Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des A A, vertreten durch Dr. G R, Rechtsanwalt in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:
Der Antrag "die Fesselung des Beschwerdeführers während der Dauer der Haftverhandlung am 06.08.2001 für rechtswidrig zu erklären" wird als unzulässig zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§§ 67 a Abs 1 Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK), § 182 Abs 2 Strafprozessordnung 1975 (StPO)
I. In der Beschwerde vom 27. August 2001 wird Nachfolgendes vorgebracht:
Der Beschwerdeführer befindet sich gegenwärtig zu 18 Vr 16767/01 wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 28 Abs 2 und 3 SMG in Untersuchungshaft des Landesgerichtes für Strafsachen in Graz, wobei diese Untersuchungshaft durch die belangte Behörde vollzogen wird.
Die Verhaftung erfolgte deshalb, da der Beschuldigte im Verdacht steht, am 11.06.2001 als
Suchtgiftlieferant zwei ebenfalls in Haft befindliche Mittäter mit 170,6 g Kokain beliefert zu haben, wobei diese Mittäter nachfolgend das Suchtgift an einen verdeckten Ermittler übergaben bzw übergeben wollten.
Der Beschwerdeführer bekennt sich seit Beginn seiner ersten Einvernahme nicht schuldig. Die weiteren Beschuldigten K O und A M erwähnten den Beschwerdeführer bei ihrer jeweils ersten Einvernahme vor der BPD Graz nicht, sie gaben vielmehr an, das Suchgift von einem Mann namens D zum Weiterverkauf erhalten zu haben. Im Rahmen der zweiten
Einvernahme führte erstmals O aus, dass A A der Lieferant des Suchtgiftes sei. Anschließend erfolgte von den selben Beamten die zweite Einvernahme von A M, in welcher dieser nach Vorhalt der niederschriftlichen Angaben von O ebenfalls eine belastende Aussage für den Beschwerdeführer ablegte, wobei die Details der Schilderung jedoch nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Diese Tatsache wurde im Enthaftungsantrag vom 31.07.2001 (ON 42 des Strafaktes) im Detail dargelegt.
Diese Chronologie der Ereignisse ist für die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes, welcher der Maßnahmenbeschwerde zugrunde liegt, an sich ohne Relevanz, soll jedoch zur besseren Übersicht dargestellt werden.
Aufgrund des Ablaufes der Haftfrist wurde vom LG für Strafsachen in Graz eine Haftverhandlung für 06.08.2001 anberaumt. Der in Untersuchungshaft befindliche Beschwerdeführer wurde zu dieser Haftverhandlung, welche im Zimmer der Untersuchungsrichterin stattgefunden hatte, vorgeführt. Die Vorführung erfolgte durch den Justizwachebeamten N K. Der Beschwerdeführer wurde dabei mit angelegten Handfesseln, wobei die Hände
auf der Körpervorderseite geschlossen waren, aus der Justizanstalt zum Richterzimmer gebracht. Während der Wartezeit auf den Verhandlungsbeginn (diese verzögerte sich um etwa zehn Minuten, da die Staatsanwältin nicht pünktlich anwesend war), verharrte der Beschuldigte, bewacht vom vorführenden Justizwachebeamten, vor dem Richterzimmer. Nachfolgend wurde die Sache aufgerufen und Staatsanwältin, Beschwerdeführer, Justizwachebeamter und Verteidiger in das Richterzimmer gebeten. Die Haftverhandlung wurde von Frau Mag. C geleitet, welche den urlaubsbedingt abwesenden, sachlich an sich zuständigen Untersuchungsrichter Dr. N vertrat. Unmittelbar nach Beginn der Haftverhandlung wies der Verteidiger darauf hin, dass der Beschwerdeführer nach wie vor geschlossen war und ersuchte den Justizwachebeamten bzw die Untersuchungsrichterin, die Entfernung der Handfesseln zu veranlassen. Die Untersuchungsrichterin wandte sich mit dem Hinweis an den Justizwachebeamten, dass das Aufschließen von diesem an sich selbständig durchzuführen sei.
Der Beamte verweigerte nachfolgend jedoch die Abnahme der Handfesseln
mit der Begründung, dass der vom Kommandanten der Justizanstalt ausgestellte und unterfertigte Befehl für die Vorführung den Hinweis 'fesseln' enthalte. Diese Anordnung war im Vorführbefehl nicht näher begründet. Der Justizwachebeamte erklärte, dass er die Abnahme der Handfesseln nur dann vornehmen werde, wenn die Untersuchungsrichterin ausdrücklich persönlich die Verantwortung dafür übernimmt, was in weiterer Folge nicht geschehen ist, sodass aufgrund der Anordnung der Justizanstalt Graz-Jakomini der Beschwerdeführer der etwa 10-minütigen Haftverhandlung mit vorne geschlossenen Händen beiwohnen musste und nach Ende der Haftverhandlung wiederum in die Justizanstalt abgeführt wurde. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang weiters, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist und während der Zeit der U-Haft keinerlei Auffälligkeiten vorgefallen sind, sodass aufgrund des Vorlebens und des bisherigen Verhaltens keine Veranlassung besteht, eine Gefährlichkeit anzunehmen. Der vorzitierte Vorführbefehl war auch nicht näher begründet, vielmehr wurde 'fesseln' ohne Hinweis auf die Gründe angeordnet. Auch dem Justizwachebeamten war nicht bekannt, auf welche Umstände diese Order gestützt ist. Zum Beweise dafür wird der Antrag gestellt, den Beschwerdeführer sowie den Justizwachebeamten N K zu laden und als Zeugen einzuvernehmen sowie den Akt der Justizanstalt Graz-Jakomini betreffend den Vollzug der Haft hinsichtlich des Beschwerdeführers insbesondere den gegenständlichen Vorführbefehl, beizuschaffen.
