Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn R W, B A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Bad Aussee vom 3.10.2000, GZ.: 15.1 410/2000, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) i. d.F. BGBl. 1998/158 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei als Dienstgeber seiner Verpflichtung über die an Dienstnehmer und Lehrlinge gezahlten Entgelte binnen acht Kalendertagen nach Ablauf eines jeden Beitragszeitraumes bzw. innerhalb der mit ihm vereinbarten Frist Beitragsnachweisungen zu erstatten, nicht nachgekommen. Er habe die Beitragsnachweisungen für Jänner bis April 2000 bis dato nicht vorgelegt und dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 34 Abs 2 ASVG begangen. In seiner dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 29.11.2000 wandte der Berufungswerber ein, er habe am 1.6.2000 sein Gewerbe zurückgelegt und sei in Konkurs gegangen, weshalb er keinen Zugang zu den Unterlagen seiner ehemaligen Firma besitze. Aus diesem Grunde habe er der Aufforderung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse nicht nachkommen können.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ist von nachstehender Sach- und Rechtslage auszugehen:
Der Berufungswerber betrieb während des Tatzeitraumes als Einzelunternehmen ein Güterbeförderungsunternehmen am Standort B A, und ist mit diesem Betrieb per 24.5.2000 in Konkurs gegangen (Konkursedikt des Landesgerichtes Leoben 17 S 248/00i. Mit Schreiben vom 24.5.2000 beantragte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse zu Zl. MVB 1/262343-9 bei der belangten Behörde eine Bestrafung des Berufungswerbers gemäß § 111 ASVG, da dieser seiner Verpflichtung, Beitragsnachweisungen im Sinne von § 34 Abs 2 ASVG zu erstatten, trotz mehrmaligem Ersuchen der Kasse für die Beitragszeiträume Jänner bis April 2000 bis dato nicht nachgekommen sei. Mit Schreiben vom 19.2.2001 ersuchte der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark die Steiermärkische Gebietskrankenkasse das behauptete schriftliche Übereinkommen im Sinne von § 34 Abs 2 ASVG mit dem Berufungswerber in Ablichtung zu übermitteln. In Beantwortung dieses Schreibens gab der zuständige Sachbearbeiter Herr T am 22.2.2001 nachstehende Praxis der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse betreffend Übereinkommen gemäß § 34 Abs 2 ASVG bekannt: Den meldepflichtigen Arbeitgebern, so auch dem Berufungswerber, wurden Formulare für ein Übereinkommen gemäß § 34 Abs 2 ASVG zugeschickt, welche ausgefüllt und unterschrieben retourniert werden sollten. Da jedoch von den meisten Dienstgebern, so auch vom Berufungswerber, keine Rückantwort erfolgt, wird nach Verstreichen einer zwei- bis dreiwöchigen Frist ab Zusendung vom konkludenten Abschluss eines Übereinkommens ausgegangen. Bezugnehmend auf dieses Telefonat wurde per 27.2.2001 ein Leerformular für eine Vereinbarung im Sinne von § 34 Abs 2 ASVG übermittelt. Dem eigentlichen Text der Vereinbarung ist ein mit "Information für Betriebe mit Selbstabrechung" betitelter Absatz vorangestellt, welcher folgenden Wortlaut hat: Gesetzlich ist vorgesehen, dass Dienstgeber und Kasse über die Abrechnung der Beiträge nach dem Lohnsummenverfahren eine Vereinbarung treffen. Bitte unterfertigen Sie folgende Vereinbarungen zum Zeichen ihres Einverständnisses firmenmäßig und senden Sie diese innerhalb von 14 Tagen wieder an uns zurück.
