TE UVS Wien 2001/07/19 03/M/36/4429/2001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Klaus F in B/D, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung vom 25.4.2001 Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01 wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde behoben.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Aus dem von der Erstbehörde vorgelegten erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt (dieser besteht zum Teil aus Kopien des erstinstanzlichen Aktes zur Zl MBA 2 - S 12206/00) ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 27.9.2000 übermittelte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk dem MBA 2 eine Reihe von Akten (zuständigkeitshalber), weil - so heißt es in einem Vermerk - laut tel Auskunft Aufsteller der Werbeständer die Verlagsgruppe N, Wien 2, P-straße sei. Laut einem angeschlossen gewesenen Firmenbuchauszug ist der Berufungswerber (Bw) einer von mehreren handelsrechtlichen Geschäftsführern der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH.

Mit Schreiben vom 7.9.2000 hatte die MA 48 dem Magistratischen Bezirksamt für den 5. Bezirk mitgeteilt, dass bezugnehmend auf die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6.5.1980 betreffend die Freihaltung des Stadtbildes von störenden Werbeständern (Zl MA 7 - 1629/80) die MA 48 am 1.9.2000 14 Werbeständer und am 4.9.2000 15 Werbeständer (siehe die angeschlossene Auflistung) eingezogen habe. Die Tafeln würden von der MA 48 zwischengelagert. Es waren auch Kopien von Fotos (mit unleserlichen handschriftlichen Vermerken) angeschlossen. Mit Schreiben vom 18.9.2000 hatte dann das Magistratische Bezirksamt für den 4./5. Bezirk die MA 48 (bezugnehmend auf deren Anzeige vom 7.9.2000) um ergänzende Angabe der Eigentümer der Werbeständer ersucht, weil ansonsten die Durchführung eines Strafverfahrens nicht möglich sei. Mit Strafverfügung vom 13.11.2000, Zl MBA 2 - S 12206/00 wurde der Bw schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 4.9.2000 um

12.40 Uhr in Wien 5, Z-gasse, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Der Bw habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO in Verbindung mit § 9 VStG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw, vertreten durch Rechtsanwalt Dr G, fristgerecht Einspruch.

In ihrem Schreiben vom 11.12.2000 (?Aufforderung zur Rechtfertigung?) legte die Erstbehörde dem Bw eine Übertretung des § 82 Abs 1 iVm § 99 Abs 3 lit d StVO zur Last, wobei die Tatanlastung mit der in der Strafverfügung vom 13.11.2000 identisch ist. Es wurde dem Bw die Möglichkeit gegeben, zu einem bestimmten Termin bei der Erstbehörde zur Vernehmung zu erscheinen oder sich schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt zu rechtfertigen sowie die seiner Verteidigung dienenden Tatsachen und Beweismittel bekannt zu geben.

In seiner Stellungnahme vom 3.1.2001 brachte der Bw vor, die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH, deren Geschäftsführer er sei, habe mit der Aufstellung der inkriminierten Werbeständer absolut nichts zu tun; sie habe weder diese Aufstellung selbst durchgeführt noch diese veranlasst. Die Anzeige enthalte auch keinen Umstand, aus dem sich die Verantwortlichkeit der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH für die Aufstellung der Werbeständer ergebe. Schon aus diesem Grund gehe der wider ihn erhobene Vorwurf der Verantwortlichkeit als Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH ins Leere, sodass er die Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens beantrage. Im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt findet sich dann die - unvollständige - Kopie einer Berufung des Herrn Mag Helmuth Fe (das ist ein weiterer Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH, wobei dieser ebenfalls durch Herrn Dr G vertreten wird) im Verfahren zur Zl MBA 2 - S 11484/00 ua Unter Punkt 1) dieser Berufung (gegen 9 näher bezeichnete Straferkenntnisse) brachte der dortige Beschuldigte vor, er habe schon in seinen Stellungnahmen ausgeführt, dass die Verlagsgruppe N-BeteiligungsgmbH mit der Aufstellung der inkriminierten Werbeständer absolut nichts zu tun habe. Dem halte die Erstbehörde rechtsirrig entgegen, dass der Täter verpflichtet wäre, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Hier übersehe die Erstbehörde, dass diese Bestimmung des § 5 Abs 1 VStG nur eine Schuldvermutung, nicht aber eine Vermutung, dass der Beschuldigte das Verhalten Gesetzt habe, und dass dies rechtswidrig gewesen sei, normiere. Nur in der Frage der Schuld, nicht der objektiven Tatseite oder der Rechtswidrigkeit werde die Beweislast umgekehrt (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 (1999), Rz 745). Die von der Erstbehörde somit vorgenommene Beweislastumkehr sei rechtsirrig erfolgt. Nicht er hätte beweisen müssen, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-BeteiligungsgmbH die Tat nicht begangen habe, sondern hätte die Erstbehörde die objektive Tatseite nachweisen müssen. Dieser Nachweis sei der Behörde erster Instanz nicht gelungen. Die Erstbehörde stütze sich lediglich darauf, dass auf den Ständern folgende Adresse angegeben gewesen sei:

Verlagsgruppe N, Wien 2, P-straße. Dieser Berufung waren Firmenbuchauszüge der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH und der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH ist, angeschlossen.

Ohne aktenmäßig feststellbare Ermittlungen wurde der Bw in der Folge mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH und diese Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG zu verantworten, dass die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG am 4.9.2000 um 12.40 Uhr in Wien 5, Z-gasse, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Er habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO iVm § 9 VStG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurden die zu ersetzenden erstinstanzlichen Kosten mit ATS 100,-- bestimmt. Zur Begründung dieses Straferkenntnisses führte die Erstbehörde aus, durch die im Spruch näher beschriebene Tat habe der Bw die angeführte Verwaltungsvorschrift verletzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen. Der ihm zur Last gelegte Sachverhalt werde auf Grund der Anzeige der Magistratsabteilung 48 - Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark als erwiesen angesehen. Der Äußerung des Bw sei entgegenzuhalten, dass der Täter bei der angelasteten Tat glaubhaft zu machen hätte, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Diese Glaubhaftmachung sei aber durch das Vorbringen des Bw nicht erreicht worden, weil auf den aufgestellten Werbeständern folgende Adresse des Nutznießers angegeben gewesen sei:

Verlagsgruppe ?N?, 1020 Wien, P-straße. Die angeführte Adresse sei die Geschäftsanschrift der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH sei, in der er als handelsrechtlicher Geschäftsführer fungiere. Es sei deshalb sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen. Im Übrigen legte die Erstbehörde ihre Strafzumessungsgründe im Einzelnen dar. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw zu Handen seines Rechtsanwaltes am 29.1.2001 zugestellt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw mit Schreiben vom 12.2.2001 Berufung. Darin rügte er ua, es werde ihm nunmehr (erstmals) zur Last gelegt, er hätte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH und diese Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG zu verantworten, dass die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG die Werbeständer aufgestellt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Zu dieser von der Behörde angenommenen - wesentlichen - Sachverhaltsänderung sei er nie gehört worden. Bis zum Straferkenntnis sei ihm zur Last gelegt worden, er hätte als Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH zu verantworten, dass diese die Werbeständer aufgestellt habe. Auch eine im Laufe des Verfahrens eintretende wesentliche Sachverhaltsänderung sei dem Parteiengehör zu unterziehen. Auch eine unrichtige Anwendung der Beweislastumkehr des § 5 Abs 1 VStG machte der Bw geltend. Diese Berufung vom 12.2.2001 wurde samt erstinstanzlichem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 21.2.2001 zur Entscheidung vorgelegt (beim UVS Wien zur Zl UVS-03/M/14/1707/2001 protokolliert).

Die Erstbehörde erließ daraufhin zur Zl MBA 2 - S 2117/01 gegen den Bw eine (weitere) Strafverfügung vom 20.2.2001, deren Tatanlastung im Wesentlichen (statt Wien 5 heißt es nunmehr Wien 4) wortgleich mit dem Schuldspruch des Straferkenntnisses vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 ist. Wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 iVm § 99 Abs 3 lit d StVO iVm § 9 VStG wurde über den Bw (abermals) eine Geldstrafe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt. Diese Strafverfügung adressierte die Erstbehörde an den Bw persönlich (an dessen Anschrift in D). Gegen diese Strafverfügung zur Zl MBA 2 - S 2117/01 erhob der Bw mit Schreiben vom 9.3.2001 durch seinen ausgewiesenen Rechtsanwalt Dr G Einspruch (wegen der nachfolgenden Erlassung des Straferkenntnisses vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf das in dieser Sache ausgewiesene Bevollmächtigungsverhältnis die Strafverfügung vom 20.2.2001 überhaupt rechtswirksam an Herrn Klaus F persönlich zugestellt werden konnte).

