TE UVS Niederösterreich 2001/11/12 Senat-MI-01-2040

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Veröffentlicht am 12.11.2001
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Spruch

Die Berufung gegen den Bescheid vom ************, Zl 3-****-00, betreffend Bestrafung nach der StVO wird gemäß § 66 Abs 4 AVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG wird die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

 

Der Berufung gegen den Spruchpunkt 2 des Bescheides vom ************, Zl 3-****-00, betreffend Bestrafung nach dem KFG wird keine Folge gegeben, der Spruch des angefochtenen Bescheides aber dahingehend abgeändert, dass die Übertretungsnorm zu lauten hat: ?§§ 102 Abs 2 Satz 1, 134 Abs.1 KFG?.

 

Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG S 100,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens erster Instanz (S 50,--) zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG).

Text

Dem Berufungswerber wird zur Last gelegt, am 5. Februar 2000 gegen

15.45 Uhr im Ortsgebiet von N******** vor dem Haus L********** * den Kombi mit dem Kennzeichen * *** ** gelenkt und dabei

 

1. den Lenkplatz nicht in bestimmungsgemäßer Weise eingenommen zu haben, da er sich bei geöffneter Fahrertür aus dem Fahrzeug gebeugt hätte und

2. nicht so weit rechts gefahren zu sein, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer sowie ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei.

 

Der Anzeige des Gendarmerieposten L******** vom 7. Februar 2000 zufolge hätte der Berufungswerber den Ort der Lenker- und Fahrzeugkontrolle vor dem Haus L********** * verlassen und sei währenddessen über eine Strecke von ca 20 m mit einer etwa 60 cm weit geöffneten Fahrertür weggefahren. Währenddessen hätte er sich aus dem Fahrzeug gebeugt, nach hinten (zu den Beamten) geblickt und diese mit den Worten ?klana Haida und Nazibua? beschimpft. Infolge dessen hätte er insoweit die volle Herrschaft über sein Fahrzeug verloren, als er über die Fahrbahnmitte hinaus etwa 1 m auf die linke Fahrbahnhälfte geraten sei. Während des Wegfahrens sei er darüberhinaus nicht angegurtet gewesen.

 

Dazu hielt der Berufungswerber in seiner Stellungnahme vom 31. März 2000 fest, dass man ihm zunächst eine Geschwindigkeitsübertretung vorgehalten hätte. Vor der Abfahrt hätte er im Hinblick auf die Unleserlichkeit der Organstrafmandate einem Beamten zugerufen, dass er Schreiben lernen möge. Weitere Beschimpfungen hätte er jedoch nicht gemacht. Unrichtig sei, dass er während des Wegfahrens die Fahrertür offen gehabt hätte bzw auf die linke Fahrbahnseite geraten sei. Im übrigen hätte er sich unmittelbar nach dem Anfahren angegurtet, was jedoch keine Strafbarkeit begründe, da damit keine Gefährdung verbunden gewesen sei. Die Gattin und der Sohn des Berufungswerbers gaben zeugenschaftlich einvernommen übereinstimmend an, dass der Berufungswerber aufgefordert worden sei, aus dem Fahrzeug auszusteigen. Nach der Amtshandlung hätte er sich ins Auto gesetzt, die Türe geschlossen, den Sicherheitsgurt angelegt und sei vom Anhalteort normal weggefahren, wobei er nicht zu weit links gefahren sei, sondern etwa die Mitte des Fahrstreifens aufgesucht hätte.

 

Der Zeuge S******* wiederholte im wesentlichen die Angaben der Anzeige, wozu der Berufungswerber festhielt, dass diese im Hinblick auf die Entfernungsangaben widersprüchlich seien. In seiner Berufung wiederholte er im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und monierte die Beweiswürdigung.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde hielt der Berufungswerber ua fest, sich nach der Amtshandlung zunächst angegurtet zu haben und dann weggefahren zu sein. Wenn in der Stellungnahme vom 31. März 2000 etwas anderes stehe, so könne es sich dabei nur um einen ?Redaktionsfehler? auf Seiten seines rechtsfreundlichen Vertreters handeln und hätte er seinem Vertreter nichts anderes gesagt als in der Verhandlung. Im übrigen könne er irgendetwas mit ?Haider? gesagt haben. Im übrigen wiederholte er sein bisheriges Vorbringen.

 

Der Zeuge W**** hielt fest, dass der Berufungswerber im Zuge des Wegfahrens nochmals die Fahrertür geöffnet und in etwa ?Haiderbua? oder ?Nazibua? herausgeschrieen hätte. Dass er sich dabei merkbar weit aus dem Fahrzeug herausgebeugt hätte, seinem Zeugen nicht erinnerlich, er hätte jedoch zu dem Beamten zurückgeschaut. Dabei sei er bis etwa auf die Höhe der Mittellinie der Fahrbahn geraten.

