Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch die Kammervorsitzende Frau Dr. Margit Pomaroli sowie die weiteren Mitglieder Frau Dr. Martina Strele und Herr Dr. Klaus Dollenz über die Berufung von Frau J., vertreten durch Herrn Dr. G., gegen Punkt 3) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 1.12.2000, Zl. St-V- 6994/00 (I.), sowie über die Berufungen zu Punkt 1), 2) und
4) des vorgenannten Berufungserkenntnisses (II.) durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz, wie folgt:
I.
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24 und 51e VStG wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin als weitere Kosten als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind S 2.400,-- (EUR 174,42) zu bezahlen.
II.
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24 und 51e VStG wird den Berufungen hinsichtlich Punkt 1) und 2) insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafen von jeweils S 5.000,-
- auf jeweils S 2.500,-- (EUR 181,68), Ersatzarrest zwei Tage, sowie der Berufung hinsichtlich Punkt 4) insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- auf S 1.500,-- (EUR 109,01), Ersatzarrest einen Tag, herabgesetzt wird.
Gemäß § 64 Abs1 und 2 VStG werden die Verfahrenskosten I. Instanz zu Punkt 1) und 2) jeweils mit S 250,-- (EUR 18,17) und zu Punkt 4) mit S 150,-- (EUR 10,90) neu festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin für schuldig erkannt, sie habe am 17.6.2000 gegen 17.20 Uhr in Innsbruck, Schneeburggasse, als Lenkerin des Pkw?s mit dem Kennzeichen I.
1. im Bereich der Kreuzung Frau-Hitt-Straße als ursächlich Beteiligte an einem Verkehrsunfall bei dem der Pkw I. beschädigt wurde, nicht sofort angehalten,
2. in der Folge auf Höhe Schneeburggasse 21 als ursächlich Beteiligte an einem Verkehrsunfall bei dem eine Mauersäule des genannten Hauses beschädigt wurde, nicht sofort angehalten,
3. das Fahrzeug dort und anschließend bis in die Hegnerstraße auf Höhe des Hauses Burghard-Breitnerstr. 8 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und
4. in einem solchen körperlichen Zustand gelenkt, der das sichere Beherrschen des Fahrzeuges nicht gewährleistete, da sie den linken Unterarm in Gips getragen habe, wodurch sie das Lenkrad nicht ordentlich halten habe können und beim Drehen des Lenkrades immer wieder nachgreifen musste.
Sie habe zu den Punkte 1) und 2) die Rechtsvorschriften des § 4 Abs1a StVO, zu 3) die des § 5 Abs1 StVO und zu 4) die des § 58 Abs1 StVO verletzt und wurde über sie zu 1) und 2) gemäß § 99 Abs2a StVO zu Geldstrafen von S 5.000,-- (Ersatzarrest 5 Tage), zu 3) gemäß § 99 Abs1a StVO zu einer Geldstrafe in Höhe von S 12.000,-- (Ersatzarrest 12 Tage) und zu 4) gemäß § 99 Abs3a StVO zu einer Geldstrafe in Höhe von S 5.000,-- (Ersatzarrest 5 Tage) sowie zum Kostenersatz der Verfahrenskosten I. Instanz verurteilt.
Das Straferkenntnis wurde dem Rechtsvertreter am 7.12.2000 zugestellt.
Innerhalb offener Frist wurde eine Berufung erhoben. In dieser wird vorgetragen, dass J. die angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen habe. Das Verwaltungsstrafverfahren habe sich bisher gegen J., nicht etwa gegen ihren Ehemann, gerichtet. Es wird der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle das angefochtene Straferkenntnis beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.
Sollte sich das angefochtene Straferkenntnis gegen J. richten, so werde dieses mit der Berufung bekämpft. Die Berufungswerberin bestreite nicht die im Punkt 1) und 2) erwähnten Unfälle mit Sachschaden verursacht zu haben. Sie bestreite auch nicht, nicht sofort angehalten zu haben. Die Strafen seien jedoch überhöht und das sie sich damals in einem seelischen Ausnahmezustand befunden habe (sie habe von einer schweren Erkrankung ihres Ehegatten erfahren). Ferner solle erwähnt werden, dass sie eine kleine Angestellte sei und für einen kranken Ehemann und ein Kind zu sorgen habe, und nicht in der Lage sei, eine derartige exorbitante Geldstrafe zu bezahlen. Die Sachschäden seien von der Haftpflichtversicherung der Berufungswerberin bezahlt worden, sie müsse sich allerdings mit Regreßforderungen ihrer Haftpflichtversicherung auseinandersetzen.