II.
Begründung
In rechtlicher Hinsicht liegen die Voraussetzungen
für die Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a B-VG vor, da der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt wurde. Die Ausübung dieser Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einen Befehl erteilt, Zwang ausübt oder eine Maßnahme setzt und dieser (diese) gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist.
Die Beschwerde ist rechtzeitig, da sie sich gegen den Vorfall vom 06.08.2001 richtet und daher innerhalb der Beschwerdefrist erhoben wurde. Die Vorführung und die Festlegung der Modalitäten der Vorführung obliegen ausschließlich der belangten Behörde. Die Anordnung 'fesseln' im Vorführbefehl ist ein eigenständiger Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, welcher der Kognitionsbefugnis des Unabhängigen Verwaltungssenates unterliegt. Von Bedeutung ist aber insbesondere, dass gegen den Beschwerdeführer keinerlei Verdachtsmomente hinsichtlich einer beabsichtigten Flucht oder sonstiger, allenfalls
zu erwartender Vorkommnisse vorlagen. Es kam in der Vergangenheit zu keinerlei Aggressionshandlungen in
der Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer ist zudem unbescholten, sodass auch aus dem Vorleben nicht auf eine Gefährlichkeit geschlossen werden kann. Es besteht daher kein Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer werde sich anläßlich der Haftverhandlung anders verhalten als jene Untersuchungshäftlinge, welche täglich ausgeführt werden und welchen während der Haftverhandlung die Handfesseln selbstverständlich abgenommen werden.
Die Fesselung war demnach rechtswidrig, sofern sie während der Dauer der Haftverhandlung von etwa 10 Minuten aufrecht erhalten wurde. Den Umständen nach waren weder eine von ihm ausgehende Gefährdung, noch eine Selbstgefährdung oder eine Sachbeschädigung, ein Fluchtversuch oder eine Störung der Vorführung einerseits oder der Gerichtsverhandlung andererseits zu befürchten oder gar zu erwarten.
Eine ungerechtfertigte Fesselung, insbesondere während der gesamten Dauer einer Verhandlung, in der über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entschieden wird verstößt gegen Art. 3 MRK. Sie verletzt den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung, dies umso mehr, als das maßgebliche Kriterium offensichtlich ausschließlich die Hautfarbe des Beschuldigten war. Objektive Momente rechtfertigen die Vorgangsweise der beklagten Partei keinesfalls.
Aus der langen strafrechtlichen Erfahrung des Vertreters des Beschwerdeführers wurden bislang noch niemals
unter vergleichbaren Verhältnissen einem Häftling während einer Verhandlung die Handfesseln nicht abgenommen.
Überhaupt ist die Vorgangsweise der mit der gegenständlichen Angelegenheit befassten Organe und Behörden von Voreingenommenheiten gesäumt:
In dem von der BPD Graz erstellten Personalblatt wurde unter der 'ausgeübten Erwerbstätigkeit' vermerkt, dass der Beschwerdeführer 'Drogendealer' sei. Der Vertreter des Beschwerdeführers verwahrte sich mit einem Brief an den Polizeidirektor, der sich in einem Antwortschreiben der Auffassung des Verteidigers anschloss und Abhilfe zusicherte, gegen diese Vorgangsweise.
Nachfolgend wurde im Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft im Rahmen der Personalien des Beschuldigten angeführt, dass dieser 'vermutlich Drogendealer'sei; auch diese tendenziöse Vorgangsweise wurde erst über den Protest des Verteidigers abgestellt. Letztlich stellt die in der gegenständlichen Beschwerde relevierte Vorgangsweise
den inakzeptablen Höhepunkt dieser bisherigen Maßnahmen dar, weshalb der Beschwerdeführer veranlasst ist, zur Wahrung seiner Rechtsposition die Hilfe des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark in Anspruch zu nehmen.
III.
