TE UVS Wien 2001/08/24 03/M/36/3270/2001

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Veröffentlicht am 24.08.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Wolfgang F, vertreten durch Dr Gerald G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 12.3.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag des Berufungswerbers vom 8.3.2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 7.2.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01 zurückgewiesen wird.

Text

Aus dem von der Erstbehörde vorgelegten erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt (dieser besteht zum Großteil aus Kopien des erstinstanzlichen Aktes zur Zl MBA 2 - S 12178/00) ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 27.9.2000 übermittelte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk dem MBA 2 eine Reihe von Akten (zuständigkeitshalber), weil - so heißt es in einem Vermerk - laut tel Auskunft Aufsteller der Werbeständer die Verlagsgruppe N, Wien, P-straße sei. Laut einem angeschlossen gewesenen Firmenbuchauszug ist der Berufungswerber (Bw) einer von mehreren handelsrechtlichen Geschäftsführern der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH.

Mit Schreiben vom 7.9.2000 hatte die MA 48 dem Magistratischen Bezirksamt für den 5. Bezirk mitgeteilt, dass bezugnehmend auf die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 6.5.1980 betreffend die Freihaltung des Stadtbildes von störenden Werbeständern (Zl MA 7 - 1629/80) die MA 48 am 1.9.2000 14 Werbeständer und am 4.9.2000 15 Werbeständer (siehe die angeschlossene Auflistung) eingezogen habe. Die Tafeln würden von der MA 48 zwischengelagert. Es waren auch Kopien von Fotos (mit unleserlichen handschriftlichen Vermerken) angeschlossen. Mit Schreiben vom 18.9.2000 hatte dann das Magistratische Bezirksamt für den 4./5. Bezirk die MA 48 (bezugnehmend auf deren Anzeige vom 7.9.2000) um ergänzende Angabe der Eigentümer der Werbeständer ersucht, weil ansonsten die Durchführung eines Strafverfahrens nicht möglich sei. Mit Strafverfügung vom 27.10.2000, Zl MBA 2 - S 12178/00 wurde der Bw schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 1.9.2000 um 12.20 Uhr in Wien, S-gasse 1d, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Der Bw habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO in Verbindung mit § 9 VStG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw, vertreten durch Rechtsanwalt Dr G (?Vollmacht erteilt?), fristgerecht Einspruch. In ihrem Schreiben vom 21.11.2000 (?Aufforderung zur Rechtfertigung?) legte die Erstbehörde dem Bw eine Übertretung des § 82 Abs 1 iVm § 99 Abs 3 lit d StVO zur Last, wobei die Tatanlastung mit der in der Strafverfügung vom 27.10.2000 identisch ist. Es wurde dem Bw die Möglichkeit gegeben, zu einem bestimmten Termin bei der Erstbehörde zur Vernehmung zu erscheinen oder sich schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt zu rechtfertigen sowie die seiner Verteidigung dienenden Tatsachen und Beweismittel bekannt zu geben.

In seiner Stellungnahme vom 12.12.2000 brachte der Bw (durch seinen Vertreter Dr G) vor, die Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer er sei, habe mit der Aufstellung der inkriminierten Werbeständer absolut nichts zu tun; sie habe weder diese Aufstellung selbst durchgeführt noch diese veranlasst. Die Anzeige enthalte auch keinen Umstand, aus dem sich die Verantwortlichkeit der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH für die Aufstellung der Werbeständer ergebe. Schon aus diesem Grund gehe der wider ihn erhobene Vorwurf der Verantwortlichkeit als Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH ins Leere, sodass er die Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens beantrage.

Ohne aktenmäßig feststellbare Ermittlungen wurde der Bw in der Folge mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 19.12.2000, Zl MBA 2 - S 12178/00 schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 1.9.2000 um 12:20 Uhr in Wien, S-gasse 1, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Er habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO iVm § 9 VStG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurden die zu ersetzenden erstinstanzlichen Kosten mit ATS 100,-- bestimmt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw zu Handen seines Rechtsanwaltes am 27.12.2000 zugestellt.

