TE UVS Niederösterreich 2001/10/01 Senat-MD-01-1033

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Veröffentlicht am 01.10.2001
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Spruch

1. Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF. dahingehend Folge gegeben, als

Spruchpunkt 2 behoben und in diesem Umfang gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG

die

Einstellung des Verfahrens verfügt wird.

 

2. Bezüglich des Deliksvorwurfes 1 wird der Berufung keine Folge gegeben und dazu der Punkt des Straferkenntnisses seinem Schuld-, Straf- und Kostenausspruch nach

vollinhaltlich bestätigt.

 

3. Der Berufungswerber hat somit bezüglich des Punktes 1 des angefochtenen

Straferkenntnisses S 3.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 2. Instanz

binnen 2 Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe von S 15.000,-- und die Kosten zum

erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von S 1.500,-- zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG ).

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 2.1.2001, Zl. 3-

*****-00, wurde über den Beschuldigten E**** K**** in seiner Eigenschaft als

verantwortlicher Beauftragter der Firma B**** AG mit dem Sitz in **** ** ******* wegen

zweier Übertretungen nach dem ASchG eine Geldstrafe im Gesamtausmaß von

S 35.000,-- ( Ersatzfreiheitsstrafe im Fall der Uneinbringlichkeit von 28 Tagen) gemäß § 130 Abs 5 leg cit verhängt.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschuldigte durch seine ausgewiesenen

Rechtsvertreter fristgerecht Berufung, wurde inhaltliche Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses und die Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet,

verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und die Behebung des angefochtenen

Bescheides, Einstellung des Strafverfahrens und hilfsweise die Herabsetzung der

verhängten Strafe, dies nach Durchführung einer mündlichen

Berufungsverhandlung,

beantragt.

In der am 26.9.2001 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft X

durchgeführten öffentlichen

mündlichen Berufungsverhandlung hielt der Vertreter des am Verfahren mitbeteiligten

Arbeitsinspektorates nach Zurkenntnisbringung der ergänzenden Berufungsausführungen

des Beschuldigtenvertreters die seitens des Arbeitsinspektorates L*** gestellte

Strafanzeige vollinhaltlich aufrecht, und begehrte die Bestätigung

der erstinstanzlichen

Entscheidung.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat durch seine Achte

Kammer erwogen

wie folgt:

 

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass wegen des jeweils S 10.000,-- übersteigenden

Strafausspruches ex lege im Sinne des § 51 c VStG die Kammerzuständigkeit in beiden

Punkten des Straferkenntnisses gegeben ist.

 

Zu Punkt 1:

 

Die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.

 

Gemäß der Bestimmung des § 84 Abs 1 ASchG haben Präventivfachkräfte Aufzeichnungen über die geleistete Einsatzzeit und die nach diesem Bundesgesetz

durchgeführten Tätigkeiten zu führen, insbesondere auch über die von ihnen

durchgeführten Besichtigungen und Untersuchungen sowie deren Ergebnisse. Den Organen der Arbeitsinspektion ist auf Verlangen Einsicht in diese Unterlagen zu

gewähren.

 

Aus dieser gesetzlicher Bestimmung erhellt, dass eine entsprechende

Dokumentation

Grundvoraussetzung für eine funktionierende, sicherheitstechnische und

arbeitsmedizinische Betreuung ist und diese sowohl im Interesse der Sicherheitsfachkräfte

als auch der Arbeitsmediziner ? vor allem im Zusammenhang mit

Haftungsfragen ?

unerlässlich erscheint.

Diese Aufzeichnungen sollen die für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes unerlässliche

Kontrolle der Tätigkeit der Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner ermöglichen. Das Einsichtsrecht der Arbeitsinspektion ist für eine Überwachung der Einhaltung dieses Bundesgesetzes notwendig, eine ausdrückliche Regelung erforderlich, weil das Einsichtsrecht nach dem Arbeitsinspektionsgesetz nur gegenüber den Arbeitgebern

geltend gemacht werden kann, nicht aber gegenüber sonstigen Personen.

 

Somit ist es die Intention des Gesetzgebers, dass ausschließlicher Normadressat der Führung dieser Aufzeichnungen der Arbeitgeber ist. Daher sind diese medizinischen

Aufzeichnungen so zu führen, dass der Arbeitgeber daraus Folgerungen, nachvollziehbare

gedankliche Schlüsse und insbesondere Maßnahmen, die der Arbeitssicherheit dienen,

treffen kann.

