Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn A K, wohnhaft S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 6.6.2001, GZ.: 15.1 3284/2000, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz
1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24
Verwaltungsstrafgesetz
1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung
Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber eine Übertretung des § 87 Abs 5 Bauarbeiterschutzverordnung zur Last gelegt, da seine Arbeitnehmer M W und R K am 25.5.2000 auf der Baustelle ÖWGes-Wohnhaus Semriach Bau 10 bei der Firstkappenmontage beschäftigt waren, ohne dass diese mittels Sicherheitsgeschirren abgesichert gewesen sind. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von S 8.000,-- verhängt.
In seiner dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung bestritt der Berufungswerber den objektiven Sachverhalt nicht, berief sich jedoch auf ein ausreichendes Kontrollsystem. Alle Arbeitnehmer seien hinsichtlich der einschlägigen Sicherheitsbestimmungen unterwiesen worden. Überdies würden die Baustellen von seinen Bauleitern, den Sicherheitsfachkräften, sowie ihm selbst in unregelmäßigen Abständen kontrolliert. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Hiezu sind entsprechende, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Entscheidend dafür, welche Tathandlung die Behörde der Verwaltungsvorschrift unterstellt hat, ist daher die Bezeichnung im Spruch des Erkenntnisses. Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfasste, äußere menschliche Verhalten. Dieses Verhalten kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Umstände so genau zu umschreiben, dass 1.)die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2.)die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13.6.1984, Slg. NF 11.466/A). Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn a.)im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b.)der Spruch geeignet ist, dem Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu beschützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11.894/A). Im Anlassfall hat die belangte Behörde in wortgleicher Übernahme des Strafantrages des Arbeitsinspektorates Graz vom 26.5.2000 in ihrer Aufforderung zur Rechtfertigung und weiters in das angefochtene Straferkenntnis nachstehenden Tatvorwurf übernommen: Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A K GesmbH., mit Sitz in S, und somit im Sinne des § 9 VStG. für die Vertretung dieser GesmbH. nach außen berufene Person nicht dafür gesorgt, dass bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern Ihrer Firma die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes eingehalten worden sind. Anlässlich einer Besichtigung der Baustelle ÖWGes-Wohnhaus Semriach Bau 10 am 25.05.2000 um 11.10 Uhr durch das Organ des Arbeitsinspektorates Graz, Herrn Ing. K G, wurde festgestellt, dass die in Ihrer Firma beschäftigten Arbeitnehmer M W, R K und W P, bei Firstkappenmontagen beschäftigt waren ohne dass diese mittels Sicherheitsgeschirren einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer und Höhensicherungsgeräte gegen Absturz gesichert gewesen sind. Dieser Tatvorwurf entspricht aus nachstehenden Gründen nicht den Konkretisierungserfordernissen des § 44 a VStG:
§ 87 BauV regelt verschiedene Varianten von Absturzsicherungen bei Arbeiten auf Dächern, wobei je nach dem Grad der Gefährdung und der Art der durchgeführten Tätigkeiten verschiedene Sicherungsvarianten vorgesehen sind. Als Abgrenzungskriterien dienen hiebei in erster Linie die Dachneigung und die Absturzhöhe. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44 a VStG und die Rechtssprechung der Unabhängigen Verwaltungssenate (vgl unter anderem UVS 303.12-15/2000 und UVS 30.15-53/2000) sind gerade bei jenen Bestimmungen der BauV, welche mehrere Alternativen für Absicherungsmaßnahmen, abhängig von Absturzhöhe, Dachneigung und konkretem Arbeitsort (am Dachsaum, im Giebelbereich etc) vorsehen, besonders strenge Anforderungen an die Spruchkonkretisierung zu stellen. So sind insbesondere bei der Umschreibung der jeweiligen Tatbilder die Angabe der Traufenhöhe und der Dachneigung wesentliche Spruchmerkmale. Im Anlassfall hat es der meldungslegende Arbeitsinspektor leider verabsäumt, diese wesentlichen Tatbestandsmerkmale in seine Anzeige aufzunehmen und wurde der angezeigte Sachverhalt von der belangten Behörde ungeprüft in die als erste Verfolgungshandlung anzusehende Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21.6.2000 und weiters ins angefochtene Straferkenntnis übernommen. Da der Berufungswerber innerhalb der sechsmonatigen Frist für die Verfolgungsverjährung auch keine Akteneinsicht genommen hat, wurde ihm der angelastete Sachverhalt nie mit der erforderlichen Deutlichkeit zur Kenntnis gebracht, weshalb diesbezüglich auch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen war. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, hatte gemäß § 51 e Abs 2 VStG eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung zu entfallen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.