Mit Schreiben vom 3.1.2001 erhob der Bw ua gegen dieses Straferkenntnis (durch seinen ausgewiesenen Rechtsanwalt) Berufung. Darin gab er im Wesentlichen an, er habe schon in seinen Stellungnahmen ausgeführt, dass die Verlagsgruppe N-GmbH mit der Aufstellung der inkriminierten Werbeständer absolut nichts zu tun habe. Dem halte die Erstbehörde rechtsirrig entgegen, dass der Täter verpflichtet wäre, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Hier übersehe die Erstbehörde, dass diese Bestimmung des § 5 Abs 1 VStG nur eine Schuldvermutung, nicht aber eine Vermutung, dass der Beschuldigte das Verhalten gesetzt habe, und dass dies rechtswidrig gewesen sei, normiere. Nur in der Frage der Schuld, nicht der objektiven Tatseite oder der Rechtswidrigkeit werde die Beweislast umgekehrt (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 (1999), Rz 745). Die von der Erstbehörde somit vorgenommene Beweislastumkehr sei rechtsirrig erfolgt. Nicht er hätte beweisen müssen, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-GmbH die Tat nicht begangen habe, sondern hätte die Erstbehörde die objektive Tatseite nachweisen müssen. Dieser Nachweis sei der Behörde erster Instanz nicht gelungen. Die Erstbehörde stütze sich lediglich darauf, dass auf den Ständern folgende Adresse angegeben gewesen sei: Verlagsgruppe N, Wien, P-straße. Dies heiße noch lange nicht, dass die Verlagsgruppe N-GmbH die Aufstellung der Ständer durchgeführt bzw veranlasst habe. Die Verlagsgruppe N-GmbH sei nicht Verlegerin der Zeitschrift N. Sie sei eine bloße Beteiligungsgesellschaft, die persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe N-GmbH & Co KG sei. Dieser Berufung waren Firmenbuchauszüge der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH und der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH & Co KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH ist, angeschlossen. Diese Berufung vom 3.1.2001 wurde samt erstinstanzlichem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am 7.2.2001 zur Entscheidung vorgelegt (beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Zl UVS-03/M/43/1223/2001 protokolliert).

In der Folge erging unter einer neuen Geschäftszahl, nämlich MBA 2 - S 1529/01 gegen den Bw eine (weitere) Strafverfügung vom 7.2.2001, mit welcher er schuldig erkannt wurde, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH und diese Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH & Co KG zu verantworten, dass die Verlagsgruppe N-Gesellschaft mbH & Co KG am 1.9.2000 um 12.20 Uhr in Wien, S-gasse 1, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein. Er habe dadurch § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO iVm § 9 VStG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von ATS 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt wurde.

Diese Strafverfügung adressierte die Erstbehörde an den Bw persönlich unter dessen Anschrift in Wien, H-straße, worauf sie laut im Akt erliegenden Rückschein nach zwei erfolglos gebliebenen Zustellversuchen (am 9.2. und 12.2.2001) beim Postamt hinterlegt wurde (Beginn der Abholfrist: 13.2.2001). Die Sendung wurde der Erstbehörde am 5.3.2001 mit dem Vermerk ?nicht behoben? zurückgesendet.