Zum Vorwurf der Übertretung nach § 5/1 StVO werde bemerkt, dass der verwendete Alkomat, Marke Siemens M52052-A116/A15, V 12-244, laut Anzeige am 18.5.2000 überprüft worden sei. Ein derartiger Überprüfungsbericht ersetze jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die vom Gesetzgeber geforderte Eichung. Eine Eichung oder eine eichamtliche Bestätigung darüber, dass der verwendete Alkomat im Tatzeitpunkt die erforderliche Eichung aufgewiesen hätte, sei im Verwaltungsstrafakt nicht enthalten. Das Meßergebnis sei daher nicht geeignet die Berufungswerberin einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs1 StVO zu überführen.
Zu Punkt 3) wird vorgebracht, dass die Beschuldigte am 6.6.2000 eine Fractura radi distsin, also eine Handverletzung erlitten und einen Unterarmgips getragen hatte, der die Beweglichkeit des Ellbogens nicht beeinträchtigte. Die Berufungswerberin sei daher einwandfrei in der Lage gewesen, ihr Fahrzeug zu lenken, was sich auch aus ihrer Niederschrift am 18.6.2000 ergebe, in der sie wörtlich erklärte habe, dass sie trotzdem sie am linken Arm einen Unterarmgips habe, sie das Fahrzeug beherrschen könne. Zum Beweis dafür werde die beiliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt und beantragt einen medizinischen Sachbefund aufzunehmen. Im Übrigen sei auch die verhängte Geldstrafe zu Punkt 4) zu hoch und werde auch der Höhe nach bekämpft.
Es wird der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis beheben bzw. das Verwaltungsstrafverfahren einstellen bzw. die verhängten Geldstrafen entsprechend herabsetzen.
Eine mündliche Berufungsverhandlung wird beantragt.
In weiterer Folge wurde von der Bundespolizeidirektion Innsbruck ein Berichtigungsbescheid erlassen, wonach der Vorname im Straferkenntnis von J. auf J. korrigiert wird.
Ein Rechtsmittel dagegen wurde nicht erhoben. Der Berichtigungsbescheid ist somit in Rechtskraft erwachsen.
In Folge der erhobenen Berufung wurde am 10.10.2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der die Berufungswerberin sowie die Zeugen Insp. W. und Bez.Insp. F., einvernommen wurden. Ferner erstattete der Sachverständige Dr. F. sein Gutachten. Ferner wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Innsbruck mit der Zl. St-V-6994/00, in das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 3.7.2001 sowie in den Lieferschein/Überprüfungsprotokoll des verwendend Alkomaten M52052-A15 vom 16.11.2000 und 18.5.2000.
Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Am 17.6.2000 gegen 17.00 Uhr befand sich die Berufungswerberin bei ihren Eltern in der Frau-Hitt-Straße. Dort wurde von ihr Alkohol konsumiert. Gegen 17.20 Uhr fuhr sie von dort zu sich nach Hause in die Hegnerstraße. Im Verlauf dieser Strecke beschädigte die Berufungswerberin mit ihrem Pkw mit dem Kennzeichen I. im Bereich der Frau-Hitt-Straße - Schneeburggasse den dort abgestellten BMW bei der hinteren rechten Türe und beim hinteren Rad sowie beim Haus Schneeburggasse 21 eine Säule. Die Berufungswerberin hielt nicht an und fuhr einfach weiter. Aus diesem Grund wurde die Funkleitstelle der Bundespolizeidirektion Innsbruck verständigt, welche eine Fahndung nach dem Pkw mit dem Kennzeichen I-2705 K durchgab. Die Beamten Bez.Insp. F. und Bez.Insp. W. beteiligten sich an der Fahndung und konnten die Lenkerin auf der Radetzkystraße in Fahrtrichtung Süden sichten. Die Berufungswerberin bog links in die Hegnerstraße ab und parkte das Fahrzeug auf Höhe des Hauses Burghard-Breitnerstraße ein. Beim Einparken konnten die Beamten feststellen, dass die Lenkerin am linken Unterarm einen Gipsverband hatte, welcher bis in die Hand hineinreichte. Sie nahmen war, dass die Berufungswerberin beim Drehen des Lenkrades immer wieder mit der rechten Hand nachgreifen musste, sodass es zu ruckartigen Lenkbewegungen kam. Im Zuge der Amtshandlung fiel ihnen auf, dass die Ausatemluft der Berufungswerberin nach alkoholischen Getränken roch und ihre Sprache ?lallend? war. Sie forderten die Berufungswerberin auf, einen Alkomattest durchzuführen. Die Berufungswerberin kam dieser Aufforderung nach und wurde in das Wachzimmer Reichenau gebracht. Dort wurde mit dem Alkomat der Marke Siemens M52052-A116/A15 ein Alkomattest durchgeführt, wobei sich bei der ersten Messung um 17.48 Uhr ein Wert von 0,72 mg/l und bei der zweiten Messung um 17.53 Uhr ein solcher von 0,74 mg/l ergab. Der verwendete Alkomat war am 18.5.2000 gewartet worden, ebenfalls am 25.11.1999. Auf dem verwendeten Alkomaten war zum Zeitpunkt der Messung ein gültiges ?Eichpickerl? darauf. In weiterer Folge wurde der Führerschein abgenommen und der Berufungswerberin eine Abnahmebestätigung ausgestellt.
