TE UVS Steiermark 2001/10/31 30.15-46/2001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.10.2001
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn O S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R H, J, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 28.5.2001, GZ.: 15.1 22385/1999, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich des Punktes 1.) Folge gegeben, und die Strafe auf S 3.000,-- (? 218,02) - im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe - gemäß § 16 VStG herabgesetzt.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz hinsichtlich dieses Punktes auf S 300,-- (? 21,80), welcher Betrag binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten ist.

Hinsichtlich des Punktes 2.) wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, dass das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt wird.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma S GesmbH mit dem Sitz in J, in Punkt 1.) eine Übertretung der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 17 der KJBG-VO (Bedienen eines Bauaufzuges durch den Lehrling im ersten Lehrjahr, M K) und in Punkt 2.) eine Übertretung des § 7 Z 3 KJBG-VO (ungesicherte Dacharbeiten durch den gleichen Lehrling) zur Last gelegt und über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretungen in Punkt 1.) eine Geldstrafe von S 5.000,-- und in Punkt 2.) eine Geldstrafe von S 10.000,-- verhängt.

Die dagegen rechtzeitig eingebrachte Berufung wendet sich in Punkt

1.) nur gegen die Höhe der Strafe. Rechtfertigend wird vorgebracht, es handle sich bei der Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 17 KJBG-VO um eine praxisferne Rechtsvorschrift, da das Bedienen eines Bauaufzuges in keinster Weise gefährlich sei und nur zwei Knöpfe, nämlich einer für den Hinauftransport, sowie der andere für den Herabtransport zu bedienen sind. Im Punkt 2.) wurde eingewendet, der Lehrling habe weder vom Berufungswerber noch vom Vorarbeiter G E einen Auftrag erhalten, die Anlehnleiter zu besteigen und Arbeiten auf dem Dach durchzuführen, vielmehr sei dem Lehrling das Betreten des Daches ausdrücklich verboten worden und habe sein Arbeitsauftrag lediglich darin bestanden, am Boden Aufräumarbeiten durchzuführen. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Wegen des sachlichen Zusammenhangs wurde dieses Verfahren mit den Verfahren GZ.: UVS 303.15-21/2001 und 30.15-47/2001 (betreffend jeweils Übertretungen der BauV bzw des ASchG hinsichtlich der selben Baustelle) gemäß § 51e Abs 7 VStG zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Nach Durchführung dieser öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 25.9.2001 wird nach Einvernahme des Berufungswerbers, sowie der Zeugen H G, H D, RI K M, M K, G und W E, sowie U B unter Verwertung der in der Verhandlung vorgekommenen Urkunden, insbesondere der Tatortfotos nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen: Die S GesmbH hatte den Auftrag, beim Wohnhaus der Familie B in T die Hälfte des bestehenden Wohnhauses neu einzudecken. Der Berufungswerber kalkulierte die Dauer der Arbeiten mit fünf Tagen, beginnend am Montag vor dem Unfall des Herrn K, welcher sich am Samstag, den 22.5.1999 ereignete. Von Montag bis Freitag arbeitete zunächst der Vorarbeiter G E mit W H auf der Baustelle. Als die Arbeiten unter anderem wegen des Schlechtwetters, welches während der Woche geherrscht hatte, am Freitag, den 21.5.1999 noch nicht abgeschlossen waren und die Bauherren auf eine rasche Fertigstellung drängten, stellte der Berufungswerber anlässlich einer Baustellenbesprechung am Freitag eine freiwillige Arbeiterpartie für den Pfingstsamstag zusammen. Es meldeten sich für diesen Tag zusätzlich W E und der Lehrling K. Der Berufungswerber teilte dem Vorarbeiter G E mit, dass K am Samstag Aufräumarbeiten im Bodenbereich durchführen solle, sowie den Baustellenaufzug zu bedienen habe. Am Samstag, den 22.5.1999 arbeiteten G und W E, sowie W H auf dem Dach, wobei der jeweilige Arbeitsbereich, wie auch an den Tagen zuvor, mit Dachschutzblenden abgesichert war. An diesem Tag war das Wetter wechselhaft und mussten die Arbeiten mehrmals unterbrochen werden, wobei die abgedeckte Dachfläche mit Planen abgedeckt wurde. Kurz vor dem Unfall des Herrn K, welcher sich gegen 14.50 Uhr ereignete, begann es wieder zu regnen und beschloss der Vorarbeiter G E, die Arbeiten für diesen Tag einzustellen. Es wurden daher die Dachschutzblenden