Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG Folge gegeben, das erstinstanzliche
Straferkenntnis behoben und gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.
Mit einer Anzeige eines im exekutiven Außendienst befindlichen Beamten des Gendarmeriepostens M*** wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe am 2.11.2000 um 19,12 Uhr als Fußgänger im Stadtzentrum von M*** die Fahrbahn am
H****platz insoferne vorschriftswidrig überquert, als er dies, von der L*****straße
kommend, in Richtung Hotel ***** ****, H****platz *, in geringerer
Entfernung als 25 m zum
nächsten Schutzweg getan habe.
Der Anzeige war eine maßstabsgetreue Skizze vom Tatort, in welcher
die Gehrichtung
des Angezeigten eingetragen war, beigelegt.
Der Angezeigte wurde von der Bezirkshauptmannschaft X mit einem im ordentlichen
Verfahren ergangenen Straferkenntnis mit einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.
Der Spruch des Bescheides ? soweit er sich auf § 44a Z 1 VStG bezieht ? lautet:
?Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 02.11.2000, um 19.12 Uhr
Ort: Ortsgebiet M***, auf dem H****platz, bei Nr. *
Tatbeschreibung:
Sie haben den Schutzweg nicht benutzt.?
Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung. Weitwendig erörtert der Rechtsmittelwerber die sog. formelle und materielle
Rechtswidrigkeit des Bescheides: Allgemeine Grundsätze der Beweisaufnahme seien
missachtet worden, seine Begleiterin, die die Fahrbahn auf gleiche Weise überquert habe,
sei nicht angezeigt worden, die in der Skizze des Meldungslegers eingezeichnete
Wegstrecke lasse gar keine Möglichkeit, die Fahrbahn auf einem Schutzweg zu
überqueren zu, da von der Mittelinsel keiner wegführe, etc. Es werde deshalb beantragt,
das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen.
Die BH X hat den Verwaltungsstrafakt dem UVS NÖ zur Berufungsentscheidung
vorgelegt.
Dieser hat zunächst die vom Meldungsleger angefertigte Skizze in Ablichtung dem Rechtsmittelwerber mit dem Auftrag zugesandt, die von ihm beim Überqueren des Hauptplatzes eingeschlagene Strecke als Erklärung zu seinen
schriftlichen
Berufungsausführungen einzutragen.
Der Beschuldigte ist diesem Auftrag unverzüglich nachgekommen: Die von ihm
eingetragene Gehlinie ist mit der vom Gendarmeriebeamten gezeichneten ident.
Der UVS hat dazu erwogen:
Die Bestrafung erfolgte wegen der Übertretung nach § 76 Abs 6 StVO.
§ 76 Abs 6 StVO lautet:
?Sind Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden,
so haben Fußgänger diese Einrichtungen zu benützen. Ist jedoch keine dieser
Einrichtungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet
die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein
sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.?
?Schutzweg? wird im § 2 Z 12 StVO wie folgt definiert:
?Ein durch gleichmäßige Längsstreifen (sogenannte ?Zebrastreifen?) gekennzeichneter, für
die Überquerung der Fahrbahn durch Fußgänger bestimmter Fahrbahnteil.?
Voraussetzung für die Verpflichtung eines Fußgängers, einen Schutzweg (oder eine diesem gleichzuhaltende Einrichtung) zu benützen, ist, dass er die Fahrbahn überquert.
§ 44a Z 1 VStG stellt das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat
auf. Demnach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt
worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,
2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Es muss
a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter
Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte (Bestrafte) in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise
anzubieten, um diesen Tatvorwurf zu widerlegen und
b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen,
wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden.
Im Spruch des Straferkenntnisses fehlt das wesentliche Tatbestandsmerkmal des Überquerens einer Fahrbahn.
Es findet sich auch in keiner Verfolgungshandlung.
Die notwendige Ergänzung war der Berufungsbehörde deshalb verwehrt,
der bekämpfte
Bescheid zu beheben und das Verfahren einzustellen.
Noch aus einem weiteren Grund wäre der Bescheid zu beheben und das Verfahren
einzustellen gewesen:
Der H****platz **** ist eine annähernd rechteckige Fläche, das Haus mit der ON * (Hotel ***** ****) befindet sich ca. in der Mitte einer Längsseite. Diagonal über den H****platz führen die gedachten Verlängerungen der einmündenden
Fahrbahnen (§ 2 Z 2 StVO), der B******straße/K******gasse und der H****straße/L*****straße.
?Bei Nr. *? ist nicht nur ein Schutzweg, sondern sind zwei. Auch diesbezüglich erfüllt der Spruch des Straferkenntnisses nicht die von § 44a VStG
normierten Anforderungen hinsichtlich Eindeutigkeit des Tatortes.
[Der Spruch hätte dementsprechend richtig zu lauten gehabt:
?Sie haben am 2.11.2000 um 19,12 Uhr im Ortsgebiet von M*** den H****platz von der
L*****straße kommend zum Hotel ***** **** (H****platz Nr. *) überquert, ohne den in ihrer
Gehrichtung weniger als 5 m entfernten bei der Einmündung in die K******gasse in den
H****platz befindlichen Schutzweg zu benützen.?]