Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch das Mitglied Dr. Karl Trenkwalder über die Berufung des Herrn G., vertreten durch P., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 31.08.2000, Zahl St-V- 2660/00, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben.
Gemäß § 64 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S 300,-- (EUR 21,80) zu zahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber eine Geldstrafe von S 1.500,-- (EUR 109,01), Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden, auferlegt, weil er am 20.02.2000 um 16.17 Uhr den Linienbus der Innsbrucker Verkehrsbetriebe I. in Thaur, Solegasse, in östlicher Richtung gelenkt und dabei das Vorrangzeichen ?Vorrang geben? missachtet hat, da er in die Dörferstraße eingefahren ist und der Lenker eines Patrouillenfahrzeuges, der auf der Dörferstraße in Richtung Osten fuhr, stark abbremsen und nach rechts ablenken musste, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde zunächst gerügt, dass der angebotene Zeuge M. nicht einvernommen worden sei; dessen Aussage wäre nämlich geeignet gewesen zu beweisen, dass ein Vorrangverstoß nicht stattgefunden habe. Darüber hinaus habe auch der Zeuge Schönlaub angegeben, das Gendarmeriefahrzeug habe ohne Probleme am Bus vorbeifahren können, da der Buslenker stehen geblieben sei. Durch das ?Hineintasten? in den Kreuzungsbereich hätte der Lenker des Gendarmeriefahrzeuges offensichtlich im Wege einer Überreaktion ein zu heftiges Bremsmanöver durchgeführt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat der Berufungswerber wie folgt ausgeführt:
?Richtig ist, dass ich am 20.02.2000 gegen 16.17 Uhr den Linienbus der IVB I. in Thaur auf der Solegasse in östliche Richtung gelenkt habe. Vor der Kreuzung mit der Dörferstraße habe ich mein Fahrzeug zum Stillstand gebracht. Ich habe in dem dort angebrachten Verkehrsspiegel, der allerdings wahrscheinlich wegen der Jahreszeit (Februar) angelaufen war, ein Fahrzeug bemerkt, dass sich auf der Dörferstraße der Kreuzung in östliche Richtung genähert hat. Die Sicht bei Einfahrt in die Kreuzung ist zusätzlich durch die im dortigen Zwickel befindliche Kapelle eingeschränkt. Ich habe mich langsam in die Kreuzung eingetastet und habe bemerkt, dass die Geschwindigkeit des anderen Fahrzeuges sich verlangsamt hat und war der Meinung, dass er mir die Vorfahrt einräumen würde. Dies war aber nicht der Fall. Ich habe daher mein Fahrzeug zum Stillstand gebracht.
Unmittelbar im Kreuzungsbereich ist an der südlichen Seite der Dörferstraße - es gibt dort einen Betrieb - eine Mauer mit einer Länge von ca 3 - 4 m. Ein Ausweichen wäre nur vor dem Kreuzungsbereich, sohin vor Beginn dieser Mauer, nach rechts in die Wiese möglich, wenn sie ein Fahrzeug von der Dörferstraße der Kreuzung nähert und ausweichen muss. Der Gendarmeriebeamte - ich habe erst jetzt erkannt - dass es sich um ein Gendarmeriefahrzeug handelt - hat herausgestikuliert, ist aber nicht stehen geblieben, sondern weiter gefahren. Erst bei der nächsten Haltestelle in der Nähe der Abzweigung Richtung Heiligkreuz ist das Gendarmeriefahrzeug stehen geblieben und ich wurde dann von einem der Beamten aufgehalten. Ich möchte noch ergänzen, dass das Gendarmeriefahrzeug vor mir gefahren ist und daher auf jeden Fall vorbeigekommen sein muss an meinem Bus. Im Zuge der Anhaltung hat einer der Beamten mir gegenüber zum Ausdruck gebracht: ?Ihr IVB-ler glaubt wohl, dass ihr alles machen könnt!?. Auf meine Frage, ob ich denn nicht stehen geblieben sei, habe ich keine Antwort erhalten. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass dort die Autofahrer - auch die Gendarmeriefahrzeuge - mir häufig den Vorrang einräumen, weil sie wissen, dass der dortige Kreuzungsbereich sehr unübersichtlich ist. Einer der Fahrgäste hat mir seinen Namen und seine Anschrift bekannt gegeben und gesagt, dass er mir Zeuge dafür machen würde, dass ich tatsächlich stehen geblieben sei. Die Bemerkung ?Im Übrigen sei es ein Vorgang im Gehirn (mit Fingerzeigen an die Stirn und kreisförmigen Drehen), dass man einem Bus immer die Vorfahrt lasse? ist von meiner Seite nicht gefallen.