Laut Strafverhandlungsschrift vom 2.3.2001 (ua zur Zl MBA 2 - S 1529/01) wurde Herrn Dr Bertram D (für Dr Gerald G) als Vertreter des Bw der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht, wobei Kopien der Strafverfügung und des Rückscheines angefertigt wurden. Mit Schriftsatz vom 8.3.2001 beantragte der Bw (nach wie vor vertreten durch seinen Rechtsanwalt Dr G) die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ua gegen die Strafverfügung vom 7.2.2001, Zl MBA 2 - 1529/01 und erhob gleichzeitig Einspruch gegen die angeführte Strafverfügung (und drei weitere Strafverfügungen). Unter Punkt III. seiner Eingabe beantragte der Bw, seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung gemäß § 71 Abs 6 AVG zuzuerkennen. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führte der Bw im Wesentlichen aus, die Strafverfügung habe ihm persönlich nicht zugestellt werden können. Der zuständige Postbote habe am 12.2.2001 an seiner Wohnadresse jeweils eine Verständigung über die Hinterlegung hinterlassen, wobei gleichzeitig auch diverses Werbematerial in den Briefkasten gelegt worden sei. Er habe den Inhalt seines Briefkastens in die für ihn persönlich bestimmte Post und in das ihm - im Wege einer Postwurfsendung - zugesandte Werbematerial geteilt. Er habe nicht bemerkt, dass die Hinterlegungsanzeigen zwischen die Werbesendungen bzw in einen Werbefolder ?gerutscht? und damit seinem Blick entzogen gewesen seien. Die an ihn persönlich adressierten Briefe habe er in sein Geschäftsbüro mitgenommen, das Werbematerial hingegen habe er auf den Schreibtisch in seinem privaten Arbeitszimmer gelegt. Drei Wochen nach Deponierung der Hinterlegungsanzeigen, und zwar am 2.3.2001, als er den sich auf seinem Schreibtisch angesammelten ?Stoß? von Werbematerial zur kritischen Durchsicht habe aufarbeiten wollen, seien ihm die Hinterlegungsanzeigen in die Hände gefallen; sie seien in einem mehrseitigen Werbefolder verborgen gewesen. Er habe daraufhin unverzüglich - und zwar weil die Hinterlegungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei - veranlasst, dass sein Rechtsanwalt Dr G bei der Erstbehörde die Strafverfügungen behebe bzw Kopien von diesen anfertigen lasse. Sein Rechtsvertreter sei diesem dringenden Ersuchen sofort (am 2.3.2001) nachgekommen. An der Nichtbehebung der Strafverfügungen innerhalb der Hinterlegungsfrist treffe ihn daher kein Verschulden.

Mit dem nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien angefochtenen Bescheid vom 12.3.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01, wies die Erstbehörde den Antrag des Bw vom 8.3.2001 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 7.2.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01 gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bw fristgerecht Berufung, wobei er näher ausführte, dass seiner Auffassung nach ein Wiedereinsetzungsgrund vorliege.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß (dem nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden) § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 71 Abs 2 leg cit binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Gemäß § 71 Abs 3 AVG hat die Partei im Fall der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die Behauptung eines Rechtsnachteiles, dh die Behauptung, durch eine Fristversäumung eines (zumindest angeblichen) Anspruches verlustig gegangen zu sein. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt daher voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben. Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Schriftstückes (Bescheides oder Ladung) nicht rechtswirksam, dh unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungs- oder sonstigen Rechtsmittelfrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl hiezu die Erkenntnisse des VwGH vom 7.10.1993, Zl 92/01/0864 und vom 29.9.1993, Zl 92/12/0018).

Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs 1 des Zustellgesetzes (ZustG), soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Eine allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung beinhaltet auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken im Sinne des § 9 ZustG. Die Schriftstücke sind bei sonstiger Unwirksamkeit des Bescheides an den bevollmächtigten Vertreter zuzustellen, wobei gemäß § 9 Abs 1 letzter Satz ZustG eine Heilung dieses Zustellmangels dann eintritt, wenn das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 18.8.1994, Zl 93/16/0131, VwSlg 6913 F/1994, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung im Sinne dieser Gesetzesstelle - somit jedenfalls ab Vorliegen einer einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht - hat die Behörde nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht mehr an den Vertretenen zuzustellen; wird stattdessen an den Vertretenen selbst zugestellt, wie im vorliegenden Fall, dann ist diese Zustellung unwirksam. Der Zustellungsfehler gilt im Anwendungsbereich des Zustellgesetzes aber als geheilt, wenn und sobald der dem Vertretenen zu Unrecht übermittelte Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt (vgl zB das Erkenntnis des VwGH vom 6.10.1993, Zl 93/17/0133 ua). Gemäß § 10 Abs 1 AVG können die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