Beilagenverzeichnis
Zur Darlegung der in der genannten Beschwerde behaupteten Umstände
werden nachstehende Unterlagen vorgelegt:
Personalblatt (./A)
Strafregisterauskunft - unbescholten (./B)
Schreiben an den Polizeidirektor Dr. Stingl vom 19.07.01 (./C 1)
Antwortschreiben vom 27.08.2001 (./C2)
Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft vom 21.06.2001
(./D)
Verteidigerbekanntgabe vom 19.07.2001 (./E)
Erste Niederschrift M A vom 11.06.2001, Beginn 19.00 Uhr (./F)
Erste Niederschrift K O vom 11.06.2001, Beginn 21.50 Uhr (./G)
Zweite Niederschrift K O vom 12.06.2001, Beginn 10.20 Uhr (./H)
Zweite Niederschrift M A vom 12.06.2001, Beginn 14.10 Uhr (./I) Enthaftungsantrag vom 31.07.2001 (./J) Beschuldigtenprotokoll O (auszugsweise) (./K)
Niederschrift A A (./L) Es wurde der Antrag gestellt eine mündliche Verhandlung durchzuführen und nach Beweisaufnahme "die Fesselung des Beschwerdeführers während der Dauer der Haftverhandlung am 06.08.2001 für rechtswidrig zu erklären, sowie der belangten Behörde (Justizanstalt Graz-Jakomini) aufzutragen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Handen des ausgewiesenen Vertreters zu ersetzen".
II. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:
1. Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG
entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate bei Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 30. August 2001 (Datum des Poststempels 29. August 2001) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die vom Justizwachebeamten der Justizanstalt Graz-Jakomini durchgeführte Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde.
2. Gemäß § 67 c Abs 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dem Antrag auf Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung wurde im Sinne des § 67 d Abs 2 Z 3 AVG nicht stattgegeben, da die Beschwerde a limine zurückzuweisen ist. Die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (Walter Mayer Grundriss des Österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 7. Auflage, Wien 1992, RdZ 608). Dem gegenüber können Akte von Verwaltungsorganen, die in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt werden, gemäß herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht im Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet werden. Vielmehr sind der richterliche Befehl und dessen tatsächliche Ausführung, wenn dieser auch durch Verwaltungsorgane vorgenommen wird, als Einheit zu sehen. Dem gemäß sind die auf Grund eines richterlichen Befehles von Verwaltungsorganen vorgenommene Akte zur Durchführung dieses Befehls - so lange die Verwaltungsorgane den ihnen durch den richterlichen Befehl gesteckten Ermächtigungsrahmen nicht überschreiten - funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen (Walter Mayer, aaO, RdZ 69 und die dort angeführte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Im Fall einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls liegt hingegen insoweit ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor (VwGH 23.9.1998, 97/01/1084, 1085 und 1087). Eine solche offenkundige Überschreitung liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn bei der Durchführung eines richterlichen Auftrages die dafür geltenden Vorschriften missachtet werden (siehe obiges Erkenntnis, sowie VwGH 17.5.1995, 94/01/0763; UVS Steiermark 12.1.1998, GZ.: UVS 20.3-1,2,3/98-2). Der Unabhängige Verwaltungssenat legt der Entscheidung den geschilderten Sachverhalt des Beschwerdeführers zu Grunde. Nach dem wurde der Beschwerdeführer als Beschuldigter in einem gerichtlichen Strafverfahren gefesselt zur Haftverhandlung gebracht. Während der Dauer der Haftverhandlung wurden ihm die Fesseln, trotz Intervention des Vertreters des Beschwerdeführers, nicht abgenommen. Die Vorführung des Beschwerdeführers zur Haftverhandlung ist im § 182 Abs 2 StPO geregelt und wird im Abs 1 ausgeführt, dass die Haftverhandlung der Untersuchungsrichter leitet. Wenn der Beschwerdeführer in der Fesslung seiner Person während der Dauer der Haftverhandlung eine "unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art 3 MRK" sieht, so ist dem entgegen zu halten, dass die erkennende Behörde hiebei keine offenkundige Überschreitung des richterlichen Vorführungsbefehls durch den Justizwachebeamten sieht. Auch bei Zutreffen der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptung, dass der Justizwachebeamte die Handfesseln nur dann abgenommen hätte, wenn die Untersuchungsrichterin persönlich die Verantwortung hiefür übernommen hätte, was in weiterer Folge nicht geschah, lässt sich kein Exzess eines der Verwaltung zurechenbares Organhandelns ableiten, da die Haftverhandlung der Untersuchungsrichter leitet (siehe § 182 Abs 1 StPO). Somit obliegt dem Untersuchungsrichter letztendlich die Ausübung der Verhandlungspolizei und ist die Aufrechterhaltung der Fesslung ausschließlich der Gerichtsbarkeit zuzurechnen. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, dass die tatsächliche Durchführung der Fesselung von einem Justizwachebeamten erfolgte. Ob dem Beschwerdeführer eventuell eine Beschwerdemöglichkeit im Sinne des § 113 StPO offen steht, ist für die Beurteilung im konkreten Fall nicht relevant. Dadurch, dass Weisungen von Richtern organisatorisch dem Vollzugsbereich der Hoheitsverwaltung - Hilfsorgane, wie der einschreitende Justizwachebeamte - treffen, wird durch solche gerichtliche Weisungen oder Anordnungen der Rahmen des Vollzugsbereiches Gerichtsbarkeit nicht verlassen. Somit steht fest, dass der Beschwerdeführer mangels Vorliegens eines Aktes unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht beschwerdelegitimiert ist und ist somit die Beschwerde a limine zurückzuweisen.