Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Heinz B, vertreten durch Herrn Günther M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 3.4.2001, Zl S 54.240/S/00, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen der Übertretung des § 102 Abs 5 lit c KFG richtet, Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 2.) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 3.4.2001, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe am 20.4.2000 um 03:43 Uhr in Wien, S-gasse, als Lenker des KKW mit dem behördlichen Kennzeichen ZT-13 1.) die Probefahrtkennzeichen vorschriftswidrig verwendet und 2.) die Probefahrtkennzeichen missbräuchlich verwendet, weil er keinen Probefahrtschein mitgeführt habe. Der Bw habe dadurch ad 1.) § 45 Abs 1 KFG und ad 2.) § 102 Abs 5 lit c KFG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Bw gemäß § 134 KFG zwei Geldstrafen zu je ATS 1.000,-- (zwei Ersatzfreiheitsstrafen zu je 60 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit insgesamt ATS 200,-- bestimmt. Gegen dieses Straferkenntnis erhob Herr Günther M im eigenen Namen und im Namen seines Fahrers Heinz B Berufung (von ihm fälschlicherweise als ?Einspruch? bezeichnet). Zur Begründung wurde vorgebracht, die Probefahrtkennzeichen seien nicht vorschriftswidrig benützt worden, weil es sich um eine Fahrzeugüberstellung gehandelt und sich keine Ladung auf dem Lkw befunden habe. Der Fahrer habe den Lkw auf das Bahngelände überstellt und sei von dort mit einem anderen Lkw weitergefahren. Die Beamten hätten auch behauptet, dass Probefahrtkennzeichen nicht um 03:43 Uhr verwendet werden dürften; davon spreche jedoch niemand mehr. Außerdem sei betont, dass die Beamten das Fahrtenbuch, in welchem die Probefahrt eingetragen gewesen sei, nicht hätten sehen wollen. Die Probefahrtkennzeichen seien nicht missbräuchlich verwendet worden, da der Fahrer den Probefahrtschein (Zulassungsschein) sehr wohl mitgeführt habe und die Beamten die Daten der Probefahrtkennzeichen und seiner Firma daraus abgeschrieben haben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 11.6.2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Bw teilnahm. Zunächst stellte er klar, dass er Herrn M schon im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens als seinen Vertreter bevollmächtigt gehabt habe und diese Vollmacht für das gesamte Verfahren gelte. Dass an ihn persönlich zugestellte Straferkenntnis habe er seinem Chef weitergegeben. Bei seiner Einvernahme als Beschuldigter gab er Folgendes an:
?Ich habe das Fahrzeug am Vortag, also am 19.4. in H übernommen und bin damit zu mir nach Hause gefahren und habe es dort über Nacht stehen gelassen. Am 20.4.2000 bin ich dann in der Früh mit dem Fahrzeug von mir zu Hause im 14. Bezirk zum Nordwestbahnhof gefahren und sollte ich dort das Fahrzeug im Auftrag meines Chefs abstellen. Den Schlüssel sollte ich beim dortigen Disponenten abgeben. Ich habe dort einen anderen Lkw von der Firma M übernommen, der schon am Bahnhof gestanden ist, diesen habe ich beladen und habe ich meine Fahrten durchgeführt. Der Probefahrtschein den ich auch den einschreitenden Beamten vorgelegt habe, müsste noch bei der Firma M vorhanden sein und kann dieser vorgelegt werden. Außer den von mir vorgelegten Probefahrtschein gibt es nichts anderes, da für einen nicht zugelassenen Lkw noch kein Zulassungsschein existiert. Das Fahrtenbuch für die Probefahrten habe ich mitgehabt. Ich habe den Beamten gesagt, dass ich nur das mithabe, was ich vorgezeigt habe und hat mir mein Chef gesagt, dass dies ohnedies der Probefahrtschein sei. Der Probefahrtschein hat auch eine gelbe Farbe und schaut genau so aus wie ein Zulassungsschein.?
Vom Bw wurde auf eine weitere Verhandlung verzichtet. Er übermittelte noch am 11.6.2001 eine Kopie des erwähnten Probefahrtscheines.
Über ha Ersuchen übermittelte die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt - Zulassungsreferat, zwei Probefahrtscheinmuster. Der beiliegende blaue Probefahrtschein sei bis zum 6.12.1999 durch das Verkehrsamt ausgestellt worden. Bestehe nun eine Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten, so werde der gelbe Probefahrtschein von den Zulassungsstellen mit den notwendigen Daten versehen und dann ausgefolgt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat am 16.7.2001 den Meldungsleger (Herrn Insp H) als Zeugen einvernommen. Dieser gab dabei Folgendes an:
?Ich kann mich noch an den gegenständlichen Vorfall erinnern. Da der gegenständliche Lkw um 3.00 Uhr Früh ein Probefahrtkennzeichen gehabt hat, ist uns dies verdächtig vorgekommen und haben wir das Fahrzeug angehalten. Wir führten eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durch. Der Lenker hat uns seinen Führerschein vorgewiesen. Bezüglich des Fahrzeuges haben wir die Daten direkt vom Fahrzeug abgeschrieben; es waren auch keine Aufschriften auf dem Fahrzeug (nach § 27 KFG). Die Farbe des Probefahrtscheines war mir damals noch nicht bekannt. Der Probefahrtschein ist gleich wie ein Zulassungsschein. Während ich die Daten aufgeschrieben habe, haben meine beiden Kollegen (ich war damals Polizeischüler) die Amtshandlung mit dem Lenker fortgeführt.