Über Frage der Rechtsvertreterin:
Ich wiederhole, dass ich stehen geblieben bin und dem Gendarmeriefahrzeug die Vorfahrt eingeräumt habe und zwar in dem Augenblick, als ich es bemerkt habe.
Das Gendarmeriefahrzeug ist nicht stehen geblieben; es hat seine Fahrgeschwindigkeit wohl verlangsamt, ist aber dann richtungsbeibehaltend weiter gefahren. Erwähnen möchte ich noch, dass mir das Gendarmeriefahrzeug von der genannten Haltestelle, an der die Amtshandlung durchgeführt wurde, nachgefahren ist, bis ich die gesamte Runde Absam - Eichat absolviert habe und wieder auf dem Retourweg an dieser Haltestelle angelangt bin. Erwähnen möchte ich auch noch, dass der Gendarmeriebeamte gegenüber unserem Leitstellenleiter M. erwähnt hat ?Stehen geblieben ist er schon, aber nicht gern.?
Der als Zeuge einvernommene Meldungsleger Bez.Insp. H. hat im Zuge der mündlichen Verhandlung folgende Darstellung des Vorfalles gegeben:
?Der Berufungswerber ist mir bis zur besagten Amtshandlung überhaupt nie zu Gesicht gekommen. Erst seit diesem Zeitpunkt habe ich mit ihm zu tun gehabt. Ich habe die gegenständliche Anzeige verfasst. Zu Zwecken der Auffrischung der Erinnerung habe ich mir die Anzeige vorher wieder durchgesehen. Die Erinnerung an den Vorfall ist mir dabei wiedergekommen. Wenn mir meine Zeugenaussage bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 09.05.2000 vorgehalten wird, so gebe ich an, dass ich mich daran erinnern kann, dort angegeben zu haben, dass ich das Dienstfahrzeug so stark abbremsen musste, dass sogar vom Rücksitz die dort liegenden Sachen auf den Boden gefallen sind. Wenn mir die Skizze von der Einmündung der Solegasse in der Dörferstraße gezeigt wird und die Position, die der Berufungswerber für den Bus gewählt hat, so gebe ich an, dass diese Position nicht richtig ist. Ich zeichne mit blauem Kugelschreiber die tatsächliche Position des Busses ein. Es war so, dass der vordere Teil des Busfahrzeuges erkennbar über der Mittellinie der Dörferstraße war und erst dort zum Stillstand gekommen ist. Ich konnte zunächst nicht vorbeifahren. Es wäre wohl gegangen unter Verwendung des Banketts, was ich letztlich auch gemacht habe. Allerdings erst, nachdem ich den Beginn der Amtshandlung durchgeführt habe. Ich habe zunächst die Scheibe heruntergekurbelt, der Berufungswerber hat die Bustür geöffnet und hat dann rübergeschrien, ob wir nicht wissen, dass ein Bus da die Vorfahrt hat. Dabei machte er die kreisförmigen Bewegungen mit einem Finger vor seinem Kopf. Er sagte dann, dass er eh stehen geblieben sei. Ich habe ihn dann gefragt, ob er nicht sehe, dass man da nicht mehr vorbeifahren könne. Er hat dann gesagt, er habe einen ganzen Bus voller Zeugen, dass er stehen geblieben sei. Ich habe ihn in der Folge aufgefordert, bei der nächsten Haltestelle zu warten, um dort die Amtshandlung fortzusetzen. Dies war dann auch der Fall. Ich habe ihm ein Organmandat von S 500,-- angeboten, der Berufungswerber war jedoch mit der Bezahlung des Organmandates nicht einverstanden und hat gesagt, ich solle die Anzeige machen. Es ist richtig, dass ich in etwa die gleiche Runde gefahren bin wie der Bus und dann, an der ursprüngliche Anhaltungsstelle eine andere Route eingeschlagen habe. Es hat sich um eine Patrouillenfahrt gehandelt und wir fahren bei diesen Patrouillenfahrten oft jemanden nach.
Hingewiesen auf die Aussage des Zeugen S. vom 26.04.2000, wonach ich ohne Probleme am Bus vorbeifahren hätte können, weise ich darauf hin, dass ich sehr gut einschätzen kann, ob so etwas möglich ist oder nicht; ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass ich vorbei fahren konnte und habe die dabei aufgetretenen Schwierigkeiten ebenfalls zu Protokoll gegeben.