Wie bereits oben näher dargestellt wurde, erließ die Erstbehörde zunächst unter der Zl MBA 2 - S 12178/00 eine mit 27.10.2000 datierte Strafverfügung, mit welcher der Bw schuldig erkannt wurde, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 1.9.2000 um 12:20 Uhr in Wien, S-gasse 1d, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein (Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO). Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw durch seinen Vertreter Dr G fristgerecht Einspruch, wobei dieser (ein Rechtsanwalt) auf die ihm erteilte Vollmacht hinwies. Die Erstbehörde hat dann auch ihre ?Aufforderung zur Rechtfertigung? vom 21.11.2000 und das Straferkenntnis vom 19.12.2000 an den Bw zu Handen seines Rechtsanwaltes Dr G gerichtet. Nachdem der Bw gegen das Straferkenntnis vom 19.12.2000, Zl MBA 2 - S 12178/00 mit Schriftsatz vom 3.1.2001 Berufung erhoben hatte (welche dann zusammen mit dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt zur Zl MBA 2 - S 12178/00 dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung vorgelegt wurde), erging von seiten des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk an den Bw eine weitere Strafverfügung vom 7.2.2001 (mit der Zl MBA 2 - 1529/01). In dieser Strafverfügung wird dem Bw zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-GmbH (diese Gesellschaft sei persönlich haftende Gesellschafterin der Verlagsgruppe

N-Gesellschaft & Co KG) zu verantworten, dass die erwähnte KG am 1.9.2000 um 12:20 Uhr in Wien, S-gasse 1, einen Werbeständer aufgestellt und dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung gewesen zu sein (Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 3 lit d iVm § 82 Abs 1 StVO).

Wie der Unabhängige Verwaltungssenat Wien schon in seinem Berufungsbescheid vom 19.7.2001, Zl UVS-03/M/36/4426/2001 (der dortige Berufungswerber, ein weiterer Geschäftsführer der Verlagsgruppe N-GmbH war ebenfalls durch Rechtsanwalt Dr G vertreten) näher ausgeführt hat, ist eine solche Vorgangsweise der Behörde erster Instanz rechtswidrig und entspricht keinesfalls den Intentionen des § 47 VStG. Auch wurde in dem erwähnten Berufungsbescheid vom 19.7.2001 näher ausgeführt, dass während der Anhängigkeit einer Berufung die Erstbehörde nicht berechtigt ist, in derselben Sache neuerlich zu entscheiden, weil durch die Erhebung der Berufung, wie sich aus § 66 Abs 4 AVG ergebe, die Befugnis zur Entscheidung in der Sache auf die Berufungsbehörde - hier: dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien - übergegangen sei (vgl dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 564f). Zu der Frage, ob die Berufungsbehörde berechtigt sei, die Gesellschaft, für welche der Beschuldigte verwaltungsstrafrechtlich in Anspruch genommen werde, abzuändern oder nicht, wurde in dem Berufungsbescheid vom 19.7.2001 Folgendes ausgeführt:

?Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die genannte Bestimmung legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, sie normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen

Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der Sache des Berufungsverfahrens nicht stattfindet, was auch für den Fall gilt, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, sondern als Inhaber eines Einzelunternehmens zugerechnet werden können (vgl zB die Erk vom 30.6.1994, 94/09/0035 und vom 23.11.1982, 81/11/0097). Nichts anderes wird auch im vorliegenden Fall zu gelten haben. Dass der Bw allenfalls tatsächlich als nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person für eine andere Gesellschaft als jene in Anspruch genommen wird, für welche er im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 16.1.2001 verantwortlich gemacht worden war, würde eine unzulässige Änderung des Tatvorwurfes oder eine Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG nicht darstellen (vgl dazu das Erk des VwGH vom 29.6.1995, Zl 94/07/0178).?