letztmalig abmontiert und über eine Anlehnleiter, welche unmittelbar neben dem Arbeitsbereich am Dach aufgestellt war hinuntertransportiert und am Boden neben dem Nebengebäude zwischengelagert. Die zu diesem Zeitpunkt gerade in Arbeit befindliche Dachfläche befand sich im Bereich des Dachsaumes. Während die drei erwachsenen Arbeitnehmer auf dem Dach noch mit dem Abdecken des Daches beschäftigten waren, bestieg der Lehrling K die Anlehnleiter und glitt beim Übertritt von der Leiter auf das regenasse Eternitdach aus und stürzte ca sechs Meter tief ab. K erlitt bei dem Unfall einen Kieferbruch und ein Schädelhirntrauma und befand sich ca fünf Monate im LKH Graz, im LNKH Graz und im Reha-Zentrum Meidling. Beweiswürdigung: In Punkt

1.) gründet sich die entscheidungswesentliche Feststellung, dass sowohl dem Berufungswerber als auch dem Vorarbeiter G E das Beschäftigungsverbot des § 6 Abs 1 Z 17 KJBG-VO offensichtlich unbekannt war und der Berufungswerber selbst den Auftrag erteilte, dass der Lehrling den Baustellenaufzug zu bedienen habe auf die überstimmenden Angaben dieser beiden Personen. In Punkt 2.) gründen sich die Feststellungen, dass am Tattag Dacheindeckungsarbeiten im Bereich des Dachsaumes durchgeführt wurden, die Schutzblenden zum Zweck des Abplanens entfernt werden mussten und die erwachsenen Arbeitnehmer während der Durchführung dieser Arbeiten angeseilt waren, auf die in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Angaben der einvernommenen Arbeiter, sowie weiters der Zeugin U B und vor allem auf die Tatortfotos, auf welchen teilweise ein am Kamin befestigtes Seil mit Seilstopper erkennbar ist. Dass der Lehrling K im Gegensatz zu den erwachsenen Arbeitnehmern beim Besteigen der Anlehnleiter ungesichert war, ist durch die Tatsache des Absturzes erwiesen. Was der Lehrling auf dem Dach wollte und ob er die Leiter mit oder ohne ausdrücklichen Auftrag des Vorarbeiters bestiegen hat, konnte im Verfahren nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden, da der Lehrling selbst angab, sich an den genauen Unfallshergang und die unmittelbar zuvor erhaltenen Anweisungen nicht mehr erinnern zu können. Rechtliche Beurteilung in Punkt 2.): In Punkt 2.) wurde dem Berufungswerber ein Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot des § 7 Z 1 KJBG-VO zur Last gelegt. Diese Bestimmung hat in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung folgenden Wortlaut: Arbeiten auf Bau- und Montagegestellen, wie Arbeiten auf Dächern und Mauern über die Hand auf Stockwerksdecken, Montagearbeiten des Stahl- und des konstruktiven Hochbaues, Arbeiten auf Hochspannungsmasten, an denen Absturzgefahr besteht, sofern nach der Art der Arbeit keine technischen Schutzmaßnahmen gegen Absturz getroffen werden müssen und auch nicht getroffen sind; erlaubt nach 12 Monaten Ausbildung unter Aufsicht . Diese Tat wurde dem Berufungswerber von der belangten Behörde dem geänderten Strafantrag des Arbeitsinspektorates vom 28.6.1999 folgend, mit dem als erste Verfolgungshandlung anzusehenden Ladungsbescheid vom 27.7.1999 und wortgleich im angefochtenen Straferkenntnis mit folgender Formulierung zur Last gelegt: Die gegenständliche Baustelle selbst und der unter 1.) genannte Lehrling zumindest am 22.05.1999 um ca 14.50 Uhr nicht gegen Absturz gesichert waren, sodass Herr K am regennassen Eternitdach ausglitt und 6 m zu Boden stürzte, wobei er sich lebensgefährliche Verletzungen zuzog . Die in einem schwerverständlichen Schachtelsatz formulierte Bestimmung des § 7 Z 1 KJBG-VO ist im Ergebnis so zu interpretieren, dass unter anderem Arbeiten auf Dächern nur unter der Voraussetzung ("sofern") verboten sind, dass nach der Art der Arbeit keine technischen Schutzmaßnahmen gegen Absturz getroffen werden müssen und auch nicht getroffen sind. Auf Dacharbeiten bezogen folgt daraus, dass das Beschäftigungsverbot nur für solche Dacharbeiten gilt, bei denen technische Absturzsicherungen im Sinne der §§ 7 bis 10 bzw 87 und 88 BauV (Dachschutzblenden, Dachfanggerüste etc) weder auf Grund der gesetzlichen Vorschriften erforderlich, noch konkret vorhanden sind. Diese Voraussetzungen sind im Anlassfall erfüllt, da das Parallelverfahren, GZ.: UVS 303.15-21/2001 ergeben hat, dass unmittelbar vor dem Unfall Dacharbeiten im Bereich des Dachsaumes durchgeführt wurden und die gegenständlichen Tätigkeiten daher nicht, wie von der belangten Behörde ursprünglich angenommen, unter § 87 Abs 3, sondern unter § 87 Abs 5 BauV zu subsumieren sind. Leider hat es jedoch die belangte Behörde verabsäumt, im KJBG-Verfahren einen Tatvorwurf zu formulieren, welcher das dem Berufungswerber angelastete Beschäftigungsverbot des § 7 Z 1 KJBG-VO mit einer dem § 44a VStG entsprechenden Deutlichkeit zum Ausdruck bringt. Der Tatvorwurf, dass "die gegenständliche Baustelle selbst und der unter 1.) genannte Lehrling nicht gegen Absturz gesichert waren" bringt nämlich genau das Gegenteil dessen zum Ausdruck, was § 7 Z 1 KJBG als Tatbestandsvoraussetzung nennt. Nicht das Nichtvorhandensein, sondern im Gegenteil das zulässige Fehlen von technischen Schutzmaßnahmen gegen Absturz ist nämlich Voraussetzung für die Anwendung dieser Gesetzesstelle. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass die Berufungsbehörde den Tatvorwurf in Punkt 2.) vollständig neu fassen müsste, um den Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Z 1 KJBG-VO gerecht zu werden. Dies würde jedoch im Ergebnis auf eine Auswechslung der Tat hinauslaufen, welche der Berufungsbehörde jedenfalls verwehrt ist. Es war daher im Ergebnis das Verfahren in Punkt 2.) einzustellen, da der Berufungswerber die ihm mit dem vorliegenden Spruch angelastete Tat nicht begangen hat. Zur Strafbemessung (im verbleibenden Punkt 1.): In diesem Punkt hat der Berufungswerber nur eine Strafberufung eingebracht, sodass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen ist. Die Strafnorm des § 30 KJBG sieht für die somit als erwiesen anzunehmende Übertretung des § 6 Abs 1 Z 17 KJBG-VO im ersten Strafsatz eine Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,-- vor. Die belangte Behörde hat somit dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates folgend eine Geldstrafe im Ausmaß von einem Drittel der Höchststrafe verhängt. Hiebei ist dem Berufungswerber zuzugestehen, dass das Führen eines Bauaufzuges, welches sich im Beladen des Aufzuges und im Betätigen der Schaltknöpfe erschöpft, sicherlich kein so hohes Gefahrenpotential birgt, wie beispielsweise ungesicherte Dacharbeiten oder das Arbeiten auf Anlegeleitern und Gerüsten. Die verbotene Bedienung des Bauaufzuges durch den Lehrling steht auch in keinem Kausalzusammenhang mit dem in der Folge stattgefundenen Unfall. Somit erscheint die von der belangten Behörde mit immerhin einem Drittel der Höchststrafe bemessene Strafe vom Ansatz her doch zu hoch bemessen und war daher herabzusetzen. Umgekehrt konnte jedoch dem Antrag des Berufungswerbers auf Absehen von der Bestrafung bzw Erteilung einer Ermahnung gemäß § 21 VStG nicht Folge gegeben werden, da das Verfahren auch ergeben hat, dass dem Berufungswerber selbst das Beschäftigungsverbot des § 6 Abs 1 Z 17 gar nicht bekannt war und er selbst den Auftrag erteilte, dass der Lehrling den Bauaufzug zu bedienen habe. Da von einem Arbeitgeber, welcher Lehrlinge ausbildet, jedenfalls erwartet werden kann, dass er die einschlägigen Bestimmungen des KJBG und die dazu ergangenen Verordnungen kennt, kann bei dieser Sachlage von einem geringfügigen Verschulden, welches die Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen des § 20 und § 21 VStG darstellt, nicht gesprochen werden. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat für beide Punkte des Straferkenntnisses undifferenziert zu Unrecht einerseits als mildernd die bisherige Straflosigkeit angenommen, obwohl der Berufungswerber wegen einer Übertretung der StVO aus dem Jahre 1997 nicht absolut unbescholten ist, andererseits zu Unrecht als erschwerend den schweren Arbeitsunfall des Herrn K gewertet, obwohl der Kausalzusammenhang mit dem Arbeitsunfall nur in Punkt 2.), nicht jedoch in Punkt 1.) des Straferkenntnisses besteht. Daher ist im Ergebnis richtig von keinem Milderungs- und keinem Erschwerungsgrund auszugehen. Die vom Berufungswerber selbst mit S 700.000,-- brutto jährlich, einem Einfamilienhaus mit einem Wert laut Berufungswerber von ca S 1 Million, einem PKW der Marke Mercedes SLC 500, Baujahr 1983 und einer Stammeinlage bei der S GmbH von S 500.000,--, davon eingezahlt S 375.000,--, Sorgepflichten für zwei Kinder und Kreditrückzahlungen für die Liegenschaft in offener Höhe von ca S 1,8 Millionen, angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden bei der Strafbemessung berücksichtigt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Jugendliche Beschäftigungsverbot technische Schutzmaßnahmen fehlen Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten