für Hitler typischen Weise zum Gruß erhoben, wie man es etwa schon von Charlie Chaplin in ?Der große Diktator? kenne. Das Ganze sei als Satire angelegt gewesen.

Er habe das Foyer der Oper betreten wobei sein Erscheinen Heiterkeit und zum Teil Beifall erregt habe. Er habe eine Eintrittskarte besessen, diese sei vom Billeteur abgerissen worden. Er sei dann weiter zur Treppe gegangen, dort sei er jedoch von Polizeibeamten gepackt und aus dem Gebäude gezerrt worden. Er habe nicht wahrgenommen, dass er zuvor aufgefordert worden wäre, das Gebäude zu verlassen. Er sei über die heftige Reaktion der Sicherheitskräfte völlig überrascht gewesen. Er habe gleichartige Aktionen zum Beispiel schon am Hauptplatz in Graz durchgeführt. Seinem Eindruck nach sei in erster Linie die Polizei von seinem Erscheinen geschockt und überrascht gewesen. Für ihn sei eindeutig der künstlerische Aspekt seiner Aktion im Vordergrund gestanden.

Der Zeuge Oberstleutnant Schn gab an, er habe vor der Oper Dienst getan und den weißen Rolls Royce vorfahren gesehen. Der Chauffeur sei ausgestiegen und habe die hintere Türe geöffnet. Der Wagen sei sofort von zahlreichen Medienvertretern umringt worden, sodass es ihm nicht möglich gewesen sei, zum Wagen zu gelangen. Er habe daher aus einiger Entfernung den Berufungswerber aussteigen gesehen. Er habe sofort erkannt, dass dieser Adolf Hitler darstelle. Er habe versucht, den Kollegen zuzurufen, dass sie den Berufungswerber am Betreten der Oper hindern sollten. Die Polizeischüler seien jedoch lediglich erstaunt dort gestanden und seien auch durch die zahlreichen Medienvertreter am Eingreifen gehindert gewesen. Er habe dann gesehen, dass der Berufungswerber kurz nach dem Betreten der Oper von zwei Sicherheitswachbeamten aus der Oper geführt wurde. Er habe zwar gehört, dass ? Heil Hitler? gerufen wurde, ob dies der Berufungswerber gewesen sei, könne er nicht sicher sagen. Ab dem Zeitpunkt wo er selbst den Berufungswerber in Gewahrsame hatte, sei dieser ruhig gewesen.

Zur Reaktion der Anwesenden befragt gab er an, es seien keine Passanten anwesend gewesen und die Medienvertreter hätten fotografiert.

Der Zeuge Revierinspektor Scha gab an, er habe im Foyer beim Haupteingang Dienst gemacht. Da die Ankunft des Herrn Bundespräsidenten angekündigt war, hätten sie die Aufgabe gehabt die Feststiege frei zu machen. Da habe er Lärm beim Nebeneingang gehört und zahlreiche Reporter gesehen. Alle Anwesenden hätten sich dorthin umgedreht. Er habe den Berufungswerber als Adolf Hitler gesehen und Rufe die die Worte ?Hitler? und ?Deutsches Reich? enthielten, gehört. Von den anwesenden Beamten habe eigentlich niemand reagiert, alle hätten nur geschaut. Neben ihm habe ein Passant gesagt ?Schau, der Hitler ist auch wieder da?. Er könne nicht sagen, dass dieser Passant entsetzt oder verärgert gewesen wäre. Er selbst sei über die vielen Reporter schockiert gewesen und sei seine erste Reaktion sogar gewesen, den Berufungswerber vor den zahlreichen Medienleuten zu schützen. Dazu, dass der Berufungswerber aufgefordert worden wäre, die Oper zu verlassen, sei es nicht gekommen, da ihn die Beamten sofort aus der Oper befördert hätten. Dabei habe es ein ziemliches Gedränge mit den Reportern gegeben. Er habe nicht wahrgenommen, dass Anwesende über das Auftreten des Berufungswerbers verärgert gewesen wären.

Der Zeuge Revierinspektor Kl gab an, er hat während der Errichtung einer Sicherheitsschleuse für die Ankunft des Herrn Bundespräsidenten einen Tumult wahrgenommen und habe den Berufungswerber in Hitleruniform wahrgenommen, der sich zwischen den Beamten durchgedrängt habe. Dieser sei dann vor der Feststiege gestanden und habe ?rechte Parolen? geschrieen, an deren Wortlaut sich der Zeuge nicht mehr erinnern konnte. Er habe versucht, mit dem Berufungswerber zu reden, dieser habe ihn aber nur angeschrieen, das heißt, eigentlich habe er ihn ignoriert. Daraufhin hätten ihn die Beamten gepackt und aus der Oper befördert. Es sei alles sehr schnell gegangen. Über die Reaktionen der anderen anwesenden Personen wisse er nichts, weil er sich nur auf den Angezeigten konzentriert habe.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 81 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl Nr 566/1991, begeht, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertig stört, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu ATS 3.000,-- zu bestrafen. An Stelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. Diese Tatumschreibung entspricht in ihrem Aufbau jener des Artikel IX Abs 1 Z 1 EGVG, die Strafbarkeit wurde jedoch, wie sich aus den zur Regierungsvorlage zum SPG ergangenen erläuternden Bemerkungen (siehe XVIII. GP, 148 der Beilagen) ergibt, inhaltlich zurückgenommen. Nach der vor Inkrafttreten des SPG geltenden Rechtslage war für die Störung der Ordnung ein Verhalten gefordert, dass Ärgernis zu erregen geeignet ist; diese Formulierung stellte bereits auf die Einschätzung durch andere und nicht auf die Intention des Täters ab. Das insbesondere diese maßgeblich ist, wird nunmehr durch die Wendung ?besonders rücksichtsloses Verhalten? verstärkt zum Ausdruck gebracht. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere auf Grund der glaubwürdigen Angaben des Berufungswerbers sowie der einvernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, ist als der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legender Sachverhalt als erwiesen anzusehen, dass der Berufungswerber, als Adolf Hitler kostümiert, im Zuge des Eintreffens der Ballgäste zum Wiener Opernball im Besitz einer gültigen Eintrittskarte in einem Fahrzeug zum Opernball vorgefahren ist, und ungehindert das Foyer der Staatsoper betreten hat, wobei er in Ausdruck und Gestik die Figur des Adolf Hitler darzustellen trachtete. Unmittelbar nach Betreten des Foyers wurde er von Polizeibeamten aus dem Gebäude befördert, wobei es zu einem Gedränge mit den zahlreichen anwesenden Presseleuten kam.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Verhalten als besonders rücksichtslos idS des § 81 Abs 1 SPG zu beurteilen ist, kein abstrakter Maßstab anzulegen ist, sondern dieses Verhalten im Zusammenhang mit den Begleitumständen, insbesondere in welchem Rahmen es gesetzt wird, zu messen ist. Nach der Lage des Falles kann im Auftreten des Berufungswerbers, eines Schauspielers, in seinem Rollenkostüm im Rahmen einer Faschingsveranstaltung, und um eine solche handelt es sich beim Wiener Opernball, eine für die Verwirklichung des gegenständlichen Tatbestandes erforderliche ?besondere Rücksichtslosigkeit? des Verhaltens nicht erblickt werden, zumal sich aus der glaubwürdigen Aussage des Berufungswerbers ergibt, dass die Intention des Berufungswerbers nicht auf eine Störung der öffentlichen Ordnung gerichtet war, und sein Verhalten, wie die Zeugenaussagen ergeben haben, auch keine Verärgerung der anwesenden Passanten sondern allenfalls Erstaunen und Belustigung hervorgerufen haben.

Bei einer zusammenfassenden Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien daher zu dem Ergebnis, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob der Berufungswerber mit der von ihm gewählten Kostümierung gegen die Bestimmungen des Abzeichengesetzes 1960, BGBl Nr 84, verstoßen hat, nicht Gegenstand dieses Verfahrens sondern des zur Zahl UVS-06/52/10887/2000 anhängigen Berufungsverfahrens ist.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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