Der Lenker sagte uns gegenüber, er sei vom Chef zum Bahnhof geschickt worden, um Verladearbeiten durchzuführen. Die näheren Daten hat mir der Lenker mündlich mitgeteilt und hat er mir dazu kein Papier bezüglich des Fahrzeuges vorgewiesen. So habe ich etwa die Ortschaft nicht genau verstanden und G in der Anzeige hineingeschrieben gehabt.
Mir ist ein gelber Probefahrtschein nicht vorgewiesen worden. Nach dem Probefahrtschein ist gleich zu Beginn der Amtshandlung gefragt worden.
Über Vorhalt der Niederschrift des Bw am 30.11.2000, gebe ich an, dass wir die Amtshandlung beim Anhalteort beendet haben und keine Kollegen verständigt haben.?
Eine Kopie der Niederschrift über die Zeugeneinvernahme vom 16.7.2001 wurde dem Bw übermittelt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 2.8.2001 teilte Herr Günther M mit, dass seine im eigenen Namen erhobene Berufung zurückgezogen werde; gleichzeitig ziehe er - als Vertreter des Bw - die Berufung zu Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses zurück.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Mit Schreiben vom 2.8.2001 hat der Vertreter des Bw die Berufung hinsichtlich des Spruchpunktes 1.) zurückgezogen. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist daher, soweit es die Übertretung nach § 45 Abs 1 KFG betrifft, bereits in Rechtskraft erwachsen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hatte somit nur mehr über die Berufung, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen der Übertretung des § 102 Abs 5 lit c KFG richtet, zu entscheiden.
Dem § 45 Abs 1 KFG zufolge sind Probefahrten Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten nach dieser Bestimmung auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. oder V. Abschnitt. Gemäß § 45 Abs 4 zweiter Satz leg cit dürfen Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs 3) nur bei Probefahrten geführt werden.
Gemäß § 102 Abs 5 lit c KFG hat der Lenker auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen bei Probefahrten den Probefahrtschein (§ 45 Abs 4) und auf Freilandstraßen (§ 2 Abs 1 Z 16 StVO) und an Sonn- und Feiertagen die Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt (§ 45 Abs 6). Bei Betrieben, die außerhalb des Ortsgebietes (§ 2 Abs 1 Z 15 StVO) liegen, muss diese Bescheinigung nur an Sonn- und Feiertagen mitgeführt werden. Im vorliegenden Fall wurde der Bw (siehe die Anzeige vom 25.4.2000) wegen vorschriftswidriger Benützung von Probefahrtkennzeichen (§ 45 Abs 1 KFG) und wegen Nichtmitführens des Probefahrtscheines (§ 102 Abs 5 lit c KFG) zur Anzeige gebracht. Festzuhalten ist zunächst, dass die Spruchfassung im angefochtenen Straferkenntnis vom 3.4.2001 als sprachlich missglückt bezeichnet werden muss. So wird etwa ein Probefahrtkennzeichen nicht allein deshalb missbräuchlich verwendet, weil kein Probefahrtschein mitgeführt wird. Vielmehr hat nach § 102 Abs 5 lit c KFG - bei Vorliegen einer Probefahrt - der Lenker auf Fahrten den Probefahrtschein (§ 45 Abs 4) mitzuführen und auf Verlangen den Straßenaufsichtsorganen zur Überprüfung auszuhändigen. Der Bw wurde (mit dem in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses) einer Übertretung des § 45 Abs 1 KFG schuldig erkannt, weil er am Tatort zur Tatzeit ein der Nummer nach bestimmtes Probefahrtkennzeichen vorschriftswidrig verwendet habe (wohl infolge Nichtvorliegens einer Probefahrt im Sinne des Gesetzes). Die Erstbehörde ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass eine vorschriftswidrige (missbräuchliche) Verwendung von Probefahrtkennzeichen gegen die Vorschrift des § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG verstößt, wonach Probefahrtkennzeichen nur für Probefahrten geführt werden dürfen (vgl dazu das Erkenntnis des VwGH vom 7.3.1977, Zl 1631/76). Wenn dem Bw (unter Spruchpunkt 1.)) die vorschriftswidrige Verwendung eines Probefahrtkennzeichens infolge Nichtvorliegens einer Probefahrt im Sinne des Gesetzes zum Vorwurf gemacht wird (wobei dieser Spruchpunkt infolge Zurückziehung der Berufung in diesem Punkt in Rechtskraft erwachsen ist), so kann der dem Bw unter Spruchpunkt 2.) erhobene Tatvorwurf, iSd § 102 Abs 5 lit c KFG keinen Probefahrtschein mitgeführt zu haben (der weitere Vorwurf, er habe dadurch das Probefahrtkennzeichen missbräuchlich verwendet, ist - wie oben erwähnt - überhaupt verfehlt), nicht aufrechterhalten werden. Wenn eben nach den zutreffenden Feststellungen der Erstbehörde gar keine Probefahrt vorgelegen ist, so kann dem Bw folgerichtig nicht (auch) zum Vorwurf gemacht werden, er habe bei ?einer Probefahrt den Probefahrtschein? nicht mitgeführt.
Soweit der Bw daher wegen seines Verhaltens auch einer Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs 5 lit c KFG schuldig erkannt wurde, erweist sich das angefochtene Straferkenntnis als inhaltlich rechtswidrig, weshalb der Berufung insoweit Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt
2.) zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit spruchgemäß einzustellen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 65 VStG.