 

Der Zeuge S******* wiederholte, dass der Berufungswerber im Zuge des Wegfahrens die Tür geöffnet und sich aus dem Fahrzeug gebeugt hätte. Dabei hätte er mit der linken Hand die Fahrertür gehalten, sich herausgebeugt und zu dem Beamten zurückgerufen ?du klana Haida und Nazibua?. Im Zuge dessen sei er über die Fahrbahnmitte geraten, wobei das rechte Räderpaar etwa im Bereich der Mitte gewesen sei. Über Vorhalt der Angaben des Zeugen W**** hielt der Zeuge fest, dass sich der Berufungswerber jedenfalls aus dem Fahrzeug gebeugt hätte, da er Blickkontakt mit ihm gehabt hätte.

 

Die Ehegattin des Berufungswerbers, seinen Sohn und seine Schwiegertochter gaben übereinstimmend an, dass sich der Berufungswerber nach der Amtshandlung ?ganz normal? verhalten hätte. Dass er aus dem Fahrzeug herausgerufen oder herausgeschimpft hätte, sei ihnen nicht erinnerlich und die Fahrertür sei im Zuge des Wegfahrens jedenfalls geschlossen gewesen und hätte sich der Berufungswerber auch vor dem Wegfahren angegurtet. Ob das Fenster allenfalls geringfügig geöffnet gewesen sei, könne ebenfalls nicht mit Sicherheit gesagt werden.

 

Die Berufungsbehörde stellt dazu fest:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde grundsätzlich, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist  berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Wird lediglich seitens des Beschuldigten oder zu seinen Gunsten Berufung erhobenen, so darf in einer Berufungsentscheidung oder Berufungsvorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.

 

Zu § 102 Abs2 Satz 1 KFG:

Gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 KFG hat der Lenker den Lenkplatz in bestimmungsgemäßer Weise einzunehmen.

 

In diesem Sinne verstößt es gegen das Gebot des § 102 Abs 2 Satz 1 KFG ua, wenn der Fahrer die zum Abstützen der Füße bestimmten Einrichtungen eines Motorfahrrades (Tretkurbeln, Trittbretter oder Fußraster) nicht benützt, die Beine am Armaturenbrett abstützt, aus dem Seitenfenster streckt oder im Türkensitz verschränkt (vgl Grundtner, KFG5 Anm 29 und 30 zu § 102 KFG). Eine Beeinträchtigung der ?bestimmungsgemäßen Weise? kann aber auch unabhängig von der Körperhaltung des Lenkers vorliegen, etwa wenn dieser während des Lenkens einen Hund auf dem Schoß führt, zumal durch unkontrollierte nicht vorhersehbare Bewegungen des Tieres jederzeit Behinderungen des Lenkers möglich wären (VwGH 10.7.1996, 96/03/079).

 

Verallgemeinert man diese Ansätze, so ist der Fahrersitz in bestimmungsgemäßer Weise eingenommen, wenn es dem Lenker ? je nach beabsichtigtem Fahrmanöver ? möglich ist, das Fahrzeug bestmöglich und ohne Behinderung zu beherrschen bzw das Umfeld des Fahrzeuges wahrzunehmen.

 

Der ratio leges entsprechend verstößt es folglich auch gegen das Gebot der Einnahme des Fahrersitzes in ?bestimmungsgemäßer Weise?, wenn sich der Fahrer (hier: während des Vorwärtsfahrens im Zuge des Anfahrens) bei geöffneter Fahrertüre (hier sogar: mit Blick nach hinten!) aus dem Fahrzeug beugt, zumal auch diesbezüglich eine allenfalls nötige sofortige Reaktion im Hinblick auf entgegenkommenden Verkehr nicht möglich ist. darüber hinaus besteht durch die Veränderung der Körperhaltung nach links die Gefahr, das Fahrzeug unbeabsichtigt ebenfalls in diese Richtung zu lenken.

 

Wenn der Berufungswerber in diesem Zusammenhang ausführt, dass er sich nicht aus dem Fahrzeug gebeugt bzw die Türe nicht geöffnet hätte, so stehen dem die Aussagen der Meldungsleger gegenüber, denen die Behörde insoweit höhere Glaubwürdigkeit zumisst, als sie keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen vermag, dass die Beamten unrichtige Angaben hätten machen sollen. Insbesondere vermochten unsachliche Gründe (etwa persönliche Feindschaft zum Berufungswerber) nicht erkannt zu werden. Den Angaben des Berufungswerber kommt aber auch insoweit geringere Glaubwürdigkeit zu, als dieser seine Verantwortung hinsichtlich des Angurtens nach der Amtshandlung im Zuge des Verfahrens änderte und die diesbezügliche Erklärung (?Redaktionsversehen?) der Behörde nicht schlüssig erscheint. Nicht zuletzt kann nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber über den Vorwurf des Schreibenlernens hinausgehende verbale Entgleisungen entgegen gegenteiliger Beteuerungen im gesamten Verfahren in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zumindest teilweise eingestand. Daran vermögen auch die Angaben der Ehegattin, des Sohnes und der Schwiegertochter des Berufungswerbers nichts zu ändern, wonach der Berufungswerber mit geschlossener Tür den Ort der Amtshandlung verlassen hätte, zumal den genannten Zeugen die ? selbst vom Berufungswerber eingestandenen und von den Zeugen W**** und Sch***** bestätigten ? lautstarken Äußerungen des Berufungswerbers nicht aufgefallen sind, obgleich sich die genannten Personen im selben Fahrzeug befunden hatten.

