Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 AVG Folge gegeben und das angefochtene
Straferkenntnis aufgehoben. Gemäß §45 Abs1 Z3 VStG wird die Einstellung der Strafverfahren verfügt.
Der erste Satz des Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hat folgenden Wortlaut:
?Sie haben als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach aussen berufenes
Organ der Firma B**** AG mit dem Sitz in W***** N******, IZ **-***, vorsätzlich nicht
verhindert, daß in den nachgenannten B****-Filialen folgende Arbeitnehmerinnen in der Nacht beschäftigt wurden, obwohl Arbeitnehmerinnen in der Nacht, das ist die Zeit
zwischen 20,00 Uhr und 06,00 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen und eine
Ausnahmegenehmigung gemäß §4 Abs10 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen nicht vorlag:?
In der Folge sind dann, geordnet nach Filialen, namentlich 70 Arbeitnehmerinnen und
deren während der Nachtzeit an den einzelnen Tagen geleistete Arbeitsstunden angeführt.
Über den Beschuldigten wurden gemäß §*9 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen 70 Geldstrafen im Gesamtausmaß von S 210.000,--
(Ersatzfreiheitsstrafen insgesamt 210 Tage) verhängt.
In der fristgerecht eingebrachten und mit einer Begründung versehenen Berufung
beantragt der Beschuldigte die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und
die Einstellung der Strafverfahren. In eventu wird eine Herabsetzung der Strafen begehrt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Wenngleich im angefochtenen Straferkenntnis der §*9 Abs6 VStG nicht zitiert wird, ist aus
seinem Inhalt und dem Akteninhalt erkennbar, dass sich die Bestrafung des Beschuldigten
offensichtlich nur auf diese Bestimmung stützen kann.
Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 2.7.1990, Zl. 90/19/0053, ausgesprochen hat,
setzt die Anwendung des §*9 Abs6 VStG die rechtswirksame Bestellung eines
verantwortlichen Beauftragten einerseits und die vorsätzliche Nichtverhinderung der vom
verantwortlichen Beauftragten begangenen Tat durch das nach §*9 Abs1 VStG
verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ andererseits voraus. Diese für die
verwaltungsstrafrechtliche Haftung nach der genannten Bestimmung erforderlichen beiden
Tatbestandselemente müssen daher auch bei der Umschreibung der als erwiesen
angenommenen Tat im Sinne des §44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck kommen.
Nach der einschlägigen Judikatur des VwGH müssen alle für die jeweilige Übertretung
wesentlichen Tatbestandselemente dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist
vorgehalten werden, um den Eintritt der Verjährung gemäß §31 VStG hintanzuhalten. Der Eintritt der Verjährung ist von amtswegen durch die Berufungsbehörde wahrzunehmen,
auch wenn die Einrede der Verjährung in der Berufung nicht vorgebracht wurde.
Das wesentliche Tatbestandselement der Bestellung von verantwortlichen Beauftragten
für die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten B****-Filialen scheint
weder im erstinstanzlichen Straferkenntnis noch in der innerhalb der 6-monatigen Frist für
die Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 2 erster Satz VStG) ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom ** * **** auf. Die Akteneinsicht durch die Rechtsvertreter des Beschuldigten, die auch die Anzeige des Arbeitsinspektorates vom ** * ****, aus der die Tatsache der Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für die einzelnen B-Filialen
ersichtlich ist, umfasste, erfolgte erst am * **** **** und damit nach Ablauf der 6-monatigen
Frist für die Verfolgungsverjährung, welche am ** **** **** geendet hat.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass im Tatvorwurf des erstinstanzlichen
Straferkenntnisses und in der einzigen fristgerechten Verfolgungshandlung die für eine Übertretung nach §9 Abs6 VStG notwendige Aussage, dass ?der Beschuldigte als
Vorstandsmitglied des Unternehmens die in Rede stehenden Verstöße gegen das Bundesgesetz über die Nachtarbeit der Frauen durch die (namentlich anzuführenden)
verantwortlichen Beauftragten vorsätzlich nicht verhindert hat?, durch das Fehlen eines
wesentlichen Tatbestandselementes nur zum Teil enthalten ist.
Wegen des Eintrittes der Verfolgungsverjährung war daher das angefochtene
Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung der Strafverfahren zu verfügen.
Anzumerken ist, dass die für die in Rede stehenden B****-Filialen bestellten
verantwortlichen Beauftragten bereits rechtskräftig bestraft wurden.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.