TE Vfgh Beschluss 1998/12/1 G471/97

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Veröffentlicht am 01.12.1998
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
FührerscheinG §7
FührerscheinG §26
FührerscheinG §37
FührerscheinG §39

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des FührerscheinG betreffend Entziehung der Lenkberechtigung mangels tatsächlicher Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen bzw infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. Februar 1997 wurde über den nunmehrigen Antragsteller eine Geldstrafe von S 4.000,-, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche verhängt, weil er am 24. Mai 1996 um 7.20 Uhr im Ortsgebiet Höhnhart auf der L 503 bei Strkm 19.200 mit einem Pkw die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 52 km/h überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §20 Abs2 iVm. §99 Abs3 lita StVO 1960 begangen habe. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Antragsteller Berufung.

1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 21. November 1997 eingelangten Antrag begehrt der Einschreiter die gänzliche bzw. teilweise Aufhebung der §§7 Abs3 Z4, 26 Abs8 sowie 39 Abs1 sowie die Aufhebung der gesamten Ziffer 1 des §37 Abs4 FSG 1997 und der Wortfolge bzw. des Passus "20," im §37 Abs5 FSG 1997, jeweils in der Stammfassung BGBl. I 1997/120, als verfassungswidrig.

Die Bundesregierung bestreitet in einer Äußerung die Zulässigkeit des Antrages und verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen.

2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:

2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausführte, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß dem Antragsteller bislang wegen der oben genannten Geschwindigkeitsüberschreitung die Lenkberechtigung nicht entzogen wurde. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind daher für den Antragsteller tatsächlich nicht wirksam geworden. Der Antrag ist sohin schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Aber auch dann, wenn aufgrund eines Strafbescheides erster Instanz ein Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung gegen den Antragsteller eingeleitet worden wäre, wäre der Antrag zurückzuweisen, weil es an einem "unmittelbaren" Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers fehlen würde, stünde doch dem Antragsteller zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich nämlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. In einem allfälligen Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung muß es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Führerschein, seit FührerscheinG BGBl I 120/1997 siehe auch Lenkberechtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G471.1997

Dokumentnummer

JFT_10018799_97G00471_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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