 

Die Darstellung, dass der Berufungswerber im Zuge des Wegfahrens die Fahrertür geöffnet hatte, lässt sich auch mit der Wahrnehmung der Zeugen W*** und S******* in Einklang bringen, wonach der Berufungswerber sich weiter als notwendig vom rechten Fahrbahnrand entfernt hatte, zumal mit einem Herausbeugen aus dem Fahrzeug bei gleichzeitigem Festhalten des Lenkrades eine Linksbewegung des Fahrzeuges vielfach einhergeht.

 

Aus den gesagten Gründen war der Berufung insoweit kein Erfolg beschieden und war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zur Strafzumessung ist festzuhalten:

 

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist jeweils das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung (Gefährdung) derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafnorm dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (§ 19 Abs1 VStG); Ausgangspunkt der Strafzumessung ist daher der durch die Tat verwirklichte, aus Handlungs- und Erfolgsunwert bestehende Tatunwert.

 

Darüber hinaus sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe (in sinngemäßer Anwendung der §§ 32 bis 35 StGB), soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und kommt dem Ausmaß des Verschuldens zentrale Bedeutung zu. Schließlich haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in der Strafbemessung Berücksichtigung zu finden (§ 19 Abs2 VStG).

 

Im konkreten Fall ist bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen, dass durch die nichtordnungsgemäße Einnahme des Lenkplatzes die Verkehrssicherheit in nicht unerheblichem Ausmaße beeinträchtigt werden kann, sodass die gegenständlich verhängte Geldstrafe angesichts des zu Verfügung stehenden Strafrahmens (bis S 30000,--) keinesfalls als unangemessen betrachtet werden kann. Vielmehr muss das Verhalten des Berufungswerbers, sich nicht nur während des Anfahrens aus dem Fahrzeug gebeugt, sondern im Zuge dessen sogar den Blick nach hinten gerichtet zu haben, als grob sorgfaltswidrig bezeichnet werden.

 

Mildernd war hiebei die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers (§ 34 Abs1 Z 2 StGB), erschwerend hingegen nichts zu werten.

 

Die konkret verhängte Strafe erscheint daher (im Hinblick auf den verwirklichten Tatunwert) tat- und schuldangemessen und ihre Verhängung erforderlich, um den Berufungswerber und Dritte von der Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen abzuhalten. Dies selbst unter Zugrundelegung am Existenzminimum orientierter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Berufungswerbers (vgl zur Bedeutung spezial- und generalpräventiver Überlegungen VwGH verstSen 13.12.1991, Slg NF 13547 A; VwGH 27.9.1989, 89/03/0236 ua).

 

Zu § 7 Abs. 1 StVO:

Wenn gleich die Behörde im übrigen auch die Annahme der Meldungsleger teilt, wonach der Berufungswerber gegen das Gebot des § 7 Abs 1 StVO verstoßen hat, war der Berufung insoweit gleichwohl Erfolg beschieden.

 

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, insbesondere

* die als erwiesen angenommene Tat und

* die Verwaltungsvorschrift zu beinhalten, die durch die Tat

verletzt worden ist.

 

Im Spruch des Straferkenntnisses ist die Tat - durch Angabe von Tatort und Tatzeit (VwGH 29.11.1989, 88/03/0154 ua) - so zu konkretisieren, dass der Betroffene einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und andererseits davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH verstSen 13.6.1984, Slg NF 11466 A).

 

Alleine im Vorwurf, der Beschuldigte habe das Fahrzeug nicht so weit rechts gelenkt, wie ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, vermag ? worauf auch der Unabhängige Verwaltungssenat wiederholt hingewiesen hat - den Anforderungen des § 44a VStG insoweit nicht zu entsprechen, als es einer Konkretisierung bedurft hätte, durch welches konkrete Verhalten (etwa Überschreitung der Mittellinie) er diesem Gebot nicht nachgekommen ist (vgl näher Gaisbauer, Zur Formulierung des Spruches in Verkehrsstrafsachen, ZfV 1988, 165 mwN).

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 64 Abs 1 und 2 VStG , wonach der Berufungswerber im Falle einer Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Verfahrenskosten in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch S 20,-- zu tragen hat.

 

Hinsichtlich der letztgenannten Übertretung waren gemäß § 65 VStG die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber im Hinblick auf sein Obsiegen nicht aufzuerlegen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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