Was die Sachverhaltsfeststellungen anlangt, so konnten so gut wie alle Beweismittel herangezogen werden. Von der Berufungswerberin wurde nicht bestritten, dass sie nach den jeweiligen Beschädigungen ihr Fahrzeug nicht angehalten hat und dass sie auf der Fahrt alkoholisiert war. Hinsichtlich ihrer Lenkfähigkeit führte sie aus, dass sie durch ihren Handgips dabei nicht beeinträchtigt war. Ferner wurde behauptet, dass kein geeichtes Alkomatgerät verwendet wurde. Zu diesem Punkt ist auf die Aussage der Beamten zu verweisen, dass von ihnen immer geeichtes Alkomatgerät verwendet wird und dass zum Zeitpunkt der Messung ein ?Eichpickerl? vorhanden war. Aus den von den Zeugen beigelegten Unterlagen ergibt sich auch, dass der Alkomat regelmäßig gewartet wird. Es ist auch amtsbekannt, dass dann, wenn im Zuge der Wartung eine neue Eichung notwendig ist, diese von der Firma Siemens beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen veranlasst wird. Aus den vorhandenen Lieferscheinüberprüfungsprotokoll ergibt sich, dass keine große Wartung durchgeführt wurde. Eine solche Wartung wird dann durchgeführt, wenn es zu einer eichamtlichen Abnahme kommt. Die vorgelegten Überprüfungsprotokolle objektivieren die Angaben der Beamten. Dass die Berufungswerberin alkoholisiert war, ergibt sich aus den Beobachtungen der Beamten über die Fahrweise und der Tatsache, dass sie deutliche Alkoholisierungssymptome aufwies, einen unsicheren Gang hatte und die Aussprache lallend war. Aus dem Alkomatergebnis lässt sich eine erhebliche Alkoholisierung (0,72 mg/l) entnehmen.
Der von der Berufungsbehörde erhobene Schuldvorwurf zu Punkt
3) ist daher gerechtfertigt. Was die Höhe der verhängten Geldstrafe anlangt, so ist auszuführen, dass von der Erstbehörde diesbezüglich die Mindeststrafe verhängt wurde, sodass eine Herabsetzung nicht in Betracht kommen kann.
Von der Berufungswerberin wurde auch eingeräumt, dass sie nicht angehalten hat und wurde die Geldstrafe auch nur der Höhe nach bekämpft. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände zum damaligen Zeitpunkt ist die verhängte Geldstrafe etwas zu hoch ausgefallen und ist daher eine Geldstrafe von S 2.500,-- gerechtfertigt. Mit der Verhängung dieser Geldstrafe wird der mögliche Strafrahmen nicht einmal zu 10 % ausgeschöpft. Als Schuldform ist von Fahrlässigkeit auszugehen.
Was den Schuldvorwurf zu Punkt 4) anlangt, so ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten eindeutig, dass die Berufungswerberin durch das Anlegen des Gipses in ihrer Fähigkeit das Fahrzeug zu beherrschen, behindert war. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Beobachtungen der Exekutivbeamten, wonach die Berufungswerberin beim Drehen des Lenkrades mit der rechten Hand nachgreifen musste, woraus ruckartige Lenkbewegungen resultierten, medizinisch zwanglos nachvollziehbar sind. Eine Beeinträchtigung ergibt sich aus der beobachteten ?ruckartigen? Fahrweise und der Tatsache, dass von der Berufungswerberin im Bereich Frau-Hitt-Straße/Schneeburggasse ein Pkw und eine Mauer beschädigt wurde. Von der Berufungswerberin wurde angegeben, dass der Fractura radi distsin vorne (in Richtung Handgelenk) war. Es ist daher davon auszugehen, dass in der Klinik ein ordnungsgemäßer Gips angelegt wurde, der in die Hand hinein reichte, um den Unterarm ruhig zu stellen. Der von der Erstbehörde erhobene Schuldvorwurf ist gerechtfertigt. Allerdings ist die verhängte Geldstrafe etwas zu hoch ausgefallen, da die Alkoholisierung sicherlich auch einen Einfluß auf die Beherrschbarkeit des Fahrzeuges hatte und ist daher eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzarrest 1 Tag) als schuld- und tatangemessen zu betrachten.
Aus diesen Gründen konnte den Berufungen zu den Punkten 1),
2) und 5) teilweise Folge gegeben werden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.