Mit Schreiben vom 12.3.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01 forderte die Erstbehörde den Bw zur Rechtfertigung zum Vorwurf einer Übertretung des § 82 Abs 1 StVO iVm § 99 Abs 3 lit d StVO iVm § 9 VStG (die Tatumschreibung ist mit der im Straferkenntnis vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 wiederum - abgesehen von der schon oben erwähnten Änderung von Wien 5 auf Wien 4 - wortgleich) auf. In seiner Stellungnahme vom 4.4.2001 bestritt der Bw die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zur Gänze. Er habe mit der Aufstellung der gegenständlichen Werbeständer überhaupt nichts zu tun. Die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG sei weder Verlegerin, noch Eigentümerin der Zeitschrift N. Sie habe somit weder mit dem Verlag der Zeitschrift N noch mit der Werbung für die Zeitschrift N irgend etwas zu tun. Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin der Zeitschrift N sei alleine die Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH (FN 183). Zum Beweis dafür wurde die Einvernahme des Herrn Ing Werner T, Vertriebsleiter beantragt. Außerdem lag eine Ausgabe der Zeitschrift N Nr 36 vom 7.9.2000 unter Hinweis auf das Impressum auf Seite 198 bei.

Laut einem eingeholten Firmenbuchauszug ist der Bw (auch) handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH.

Im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt findet sich dann noch die Kopie einer mit Herrn Ing Werner T im Verfahren zur Zl MBA 2 - S 274/01 (wer in diesem Verfahren der Beschuldigte ist, lässt sich dieser Niederschrift nicht entnehmen) am 19.3.2001

aufgenommene Niederschrift, wonach dieser angab, er sei der Vertriebsleiter der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH und für die Aufstellung der Werbeständer verantwortlich. Er habe die Firma Franz Fr mit dem Aufstellen der in der Anzeige angeführten Werbeständer beauftragt. Dass dem Bw der Inhalt dieser Niederschrift - im Rahmen des Parteiengehörs - zur Kenntnis gebracht und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu eingeräumt worden wäre, lässt sich dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt nicht entnehmen.

Ohne weitere Ermittlungen erließ die Erstbehörde dann das nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien

angefochtene Straferkenntnis vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01, mit dem der Bw schuldig erkannt wurde, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 4.9.2000 um

12.40 Uhr in Wien 4, Z-gasse, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Der Bw habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO iVm § 9 VStG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw eine Geldstrafe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit ATS 100,-- bestimmt. Zur Begründung dieses Straferkenntnisses führte die Erstbehörde aus, durch die im Spruch näher beschriebene Tat habe der Bw die angeführte Verwaltungsvorschrift verletzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen. Der dem Bw zur Last gelegte Sachverhalt werde auf Grund der Anzeige der Magistratsabteilung 48 - Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark als erwiesen angesehen. In seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 5.4.2001 bestreite der Bw die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht (hiezu sei bemerkt, dass der Bw in seiner Stellungnahme vom 4.4.2001 die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zur Gänze bestritten hat, sodass diese Argumentation der Erstbehörde in ihrer Begründung mehr als seltsam anmutet). Es sei deshalb sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen. Weiters legte die Behörde ihre Erwägungen zur Strafbemessung dar, wobei sie das ?Geständnis? des Bw als mildernd berücksichtigte. Worin freilich ein derartiges, von der Erstbehörde als Milderungsgrund zu wertendes ?Geständnis? gelegen sein soll, ist nach der gesamten Aktenlage nicht erkennbar.

