TE UVS Steiermark 2001/09/25 303.15-21/2001

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Veröffentlicht am 25.09.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Gerhard Wittmann, Dr. Renate Merl und Dr. Cornelia Meixner über die Berufung des Herrn O S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R H, J, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 28.5.2001, GZ.: 15.1 2615/1999, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Im Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma S GesmbH mit dem Sitz in J, eine Übertretung des § 87 Abs 3 BauV zur Last gelegt, da die Arbeitnehmer W und G E, We H und M K am 22.5.1999 auf der Baustelle in T Nr 4, Gemeinde Ma B F Dachdeckungsarbeiten in mehr als sechs Meter Höhe bei einer Dachneigung von mehr als 20 Grad ohne Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste durchgeführt haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 130 Abs 5 Z 1 ASchG eine Geldstrafe von S 30.000,-- verhängt. In seiner dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Beschuldigte ein, es seien auf der gegenständlichen Baustelle immer Dachschutzblenden verwendet worden. Diese hätten jedoch am Tattag auf Grund der vorherrschenden Witterung (es fing immer wieder zu regnen an) abmontiert werden müssen, um das Dach mit Planen abdecken zu können. Während dieser Arbeiten seien sämtliche auf dem Dach beschäftigte Arbeitnehmer jedoch immer mit Gurt und Seil gesichert gewesen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Punkt 1.) eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt und entscheidet daher über die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 51 c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat als Kammer. Wegen des sachlichen Zusammenhangs wurde dieses Verfahren mit den Verfahren GZ: UVS 30.15-47/2001 und GZ: 30.15-46/2001 (betreffend zwei Übertretungen des KJBG) gemäß § 51 e Abs 7 VStG zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 25.9.2001 wird nach Einvernahme des Berufungswerbers, sowie der Zeugen He Gr, Hel D, RI Ka Mr, M K, G und W E, sowie U Bi unter Verwertung der in der Verhandlung vorgekommenen Urkunden, insbesondere der Tatortfotos nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Die S GesmbH hatte den Auftrag, beim Wohnhaus der Familie Bi in T Nr 4 die Hälfte des bestehenden Wohnhauses neu einzudecken. Zuvor hatten die Bauherrn in Eigenregie diverse Vorarbeiten (Abbruch der gesamten alten Dacheindeckung und Herstellung einer Unterkonstruktion für eine Dacherweiterung im Giebelbereich) selbst durchgeführt. Der Berufungswerber kalkulierte die Dauer der Arbeiten mit fünf Tagen, beginnend am Montag vor dem Unfall des Herrn K, welcher sich am Samstag, den 22.5.1999 ereignete. Aus diesem Grund wurde auch keine Baustellenmeldung gemäß § 3 Bauarbeiterschutzverordnung erstattet. Von Montag bis Freitag arbeitete zunächst der Vorarbeiter G E mit We H auf der Baustelle. Als die Arbeiten unter anderem wegen des Schlechtwetters, welches während der Woche geherrscht hatte, am Freitag, den 21.5.1999 noch nicht abgeschlossen waren und die Bauherren auf eine rasche Fertigstellung drängten, stellte der Berufungswerber anlässlich einer Baustellenbesprechung am Freitag eine freiwillige Arbeiterpartie für den Pfingstsamstag zusammen. Es meldeten sich für diesen Tag zusätzlich W E und der Lehrling K, letzterer wurde für Aufräumarbeiten im Bodenbereich und die Bedienung des Baustellenaufzuges eingeteilt. Dabei vergaß der Berufungswerber, dem Arbeitsinspektorat zu melden, dass die Arbeiten auf der gegenständlichen Baustelle nunmehr voraussichtlich länger als fünf Tage dauern würden. Tatsächlich abgeschlossen wurden die Arbeiten am Dienstag oder Mittwoch nach dem Unfall. Am Samstag, den 22.5.1999 arbeiteten G und W E, sowie We H auf dem Dach, wobei der jeweilige Arbeitsbereich, wie auch an den Tagen zuvor, mit Dachschutzblenden abgesichert war. An diesem Tag war das Wetter wechselhaft und mussten die Arbeiten mehrmals unterbrochen werden, wobei die abgedeckte Dachfläche mit Planen zugedeckt wurde. Kurz vor dem Unfall des Herrn K, welcher sich gegen 14.50 Uhr ereignete, begann es wieder zu regnen und beschloss der Vorarbeiter G E, die Arbeiten für diesen Tag einzustellen. Es wurden daher die Dachschutzblenden letztmalig abmontiert, und über eine Anlehnleiter, welche unmittelbar neben dem Arbeitsbereich am Dach aufgestellt war (roter Pfeil auf dem Foto Nr 5 im Gerichtsakt) hinuntertransportiert und am Boden neben dem Nebengebäude (teilweise abgebildet auf den Fotos Nr 2 und 3 im Gerichtsakt) zwischengelagert. Die zu diesem Zeitpunkt gerade in Arbeit befindliche