TE UVS Tirol 2001/10/05 2000/19/169-2

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Veröffentlicht am 05.10.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch das Mitglied Dr. Karl Trenkwalder über die Berufung des Herrn H., vertreten durch F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 06.09.2000, Zahl 3a-ST- 64424/99, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen zu Punkt 1. auf S 2.000,-- (EUR 145,35), Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage, und zu Punkt 2. auf S 1.500,-- (EUR 109,01), Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden, herabgesetzt wird.

 

Gemäß § 64 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit insgesamt S 350,-- (EUR 25,44) neu festgesetzt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber die Begehung der nachstehend wiedergegebenen Verwaltungsübertretungen angelastet:

 

?Der Beschuldigte, Herr H., hat am 13.11.1999 zwischen ca 00.00 bis 01.00 Uhr den PKW, Kennzeichen L., auf der Reschenstr. B180, ehem B315 bei km 5,5 von Landeck kommend in Fahrtrichtung Ried gelenkt

 

1.  und hat entgegen den Bestimmungen des § 4 Abs1 litb StVO 1960 nach einem Verkehrsunfall, an welchem er ursächlich beteiligt war, die zur Vermeidung von Schäden erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen. (Die Unfallstelle wurde trotz Dunkelheit nicht abgesichert.);

2.  und hat Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Leitschiene beschädigt) im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall beschädigt und es unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe der Identität ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

1.

§ 4 Abs1 litb StVO 1960

2.

§ 99 Abs2 lite StVO iVm § 31 (1) StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird folgende Strafe verhängt:

 

Strafe in ÖS Ersatzfreiheitsstrafe Strafbestimmung:

1. 3.000,00 3 Tage § 99 Abs2 lita StVO

2. 3.000,00 3 Tage § 99 Abs2 lite StVO?

 

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde insbesondere ausgeführt, die Stellungnahme des medizinischen Amtssachverständigen (vom 19.04.2000) lasse offen, ob das Verhalten des Berufungswerbers nicht durch eine psychopathologische Reaktion verursacht worden sein könnte, wobei ein derartiger Umstand der Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen für Psychiatrie festgestellt werden müsse.

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich der Berufungswerber darüber hinaus wie folgt verantwortet:

 

?Es ist richtig, dass ich in etwa zu dieser Zeit, wie sie dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zu entnehmen ist, mit meinem Fahrzeug die dort bezeichnete Strecke gefahren bin und dabei einen Verkehrsunfall hatte. Ich versuchte in der Folge, die wenigen 100 m zum Gasthaus Neuen Zoll zurückzugelangen, um dort Gendarmerie und meine Frau zu verständigen. Dieses Gasthaus hatte jedoch bereits zu. Was sich nach diesem Zeitpunkt zugetragen hat, weiß ich nicht mehr. Erst am Folgetag um die Mittagszeit (sohin am 13.11.1999) ist mir die Erinnerung wiedergekommen. An meine Angaben vor der Gendarmerie und vor der Erstbehörde kann ich mich erinnern. Diese Angaben sind richtig. Dass ich in der Früh meine Gattin angerufen haben soll, ist mir nicht in Erinnerung. Ich bin in der Folge des Unfalles nicht zu einem Arzt gegangen. Ich war auch nicht verletzt. Mein PKW ist mit Airbag ausgestattet. Nachträglich hat sich herausgestellt, dass auch der Airbag sich nicht gelöst hat. Wenn mir vorgehalten wird, dass dem Akt der Erstbehörde entnommen werden kann, dass ich zuerst mit der Frontpartie meines PKW?s die Leitschiene beschädigt habe und in der Folge mit dem Heck gegen einen Felsen gefahren bin und dort das Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist, so kann dies durchaus seine Richtigkeit haben, ich weiß nicht, in welcher Endlage sich das Fahrzeug damals befunden hat und wie sich der Unfall genau abgespielt hat.?

 

Der medizinische Amtssachverständige Dr. H. hat zur Darstellung des Berufungswerbers bereits im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens mit Datum 19.04.2000, Zahl 5- 1923, Stellung genommen und dazu im Zuge der mündlichen Verhandlung wie folgt ergänzt:

 

?Ich habe meinem Gutachten vom 19.04.2000, GZ 5-1923, die Angaben des Berufungswerbers zugrunde gelegt, wie sie dieser anlässlich seiner Einvernahme bei der Erstbehörde sowie bei seiner Einvernahme durch die Gendarmerie gegeben hat. Aufgrund des dort Geschilderten habe ich das Vorliegen einer sogenannten antrograden oder retrograden Amnesie ausgeschlossen. Die vom Berufungswerber gegebene Darstellung, dass er nach Erreichen des Gasthauses Neuer Zoll sowie der Feststellung, dass dieses Gasthaus bereits geschlossen habe, nicht mehr gewusst haben sollte, was in der Folge geschehen ist, dafür gibt es vom medizinischen Standpunkt aus keine Erklärung. Aus dem gesamten Akt ist nicht ableitbar, dass beim Beschuldigten eine psychopathologische Reaktion Ursache für dieses rätselhafte Verhalten sein könnte. Diesen letzten Satz habe ich nur deshalb beigefügt, weil die vom Berufungswerber - wie bereits ausgeführt - gegebene Darstellung medizinisch nicht nachvollziehbar ist, allenfalls aber durch eine derartige psychopathologische Reaktion verursacht sein könnte. Ich habe daher diesen Satz dazugeschrieben und dies in der Absicht, dass der Berufungswerber in diesem Falle abklären lassen müsste, ob so etwas bei ihm vorliegt. Ich selbst konnte keinerlei Anzeichen aus dem Akt - wie bereits ausgeführt - dafür entnehmen, dass es sich dabei um eine derartige Reaktion gehandelt haben könnte.