Aufgrund der im Akt erliegenden, abgelichteten

Arbeitszeitaufzeichnungen ? wenn man

diese kaum leserlichen, stichwortartigen, handschriftlichen Notizen bzw. die mit

zahlreichen medizinischen Stempeln versehenen Blätter als solche bezeichnen kann ?

entsprechen diese in keinster Weise den gesetzlich normierten

Bestimmungen des § 84 Abs 1 ASchG.

 

Es bedarf keiner Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen ? so wie ergänzend

seitens des Beschuldigtenvertreters beantragt ? um festzustellen, dass keine

Aufzeichnungen vorliegendenfalls vorhanden sind, die es dem Arbeitgeber ? Adressat

dieser Aufzeichnungen ? ermöglichen, allfällige Maßnahmen in technischer,

organisatorischer oder personeller Hinsicht zu treffen, die auf

fundierten

arbeitsmedizinischen Ergebnissen beruhen.

 

Es erübrigt sich dahingehend ? so wie oben angegeben ? die beantragte Beziehung eines

medizinischen Sachverständigen, weil dies ? ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung ? ein untaugliches Beweismittel zur Klärung gegenständlicher Frage

wäre, der offene Beweisantrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines gleichfalls zu

keiner tauglichen Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage führen kann.

 

Des weiteren ist zur in der Berufung aufgeworfenen Frage der Verfassungswidrigkeit der Beschuldigtenvertreter auf die ihm sicherlich bekannten Entscheidungen des VfGH vom 17.6.1995 zu den GZ B 2343/94 und B 2713/94 zu verweisen.

 

Zur Strafhöhe wird in diesem Umfang festgehalten wie folgt:

 

Unter Berücksichtigung der in § 19 VStG normierten Strafzumessungsgründe erscheint

die seitens der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz gewählte Strafhöhe, welche im

unterdurchschnittlichen Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegt, durchaus schuld- und tatangemessen sowie ? ausgehend von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen

in der Person des Rechtsmittelwerbers ? als durchaus persönlichkeitsadäquat.

Auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes des Vorliegens verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit in der Person des Täters zum Tatzeitpunkt

ist im Hinblick auf die Begehung der Übertretung der Bestimmung des § 84 Abs 1 ASchG

auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit mit spürbaren Geld- und dazu adäquaten

Ersatzfreiheitsstrafen vorzugehen, dies notwendig erscheint, um der Intention des Gesetzgebers zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Normen nachzukommen und

sowohl general- als auch spezialpräventive Erwägungen zu erfüllen. Der Berufung war daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Punkt 1 des Straferkenntnisses ein Erfolg zu versagen und hat der Rechtsmittelwerber in diesem Umfang folgende Beträge zu entrichten:

 

a)

verhängte Geldstrafe    S 15.000,--

b)

Kostenbeitrag zum Verfahren I. Instanz  S   1.500,--

c)

Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens  S

3.000,--

Gesamtbetrag    S 19.500,--

 

                   (? 1.417,12)

 

Zu Punkt 2:

 

In diesem Umfang erweist sich die Berufung als berechtigt.

 

Nach § 85 Abs 2 ASchG haben Präventivfachkräfte gemeinsame Besichtigungen der Arbeitsstätten, der Baustellen und der auswärtigen Arbeitsstellen durchzuführen.

 

Offenbare Absicht des Gesetzgebers für diese Regelung war, dass gemeinsame

Besichtigen der Arbeitsstätten und der Arbeitsstellen für eine funktionierende,

sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung unerlässlich sind.

 

Allerdings ist diesem Regelungsinhalt seitens des Gesetzgebers unterlassen worden,

Normen festzusetzen, die eine Konkretisierung dieser Bestimmung bedeuten würden.

Es kann der Vorschrift des § 85 Abs 2 ASchG in keiner Weise entnommen werden, wie oft

? allenfalls jährlich ? derartige gemeinsame Begehungen stattzufinden haben, ist dieser

nicht konkret gefassten Bestimmung gleichfalls nicht zu

unterstellen, dass alle

Besichtigungen gemeinsam vorzunehmen sind.

Diese Vorschrift ist daher nicht geeignet, Rechtsgrundlage für eine

konkrete Tatanlastung

und darauf basierender Bestrafung nach dem VStG zu sein, zumal ? dahingehend rügt der Beschuldigtenvertreter zu Recht ? der Beschuldigte aus dieser Bestimmung kein

rechtmäßiges Alternativverhalten ableiten kann bzw. keinerlei Verweis auf eine konkret

nachvollziehbare Norm nach dem ASchG erkennbar ist.

 

Da dem Einschreiter die ihm unter Punkt 2 zur Last gelegte Übertretung nicht konkret

vorwerfbar ist, war dieser Spruchpunkt zu beheben und die Einstellung des Verfahrens zu

verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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