Dachfläche befand sich im Bereich des Dachsaumes. Das Entfernen der Schutzblenden war erforderlich, um die Abdeckplanen über die Regenrinne hinausziehen zu können, um solcherart das Eindringen des Regenwassers in den Dachraum zu verhindern. Zu dem Zeitpunkt, als der Lehrling K von der Anlehnleiter abstürzte (siehe dazu die ergänzenden Feststellungen in den Parallelakten) war die übrige Arbeiterpartie auf dem Dach damit beschäftigt, die Abdeckplanen anzubringen und hatten sich die Arbeiter bei Durchführung dieser Arbeiten mit Gurt und Seil abgesichert. Beweiswürdigung: Die entscheidungswesentlichen Feststellungen, dass am Tattag Dacheindeckungsarbeiten im Bereich des Dachsaumes durchgeführt wurden, die Schutzblenden zum Zwecke des Abplanens entfernt werden mussten und die Arbeitnehmer während der Durchführung dieser Arbeiten angeseilt waren, gründen sich auf die in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben der einvernommenen Arbeitnehmer, sowie weiters der Zeugin U Bi und vor allem auf die Tatortfotos. So ist insbesondere auf den im Gerichtsakt befindlichen Fotos Nr 5 und 7 erkennbar, dass sich unmittelbar im Bereich der Absturzstelle auf dem Dach ein am Kamin befestigtes Seil mit Seilstopper befindet. Weiters hat auch der als Zeuge einvernommene Meldungsleger RI Mr ausgesagt, er glaube sich daran erinnern zu können, dass zumindest einer der von ihm im Zuge der Unfallserhebung befragten Arbeitnehmer einen Gurt umgeschnallt hatte. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die befragten Arbeitnehmer D und K, auf Grund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Berufungswerber möglicherweise versucht haben diesen zu decken, kann vor diesem Hintergrund nicht als erwiesen angenommen werden, dass die zum Unfallszeitpunkt auf dem Dach befindlichen Arbeitnehmer völlig ungesichert, dh ohne Absturzsicherungen gemäß § 87 Abs 3 Bauarbeiterschutzverordnung und ohne Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung tätig waren, zumal die beiden nicht mehr beim Unternehmen beschäftigten Zeugen G E und W E Gleiches angaben. Rechtliche Beurteilung: Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber eine Übertretung des § 87 Abs 3 Bauarbeiterschutzverordnung zur Last gelegt. Das Verfahren hat jedoch ergeben, dass zum Tatzeitpunkt Arbeiten am Dachsaum des Gebäudes durchgeführt wurden und dabei für einen speziellen Arbeitsschritt, nämlich das Abplanen des Daches mit über die Regenrinne hinausreichenden Planen, die zuvor angebrachten Schutzblenden entfernt werden mussten. Es kommt daher im Anlassfall die Bestimmung des § 87 Abs 5 Z 2 Bauarbeiterschutzverordnung zur Anwendung, wonach bei Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs 3 entfallen darf, wenn die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sind. Die Argumentation des Arbeitsinspektors, es hätte bei diesem Arbeitsschritt ein Dachfanggerüst gemäß § 88 BauV aufgebaut werden müssen, überzeugt nicht, weil § 87 Abs 3 BauV ausdrücklich zwei verschiedene (alternativ und nicht kumulativ!) zu verwendende geeignete Schutzausrüstungen nennt, nämlich eben Dachschutzblenden und Dachfanggerüste. Es wäre unter dem Aspekt des Aufwandes und der Kosten unzumutbar, von einem Unternehmer, welcher auf einer bestimmten Baustelle ohnedies Dachschutzblenden zum Einsatz bringt, zu verlangen, er solle zusätzlich auch noch ein Dachfanggerüst aufstellen. Der Gesetzgeber sieht vielmehr für bestimmte Arbeiten, bei denen Schutzeinrichtungen nach § 87 Abs 3 BauV hinderlich bzw nicht zweckmäßig sind, Ausnahmen gemäß Abs 5 leg cit vor. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die zum Tatzeitpunkt durchgeführten Arbeiten unter § 87 Abs 5 Z 2 BauV zu subsumieren sind und der Berufungswerber diese Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, da die Arbeitnehmer ohnedies angeseilt waren. Nebenbei sei bemerkt, dass das Verfahren selbst bei nichterwiesenem Anseilen dennoch einzustellen gewesen wäre, weil es sich bei den Tatbildern nach § 87 Abs 3 und § 87 Abs 5 BauV um zwei verschiedene Taten handelt und die Tatvorwürfe daher vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht ausgewechselt werden dürfen (vgl dazu die ständige Judikatur des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, GZ: UVS 303.12-15/2000 und 30.15- 53/2001). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen, da der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

Schlagworte
Absturzgefahr Schutzeinrichtungen Dachschutzblenden Dachfanggerüste anseilen Sicherheitsgeschirr Auswechslung der Tat
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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