Über Vorhalt der anders lautenden Verantwortung des Berufungswerbers, dass es zu einem Gespräch erst bei der Haltestelle gekommen ist:
Dies trifft nicht zu. Bereits an Ort und Stelle, sohin im Kreuzungsbereich, habe ich in der von mir geschilderten Weise Kontakt mit dem Berufungswerber aufgenommen.
Über Vorhalt des Gespräches mit Herrn M.. Ich glaube schon, dass ich dieses Gespräch geführt habe. Wenn ich nach diesem Gespräch zugegeben haben soll, dass der Busfahrer ?ja eh? stehen geblieben ist, so kann dies durchaus zutreffen, weil er ja tatsächlich zum Stehen gekommen ist. Ich habe bei Herrn M. deshalb angerufen, weil ich gefragt habe, ob es üblich sei, dass die Busfahrer überall die Meinung vertreten, dass auch im Falle der Abwertung sie den Vorrang haben. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass entsprechende Schulungen die Bedeutung des Vorfahrtszeichens klarstellen könnten.
Über Frage des Berufungswerbers:
Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass ich bereits im Kreuzungsbereich ausgestiegen und Kontakt mit dem Berufungswerber aufgenommen habe, wie bereits zu Protokoll gegeben.?
Von der beantragten Einvernahme der Zeugen S. und M. wurde Abstand genommen; der Zeuge S. hat im Zuge seiner Einvernahme am 26.04.2000 ausgesagt, er könne nicht sagen, wo der Bus genau zum Stehen gekommen sei, sondern lediglich, dass es dem Gendarmeriefahrzeug ohne Probleme möglich gewesen sei, vorbeizufahren.
In der Stellungnahme vom 19.07.2000 wurde auf ein Telefonat zwischen dem einschreitenden Gendarmeriebeamten und dem Sachbearbeiter bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben, Herrn M., hingewiesen und ausgeführt, der einschreitende Gendarmeriebeamte hätte gegenüber Herrn M. zugestanden, dass der Berufungswerber seinen Bus im Kreuzungsbereich angehalten habe. Die Behauptung des Berufungswerbers in seiner Berufung, anlässlich dieses Telefonates habe Herr M. ihm gegenüber zugestanden, dass ein Vorrangverstoß nicht stattgefunden habe, widerspricht insoweit der angeführten Stellungnahme. Darüber hinaus wurde auch nicht behauptet, dass der angeführte Zeuge in der Lage sei, exakte Angaben darüber zu machen, wo der Bus genau zum Stehen gekommen sei.
Nach § 19 Abs7 StVO darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.
Die Berufungsbehörde hat der Darstellung des Zeugen Bez.Insp. K. Glauben geschenkt, wonach der Bus erst über der Mittellinie der Dörferstraße zum Stehen gekommen ist und dass es dem Zeugen unter Benützung des Bankettes möglich war, am Bus vorbeizufahren. Darüber hinaus hatte die Berufungsbehörde auch keine Bedenken daran, der Aussage des angeführten Zeugen dahingehend zu Folgen, dass der Berufungswerber im Zuge des Vorfalles tatsächlich dem Gendarmeriebeamten gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Bus hier die Vorfahrt habe. Bedenken an der Aussage des Meldungslegers bestanden vor allem auch deshalb nicht, weil der Zeuge zum Berufungswerber fremd ist und sich im durchgeführten Verfahren darüber hinaus auch nicht ansatzweise irgendwelche Hinweise dafür ergeben haben, dass der Meldungsleger im Zuge seiner Amtshandlung und Wiedergabe des Vorgefallenen andere als dienstliche Interessen verfolgt haben könnte; solches wurde zudem auch vom Berufungswerber selbst nicht behauptet oder in den Raum gestellt.
Es ist daher erwiesen, dass der Berufungswerber den Zeugen Bez.Insp. K. im Zuge des Einfahrens in den Kreuzungsbereich zum unvermittelten Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt hat.
Zur Strafbemessung:
Der Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung liegt in der Nichtbeachtung einer Norm im Interesse einer möglichst sicheren Verkehrsabwicklung, das Verschulden war in Form des Vorsatzes gegeben, wie die Reaktion des Berufungswerbers (?Ein Bus hat hier nur Vorfahrt?) zu entnehmen ist. Als mildernd wurde bei der Strafbemessung die bisherige Unbescholtenheit gewertet, als erschwerend die vorsätzliche Begehungsweise.
Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung und dem Verschulden, wie auch wirtschaftlich allenfalls ungünstigen Verhältnissen des Berufungswerbers.
Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.