Dieses Einverständnis setzen wir auch dann voraus, wenn innerhalb der Frist weder die Vereinbarung, noch eine anders lautende Mitteilung von Ihnen einlangt. Es folgt der Text der Vereinbarung, aus welchem sich im Punkt 5.) unter anderem ergibt, dass Beitragsnachweisungen stets fristgerecht innerhalb von acht Kalendertagen nach Ablauf des Beitragszeitraumes oder innerhalb der auf ein begründetes Ansuchen vereinbarten Frist vorzulegen sind. Im Punkt 8.) werden die meldepflichtigen Dienstgeber darauf hingewiesen, dass für den Fall einer nicht fristgerechten Vorlage der Beitragsnachweisungen Beitragszuschläge gemäß § 113 ASVG vorgeschrieben werden können. Ein Hinweis auf die Strafbarkeit gemäß § 111 iVm § 112 ASVG ist nicht enthalten. Als Unterfertiger sind vorgesehen: der leitende Angestellte Generaldirektor H G eh., der Obmann E S eh., sowie die firmenmäßige Zeichnung des jeweiligen Dienstgebers. Das in diesem Verfahren vorgelegte Formular enthält keinerlei Unterschriften, insbesondere nicht eine solche des Berufungswerbers. Der mit "Meldung von Änderungen" betitelte § 34 ASVG hat folgenden Wortlaut: § 34 (1) Die Dienstgeber haben während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage, Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruches, innerhalb von sieben Tagen dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden.
(2) Der Träger der Krankenversicherung kann mit dem Dienstgeber ein schriftliches Übereinkommen treffen, wonach an Stelle der im Abs 1 vorgeschriebenen Meldungen Listen oder an deren Stelle Meldungen über die Gesamtsumme des Entgeltes für einen Beitragszeitraum an den Zahltagen oder nach Ablauf eines jeden Beitragszeitraumes vorgelegt werden. Der Träger der Krankenversicherung kann für diese Listen Vordrucke auflegen (Hervorhebungen durch UVS). Die Bestimmung des § 34 Abs 2 ASVG verlangt nach ihrem klaren Wortlaut für ein zwischen der Gebietskrankenkasse und dem meldepflichtigen Dienstgeber zu treffendes Übereinkommen die Schriftform. Die von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse geübte Praxis, im Falle einer Nichtunterfertigung des zugesandten Formulars binnen der gesetzten Frist von einem stillschweigenden Vertragsabschluss auszugehen, entspricht somit nicht den gesetzlichen Erfordernissen, da es einem lediglich konkludenten Vertragsabschluss an der Gültigkeitsvoraussetzung der Schriftform mangelt. Daran vermag auch der anders lautende Hinweis im verwendeten Formular nichts zu ändern, da die eindeutige gesetzliche Regelung keine andere Interpretation zulässt. Die seitens der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gepflogene Praxis mag somit im alltäglichen Umgang mit den Dienstgebern durchaus praktikabel sein, hat jedoch im Falle fehlender Schriftlichkeit zur Folge, dass die Nichterstattung der Beitragsnachweisungen nicht der Strafsanktion des § 111 iVm § 112 ASVG unterliegt. Es ist im Anlassfall somit davon auszugehen, dass zwischen dem Berufungswerber und der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse kein gültiges Übereinkommen im Sinne des § 34 Abs 2 ASVG geschlossen wurde, weshalb der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Liegt ein schriftliches Übereinkommen nicht vor und ist somit der zur Last gelegte Verstoß gegen die Meldeverpflichtung des § 34 Abs 2 ASVG nicht zutreffend, folgt daraus weiters, dass der Vorhalt, Beitragsnachweisungen für die Zeiträume Jänner bis April 2000 nicht vorgelegt zu haben, auch nicht der Meldeverpflichtung des § 34 Abs 1 ASVG unterstellt werden kann. Diese Bestimmung ist nämlich gegenüber dem Abs 2 beträchtlich differenziert, da nach ihr der Dienstgeber "jede" bedeutsame Änderung z.B. im Beschäftigungsverhältnis aber auch der Beitragsgrundlage sowie Unterbrechungen und den Wiedereintritt des Entgeltanspruches binnen sieben Tagen zu melden hat. Eine Subsumierung des Verhaltens des Berufungswerbers unter die Bestimmung des § 34 Abs 1 ASVG würde somit eine unzulässige Auswechslung der Tat darstellen (vgl. dazu die Vorjudikatur des UVS Steiermark zu Zl. 30.12-51/99). Da somit der Berufungswerber weder eine Übertretung nach § 34 Abs 2 ASVG, noch eine solche nach § 34 Abs 1 ASVG begangen hat, war das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.