 

Der Berufungswerber gibt über Befragen ergänzend an, dass er sich niemals in psychiatrisch-neurologischer Behandlung zur Abklärung des Vorliegens einer psychopathologischen Reaktion befunden hat.

 

Über Befragen des medizinischen Sachverständigen:

Ich habe in Zusammenhang mit dem Vorliegen einer allfälligen psychischen Erkrankung niemals Medikamente eingenommen und nehme auch dzt. keine derartigen Medikamente ein.

 

Über Befragen des Rechtsanwaltes:

Der Sachverständige ergänzt, dass es zu einer antrograden oder retograden Amnesie nur dann kommen kann, wenn es im Zuge des Unfalles zu einer Verletzung gekommen ist und dass dann ein Vergessen im Ausmaß etwa von wenigen Minuten bis zu einer Stunde als üblich bezeichnet werden kann. Ohne irgendeine Verletzung gibt es keine Amnesie, es sei denn, es wäre zu einem sogenannten Unfallsschock  gekommen, wie er in besonderen psychischen Belastungssituationen (Unfall mit Toten) kommen kann. Dies war aber nicht der Fall. Es war im Gegenteil so, dass sich der Berufungswerber unmittelbar nach dem Unfall zielgerichtet verhalten hat und auch eine Erinnerung daran hat und nach seinen Angaben das Erinnerungsvermögen erst später ausgesetzt hat. Daher ist eine Amnesie jedenfalls auszuschließen. Dass es zu einer Verletzung nicht gekommen ist, habe ich daraus entnommen, dass der Berufungswerber einerseits selbst gesagt hat, bei dem Unfall nicht verletzt worden zu sein und dass er darüber hinaus erklärt hat, in der Folge des Unfallsgeschehens auch keinen Arzt aufgesucht zu haben. Nach meiner Ansicht kann daraus, dass der Berufungswerber die Führerscheinprüfung abgelegt hat, abgeleitet werden, dass er eine normale psychische Belastungsfähigkeit besitzt und mit der gegebenen Stresssituation (Führerscheinprüfung) fertig wird; es darf daher auch erwartet werden, dass er sich im Falle eines bloßen Sachschadenunfalles nach Erholung eines allenfalls vorliegenden ersten Unfallschreckes normengerecht verhält.

 

Über Befragen des Rechtsvertreters:

Eine retrograde Amnesie kann ich schon deshalb ausschließen, weil eine Verletzung nicht vorgelegen ist und der Berufungswerber selbst dann, wenn er etwa eine Beeinträchtigung in Form eines Schleudertraumas gehabt hätte, später auf jeden Fall die diesbezüglichen Schmerzen hätte verspüren müssen. Selbst wenn es aber eine derartige Amnesie gegeben haben sollte, dann hätte es nicht so sein dürfen, dass der Berufungswerber unmittelbar nach dem Unfall zielgerichtet gehandelt hat. Im Zuge der Physikatsprüfung hatte ich auch Spezialkenntnisse aus dem Gebiet der Psychiatrie zu studieren, darüber hinaus hat man aufgrund des Allgemeinstudiums und einer langjährigen Erfahrung auch einen Blick für manche Dinge, wie sie immer wieder bei alltäglichen Erkrankungen auftauchen. Meinen Turnus habe ich auch im Ausmaß eines halben Jahres auf der Neurologie und Psychiatrie gemacht.?

 

Bereits aufgrund der Angaben des Berufungswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung ist der ihm angelastete Sachverhalt zu Punkt 1. und Punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses in objektiver Hinsicht erwiesen.

 

Aufgrund der erwähnten Stellungnahme des Amtssachverständigen samt der oa Ergänzung steht fest, dass es im Zuge des Unfalles zu keiner Verletzung des Berufungswerbers gekommen ist und dass die Angaben des Berufungswerbers über den Verlust seines Erinnerungsvermögens medizinisch nicht erklärbar sind; auch die ergänzende Befragung des Berufungswerbers hat keinen Hinweis darauf ergeben, dass etwa das von ihm beschriebene Verhalten als Folge einer psychopathologischen Reaktion anzusehen sei. Schon aufgrund dieser schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen des Amtssachverständigen erübrigte sich die Einholung eines entsprechenden Gutachtens. Den Ausführungen des Sachverständigen ist auch unter Beachtung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend beizupflichten, dass ein geprüfter Kraftfahrzeuglenker einen sogenannten Unfallschreck überwinden können muss und dass es zu Ereignissen, die einen sogenannten Unfallschock auslösen könnten, im Zuge des Unfallgeschehens nicht gekommen ist. Die Darstellung des Berufungswerbers über den Verlust seines Erinnerungsvermögens sind daher nicht glaubwürdig.

 

Zur Strafbemessung:

 

Der Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung liegt in der Nichtbeachtung von Normen im Interesse der möglichst exakten Aufklärung des Unfallgeschehens, das Verschulden war in Form der groben Fahrlässigkeit gegeben.

 

Erschwerende Umstände waren bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen, als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit berücksichtigt. Ausschließlich die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers wurde zum Anlass genommen, die verhängten Geldstrafen herabzusetzen, wobei der als höher bewertete Unrechtsgehalt zu Punkt 1. (Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer) eine Herabsetzung nur in geringerem Ausmaß ermöglicht hat.

 

In der nunmehrigen Höhe entsprechen die verhängten Geldstrafen dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretungen und dem Verschulden, wie auch den vom Berufungswerber bekannt gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen (900 Quadratmeter Grund mit darauf errichtetem Einfamilienhaus, Schulden ca 4 Millionen, monatliches Nettoeinkommen S 20.000,--).

 

Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Schlagworte
Amnesie, Unfallschock, zielgerichtet, gehandelt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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