In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung rügte der Bw, es werde ihm im Straferkenntnis erstmals zur Last gelegt, er hätte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft die Werbeständer aufgestellt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Zu dieser von der Behörde angenommenen - wesentlichen - Sachverhaltsänderung sei er formell nicht gehört worden. Auch verwies er darauf, dass die Begründung im Straferkenntnis, er hätte in der Rechtfertigung vom 4.4.2001 die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht bestritten, absolut aktenwidrig und falsch sei. Durch die Verletzung des Parteiengehörs sei das Straferkenntnis jedenfalls rechtswidrig erlassen worden. Auch seinem Antrag auf Einvernahme des Ing Werner T sei nicht nachgekommen worden. Unter Punkt 3) seiner Berufung (?Verjährung?) brachte der Bw vor, das Straferkenntnis sei gleichzeitig auch die erste Verfolgungshandlung bezüglich seiner angeblichen Verantwortung als Organ der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH Diese erste Verfolgungshandlung sei aber außerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist erfolgt. Der innerhalb der Verjährungsfrist erhobene Vorwurf betreffe einen völlig anderen Sachverhalt, nämlich die Aufstellung der Ständer durch die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG und seine angebliche Verantwortung dafür als Geschäftsführer deren persönlich haftender Gesellschafterin (Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH). Eine die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung müsse sich auf einen bestimmten Sachverhalt und auf alle relevanten Sachverhaltselemente beziehen. Im vorliegenden Fall sei wohl von unbestrittener Relevanz, wer die Ständer aufgestellt habe und warum er dafür haften solle.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 64a Abs 1 AVG (§ 24 VStG) idF der Novelle BGBl I Nr 158/1998 kann die Behörde die Berufung binnen zwei Monaten nach Einlangen bei der Behörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern.

Wie schon in der obigen Sachverhaltsdarstellung näher ausgeführt wurde, hat der Magistrat der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk) bereits mit Straferkenntnis vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 (dem Bw zu Handen seines Rechtsanwaltes am 29.1.2001 zugestellt) den Bw wegen einer Übertretung der StVO schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der N-Beteiligungsgesellschaft mbH, welche persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG sei, zu verantworten habe, dass die Verlagsgruppe N-Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG am 4.9.2000 um 12.40 Uhr in Wien 5, Z-gasse einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw mit Schriftsatz vom 12.2.2001 Berufung erhoben, welche samt erstinstanzlichem Akt dem UVS Wien (dort protokolliert zur Zl UVS-03/M/14/1707/2001) zur Entscheidung vorgelegt wurde. Die Erstbehörde hätte nach der Bestimmung des § 64a AVG - allenfalls nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens - binnen zwei Monaten nach Einlangen der Berufung bei der Erstbehörde eine Berufungsvorentscheidung erlassen können, mit der sie die Berufung als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern hätte können. Eine bestätigende Berufungsvorentscheidung käme aber schon nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 64a Abs 1 AVG nicht in Betracht.

Die Erstbehörde hat nun keine Berufungsvorentscheidung getroffen, sondern sie hat (unter einer neuen Geschäftszahl, nämlich Zl MBA 2 - S 2117/01) gegen den Bw eine Strafverfügung vom 20.2.2001 erlassen, wobei die Tatumschreibung mit der im Straferkenntnis vom 16.1.2001 mit Ausnahme der Abänderung der Bezeichnung des Wr Gemeindebezirkes (vom fünften auf den vierten Bezirk) wörtlich übereinstimmt. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien sieht sich zunächst veranlasst festzustellen, dass eine solche Vorgangsweise der Behörde erster Instanz (hier: des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk) rechtswidrig ist und keinesfalls den Intentionen des § 47 VStG entspricht. Nachdem der Bw in seiner Stellungnahme vom 4.4.2001 angegeben hatte, Eigentümerin, Verlegerin und Produzentin der Zeitschrift N sei alleine die Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH, hat die Erstbehörde lediglich einen Firmenbuchauszug der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH und eine Kopie einer mit Herrn Ing Werner T aufgenommene Niederschrift aus einem anderen Akt angeschlossen, selbst aber keine weiteren Ermittlungen angestellt, zu deren Ergebnissen dem Bw dann auch Parteiengehör gewährt worden wäre. Zur Klarstellung ist aber anzumerken, dass die Erstbehörde die Sachverhaltsermittlungen zur Feststellung der (strittigen) objektiven Tatseite ohnedies schon vor Erlassung des ersten - das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren abschließenden - Straferkenntnisses  vorzunehmen gehabt hätte. Das Magistratische Bezirksamt für den 2. Bezirk ist darauf hinzuweisen, dass das Offizialprinzip die Behörde verpflichtet, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen. Es ist daher Aufgabe der Behörde, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhaltes benötigt werden, durchzuführen (vgl zB das Erk des VwGH vom 20.10.1992, Zl 91/08/0096). Gemäß der auch im Verwaltungsstrafverfahren zufolge § 24 VStG geltenden Grundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG) und der Amtswegigkeit (§ 39 Abs 2 AVG) hat die Behörde dem Täter grundsätzlich den objektiven Tatbestand von sich aus nachzuweisen. Bestreitet der Beschuldigte (so wie im vorliegenden Fall) den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt zu haben, so trifft die Beweislast in dieser Hinsicht die Behörde. Zu einer Umkehr der Beweislast gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG kommt es nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, der Täter jedoch lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede stellt (vgl zB das Erk des VwGH vom 3.12.1990, Zl 90/19/0108). Nach Einholung einer Stellungnahme des Bw vom 4.4.2001, in der er den gegen ihn erhobenen Vorwurf zur Gänze bestritten hatte, erließ die Erstbehörde das Straferkenntnis vom 6.4.2001, mit welchem sie dem Bw zur Last legte, er habe die Tat als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH zu verantworten. Der Bw hat in seiner Berufung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Feststellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, der Bw habe in seiner erwähnten Rechtfertigung die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht bestritten, aktenwidrig und falsch ist. Der Berufung vom 25.4.2001 kommt aus folgenden, von ihr nicht ins Treffen geführten Gründen, im Ergebnis Berechtigung zu:

Gemäß § 6 ZustG ist, so das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird, die erste Zustellung maßgebend. Voraussetzung für die im § 6 ZustG angeordnete Rechtsfolge, dass für den Lauf der Berufungsfrist im Sinne des § 63 Abs 5 AVG (nur) die erste gültige Zustellung maßgebend ist, ist das Vorliegen des ?gleichen Schriftstückes?. Darunter ist eine inhaltlich vollkommen idente Ausfertigung eines bereits einmal zugestellten Schriftstückes zu verstehen. Es darf sich um keinen neuen Rechtsakt handeln (vgl dazu zB das Erk des VwGH vom 20.10.1993, Zl 93/10/0082). Ein gleiches Schriftstück (hier: gleiches Straferkenntnis) liegt dann nicht

mehr vor, wenn die Behörde in einer neuerlich zugestellten Ausfertigung zum Ausdruck bringt, dass keine gleiche Erledigung beabsichtigt ist. Im vorliegenden Fall liegt nun eine derartige Identität zwischen den Straferkenntnissen vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 und vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01 im Hinblick auf die oben dargestellten Änderungen im Spruch und der Begründung nicht vor. Nach Einbringung der Berufung vom 12.2.2001 gegen das Straferkenntnis vom 16.1.2001, Zl MBA 2 - S 12206/00 war der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, zur neuerlichen Erlassung eines (bestätigenden) Straferkenntnisses in derselben Sache nicht zuständig; das trotzdem in dieser Sache ergangene (zweite) Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 6.4.2001 (mit einer neuen Geschäftszahl) ist wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde rechtswidrig. Ein von einer unzuständigen Behörde erlassener Bescheid (hier: Straferkenntnis) ist somit jedenfalls rechtswidrig und daher von der Berufungsbehörde von Amts wegen zu beheben (vgl zB das Erk des VwGH vom 18.1.1979, VwSlg. 9742/A ua). Noch einmal ist zu betonen, dass während der Anhängigkeit einer Berufung die Erstbehörde nicht berechtigt ist, in derselben Sache neuerlich zu entscheiden, weil durch die Erhebung der Berufung, wie sich aus § 66 Abs 4 AVG ergibt, die Befugnis zur Entscheidung in der Sache auf die Berufungsbehörde - hier: dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien - übergegangen ist (vgl dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 564f).

Zur Klarstellung ist abschließend noch - im Hinblick auf die Verjährungseinrede des Bw unter Punkt 3) seiner Berufung - auf Folgendes hinzuweisen:

Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die genannte Bestimmung legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, sie normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen

Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der Sache des Berufungsverfahrens nicht stattfindet, was auch für den Fall gilt, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, sondern als Inhaber eines Einzelunternehmens zugerechnet werden können (vgl zB die Erk vom 30.6.1994, 94/09/0035 und vom 23.11.1982, 81/11/0097). Nichts anderes wird auch im vorliegenden Fall zu gelten haben. Dass der Bw allenfalls tatsächlich als nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen wird, für welche er im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 16.1.2001 verantwortlich gemacht worden war, würde eine unzulässige Änderung des Tatvorwurfes oder eine Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG nicht darstellen (vgl dazu das Erk des VwGH vom 29.6.1995, Zl 94/07/0178).

Auf Grund der oben dargelegten Erwägungen war der Berufung vom 25.4.2001 Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis vom 6.4.2001, Zl MBA 2 - S 2117/01 wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde zu beheben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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