1. Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF. dahingehend Folge gegeben, als
Spruchpunkt 2 behoben und in diesem Umfang gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG
die
Einstellung des Verfahrens verfügt wird.
2. Bezüglich des Deliksvorwurfes 1 wird der Berufung keine Folge gegeben und dazu der Punkt des Straferkenntnisses seinem Schuld-, Straf- und Kostenausspruch nach
vollinhaltlich bestätigt.
3. Der Berufungswerber hat somit bezüglich des Punktes 1 des angefochtenen
Straferkenntnisses S 3.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 2. Instanz
binnen 2 Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen.
Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe von S 15.000,-- und die Kosten zum
erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von S 1.500,-- zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG ).
Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 2.1.2001, Zl. 3-
*****-00, wurde über den Beschuldigten E**** K**** in seiner Eigenschaft als
verantwortlicher Beauftragter der Firma B**** AG mit dem Sitz in **** ** ******* wegen
zweier Übertretungen nach dem ASchG eine Geldstrafe im Gesamtausmaß von
S 35.000,-- ( Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit von 28 Tagen) gemäß § 130 Abs 5 leg cit verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschuldigte durch seine ausgewiesenen
Rechtsvertreter fristgerecht Berufung, wurde inhaltliche Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses und die Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet,
verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und die Behebung des angefochtenen
Bescheides, Einstellung des Strafverfahrens und hilfsweise die Herabsetzung der
verhängten Strafe, dies nach Durchführung einer mündlichen
Berufungsverhandlung,
beantragt.
In der am 26.9.2001 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft X
durchgeführten öffentlichen
mündlichen Berufungsverhandlung hielt der Vertreter des am Verfahren mitbeteiligten
Arbeitsinspektorates nach Zurkenntnisbringung der ergänzenden Berufungsausführungen
des Beschuldigtenvertreters die seitens des Arbeitsinspektorates L*** gestellte
Strafanzeige vollinhaltlich aufrecht, und begehrte die Bestätigung
der erstinstanzlichen
Entscheidung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch seine Achte
Kammer erwogen
wie folgt:
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass wegen des jeweils S 10.000,-- übersteigenden
Strafausspruches ex lege im Sinne des § 51 c VStG die Kammerzuständigkeit in beiden
Punkten des Straferkenntnisses gegeben ist.
Zu Punkt 1:
Die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.
Gemäß der Bestimmung des § 84 Abs 1 ASchG haben Präventivfachkräfte Aufzeichnungen über die geleistete Einsatzzeit und die nach diesem Bundesgesetz
durchgeführten Tätigkeiten zu führen, insbesondere auch über die von ihnen
durchgeführten Besichtigungen und Untersuchungen sowie deren Ergebnisse. Den Organen der Arbeitsinspektion ist auf Verlangen Einsicht in diese Unterlagen zu
gewähren.
Aus dieser gesetzlicher Bestimmung erhellt, dass eine entsprechende
Dokumentation
Grundvoraussetzung für eine funktionierende, sicherheitstechnische und
arbeitsmedizinische Betreuung ist und diese sowohl im Interesse der Sicherheitsfachkräfte
als auch der Arbeitsmediziner ? vor allem im Zusammenhang mit
Haftungsfragen ?
unerlässlich erscheint.
Diese Aufzeichnungen sollen die für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes unerlässliche
Kontrolle der Tätigkeit der Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner ermöglichen. Das Einsichtsrecht der Arbeitsinspektion ist für eine Überwachung der Einhaltung dieses Bundesgesetzes notwendig, eine ausdrückliche Regelung erforderlich, weil das Einsichtsrecht nach dem Arbeitsinspektionsgesetz nur gegenüber den Arbeitgebern
geltend gemacht werden kann, nicht aber gegenüber sonstigen Personen.
Somit ist es die Intention des Gesetzgebers, dass ausschließlicher Normadressat der Führung dieser Aufzeichnungen der Arbeitgeber ist. Daher sind diese medizinischen
Aufzeichnungen so zu führen, dass der Arbeitgeber daraus Folgerungen, nachvollziehbare
gedankliche Schlüsse und insbesondere Maßnahmen, die der Arbeitssicherheit dienen,
treffen kann.
Aufgrund der im Akt erliegenden, abgelichteten
Arbeitszeitaufzeichnungen ? wenn man
diese kaum leserlichen, stichwortartigen, handschriftlichen Notizen bzw. die mit
zahlreichen medizinischen Stempeln versehenen Blätter als solche bezeichnen kann ?
entsprechen diese in keinster Weise den gesetzlich normierten
Bestimmungen des § 84 Abs 1 ASchG.