Dem Bw wurde in dem von der Erstbehörde zur Zl MBA 2 - S 12178/00 geführten Verwaltungsstrafverfahren eine Übertretung des § 82 Abs 1 iVm § 99 Abs 3 lit d StVO zur Last gelegt, wobei die Strafverfügung vom 27.10.2000 (und auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.11.2000 und das Straferkenntnis vom 19.12.2000) eine bestimmte Tatzeit, einen ausreichend konkretisierten Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die angelastete Tat verletzten Verwaltungsvorschrift enthielt. Die Frage der Verantwortlichkeit des von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Bw ist nicht Sachverhaltselement der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der Strafverfügung vom 7.2.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01 nicht um dieselbe Angelegenheit handelt, über die zuvor schon unter einer anderen Geschäftszahl (nämlich Zl MBA 2 - 12178/00) von der Erstbehörde ein Verwaltungsstrafverfahren geführt worden ist (und welches zum Straferkenntnis vom 19.12.2000 geführt hat). Es besteht daher kein Zweifel daran, dass auch das von der Erstbehörde ?eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren zur Zl MBA 2 - S 1529/01? von der Vertretungsbefugnis des für das ?Erstverfahren zur Zl MBA 2 - S 12178/00? Bevollmächtigten erfasst gewesen ist. Dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt kann auch nicht entnommen werden, dass der Erstbehörde etwa bis zur Erlassung der Strafverfügung vom 7.2.2001 eine Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses bekannt gegeben worden wäre.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die von der Erstbehörde veranlasste direkte Zustellung der Strafverfügung vom 7.2.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01 an den Bw jedenfalls unwirksam war, weil im Zeitpunkt der Zustellung dieser Strafverfügung der Bw der Behörde gegenüber (in dieser Rechtsangelegenheit) durch den Rechtsanwalt Dr G vertreten war. Die Zustellung der Strafverfügung vom 7.2.2001 an den Bw selbst war bei dieser Sachlage rechtsunwirksam und vermochte nicht den Lauf der Einspruchsfrist auszulösen.

Wie aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt hervorgeht, wurde am 2.3.2001 Herrn Dr D (von der Rechtsanwaltskanzlei Dr G) - als Vertreter des Bw - der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und diesem eine Kopie der Strafverfügung ausgehändigt. Die bloße Kenntnisnahme von einem Bescheid durch Akteneinsicht ist kein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 9 Abs 1 ZustG. Dies gilt auch für die anlässlich einer Akteneinsicht oder eines Aktenvorhaltes angefertigte Aktenkopie, in der sich auch eine Kopie des Bescheides (hier: der Strafverfügung) befindet. Daraus folgt, dass eine Heilung des Zustellmangels nicht erfolgt ist und die Strafverfügung vom 7.2.2001 bisher nicht wirksam erlassen worden ist.

Da nach dem Gesagten mangels wirksamer Zustellung der Strafverfügung vom 7.2.2001 die Einspruchsfrist, gegen deren Versäumung der Bw Wiedereinsetzung begehrt hat, gar nicht zu laufen begonnen hat, war sein Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen (vgl in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des VwGH vom 27.6.2000, Zl 99/11/0193).

Ausgehend von diesen Überlegungen war daher der Berufung gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 12.3.2001, Zl MBA 2 - S 1529/01 keine Folge zu geben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wird (vgl dazu die Erkenntnisse des VwGH vom 25.11.1999, Zl 99/15/0118 und vom 12.11.1996, Zl 95/19/0392).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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