Es bedarf keiner Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen ? so wie ergänzend
seitens des Beschuldigtenvertreters beantragt ? um festzustellen, dass keine
Aufzeichnungen vorliegendenfalls vorhanden sind, die es dem Arbeitgeber ? Adressat
dieser Aufzeichnungen ? ermöglichen, allfällige Maßnahmen in technischer,
organisatorischer oder personeller Hinsicht zu treffen, die auf
fundierten
arbeitsmedizinischen Ergebnissen beruhen.
Es erübrigt sich dahingehend ? so wie oben angegeben ? die beantragte Beziehung eines
medizinischen Sachverständigen, weil dies ? ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung ? ein untaugliches Beweismittel zur Klärung gegenständlicher Frage
wäre, der offene Beweisantrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines gleichfalls zu
keiner tauglichen Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage führen kann.
Des weiteren ist zur in der Berufung aufgeworfenen Frage der Verfassungswidrigkeit der Beschuldigtenvertreter auf die ihm sicherlich bekannten Entscheidungen des VfGH vom 17.6.1995 zu den GZ B 2343/94 und B 2713/94 zu verweisen.
Zur Strafhöhe wird in diesem Umfang festgehalten wie folgt:
Unter Berücksichtigung der in § 19 VStG normierten Strafzumessungsgründe erscheint
die seitens der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gewählte Strafhöhe, welche im
unterdurchschnittlichen Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegt, durchaus schuld- und tatangemessen sowie ? ausgehend von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen
in der Person des Rechtsmittelwerbers ? als durchaus persönlichkeitsadäquat.
Auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes des Vorliegens verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit in der Person des Täters zum Tatzeitpunkt
ist im Hinblick auf die Begehung der Übertretung der Bestimmung des § 84 Abs 1 ASchG
auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit mit spürbaren Geld- und dazu adäquaten
Ersatzfreiheitsstrafen vorzugehen, dies notwendig erscheint, um der Intention des Gesetzgebers zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Normen nachzukommen und
sowohl general- als auch spezialpräventive Erwägungen zu erfüllen. Der Berufung war daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Punkt 1 des Straferkenntnisses ein Erfolg zu versagen und hat der Rechtsmittelwerber in diesem Umfang folgende Beträge zu entrichten:
a)
verhängte Geldstrafe S 15.000,--
b)
Kostenbeitrag zum Verfahren I. Instanz S 1.500,--
c)
Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens S
3.000,--
Gesamtbetrag S 19.500,--
(? 1.417,12)
Zu Punkt 2:
In diesem Umfang erweist sich die Berufung als berechtigt.
Nach § 85 Abs 2 ASchG haben Präventivfachkräfte gemeinsame Besichtigungen der Arbeitsstätten, der Baustellen und der auswärtigen Arbeitsstellen durchzuführen.
Offenbare Absicht des Gesetzgebers für diese Regelung war, dass gemeinsame
Besichtigen der Arbeitsstätten und der Arbeitsstellen für eine funktionierende,
sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung unerlässlich sind.
Allerdings ist diesem Regelungsinhalt seitens des Gesetzgebers unterlassen worden,
Normen festzusetzen, die eine Konkretisierung dieser Bestimmung bedeuten würden.
Es kann der Vorschrift des § 85 Abs 2 ASchG in keiner Weise entnommen werden, wie oft
? allenfalls jährlich ? derartige gemeinsame Begehungen stattzufinden haben, ist dieser
nicht konkret gefassten Bestimmung gleichfalls nicht zu
unterstellen, dass alle
Besichtigungen gemeinsam vorzunehmen sind.
Diese Vorschrift ist daher nicht geeignet, Rechtsgrundlage für eine
konkrete Tatanlastung
und darauf basierender Bestrafung nach dem VStG zu sein, zumal ? dahingehend rügt der Beschuldigtenvertreter zu Recht ? der Beschuldigte aus dieser Bestimmung kein
rechtmäßiges Alternativverhalten ableiten kann bzw. keinerlei Verweis auf eine konkret
nachvollziehbare Norm nach dem ASchG erkennbar ist.
Da dem Einschreiter die ihm unter Punkt 2 zur Last gelegte Übertretung nicht konkret
vorwerfbar ist, war dieser Spruchpunkt zu beheben und die Einstellung des Verfahrens zu
verfügen.