Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Michael Herrmann über die Berufung des Herrn W H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E P, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 1.8.2001, GZ.:
15.1 3355/2001, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 1.800,-- (? 130,81) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 19.3.2001 um 19.20 Uhr in G, nächst dem Haus, Bezirk W, als Lenker des Personenkraftwagens mit dem Kennzeichen
1. mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe sein Fahrzeug nicht sofort angehalten,
2. habe er mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen, 3. habe er mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt.
Hiedurch habe der Berufungswerber für Punkt 1.) eine Übertretung des § 4 Abs 1 lit a StVO, für Punkt 2.) eine Übertretung des § 4 Abs 1 lit c StVO und für Punkt 3.) eine Übertretung des § 4 Abs 2 zweiter Fall StVO begangen und wurde hiefür jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (je 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. In seiner fristgerechten Berufung vom 17.8.2001 verwies der Berufungswerber darauf, dass aufgrund des Verkehrsunfalles beim Bezirksgericht Gleisdorf ein Strafverfahren anhängig sei, wobei ein Strafantrag gemäß § 88 Abs 1 und 4 StGB bzw gemäß § 94 StGB gestellt worden sei und wäre der Ausgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten bzw würde aller Voraussicht nach eine unzulässige Doppelbestrafung vorliegen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu Nachfolgendes fest:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat am 13.11.2001 eine öffentliche, mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Berufungswerbers, seines anwaltlichen Vertreters sowie der Zeugen S L und K V durchgeführt. Aufgrund dieser Verhandlung und des Inhaltes der Verwaltungsakten wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
Entsprechend der Ausführungen des Vertreters des Berufungswerbers in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung bestreitet der Berufungswerber den ihm im angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz zur Last gelegten Sachverhalt nicht. So hat der Berufungswerber im bezirksgerichtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Gleisdorf ein Geständnis abgelegt und bezieht sich die Berufung auf die rein rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes. Diesbezüglich wurde geltend gemacht, dass der Berufungswerber im Rahmen des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Gleisdorf mit der Zahl 8 U 41/01 d wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung und des im Stichlassens eines Verletzten nach den §§ 88 Abs 1 und 4 1 DF, 94 Abs 1 StGB verurteilt wurde. Somit läge laut dem Vorbringen des Vertreters des Berufungswerbers hinsichtlich des § 94 Abs 1 StGB (im Stichlassen eines Verletzten) eine Konkurrenz mit der Anwendbarkeit der §§ 4 Abs 1 lit a und c sowie 4 Abs 2 zweiter Anwendungsfall StVO vor und wäre somit wegen Doppelbestrafung, wie in der Berufung ausgeführt, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Diesbezüglich sei festgehalten, dass entsprechend des Urteiles des Bezirksgerichtes Gleisdorf vom 31.8.2001 mit der Zahl 8 U 41/01 d Herr W H am 19.3.2001 gegen 19.20 Uhr in Gleisdorf, nächst dem Hause, als Lenker des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen stadtauswärtsfahrend, infolge Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit und Vorsicht, wodurch es zur Kollision mit dem auf der rechten Fahrbahnseite gehenden Fußgänger K V kam, fahrlässig K V am Körper verletzt hat, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Bruch des Wadenbeines links, Hautabschürfungen im Gesicht, einen Bluterguss über dem rechten Auge und eine Schädelprellung des K V zur Folge hatte und durch Wegfahren von der Unfallstelle es unterlassen hat, K V die erforderliche Hilfe zu leisten. Entsprechend dieses Sachverhaltes wurde Herrn W H wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung und des im Stich lassens eines Verletzten nach den §§ 88 Abs 1 und 4 1 DF, 94 Abs 1 StGB verurteilt. Betreffend der dem Berufungswerber in den im Spruch genannten Straferkenntnis zur Last gelegten verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen ist Folgendes festzuhalten: Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhanges steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Zweck der Bestimmungen des § 4 Abs 1 lit a StVO ist es, nicht nur das Fahrzeug kurzfristig anzuhalten, sondern auch den sonstigen Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Lenker hat sich daher nach dem Anhalten, zB auch zu vergewissern, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die es notwendig macht, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen zu treffen.
Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO haben alle Personen deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Mitwirkung an der "Feststellung des Sachverhaltes" bedingt erfahrungsgemäß je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedliche Verhaltensweisen der in einem Verkehrsunfall beteiligten Personen. Die gegenständliche Obliegenheitsverletzung bestand darin, dass der Berufungswerber insofern an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitwirkte, da er es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich machte, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen. Dies ist insoferne zu verstehen, als sich insbesondere die Frage stellte, ob beim Berufungswerber im Zeitpunkt des Unfalles ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand gegeben war oder nicht. Gemäß § 4 Abs 2 zweiter Fall StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt wurden, die im Absatz 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Der Zweck der Bestimmung des § 4 Abs 2 zweiter Fall StVO liegt darin, dass die verständigte Sicherheitsdienststelle sofort die notwendigen Erhebungen am Unfallsort veranlassen bzw vornehmen kann.
In rechtlicher Hinsicht ist nunmehr vorerst festzuhalten, dass das Gericht (BG Gleisdorf) ebenso wie die Verwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Weiz) davon ausging, dass gegenständlich ein Unfall mit Personenschaden vorliegt. Es kann nunmehr eine Tat und Handlung nur dann dem Doppelbestrafungsverbot unterliegen, wenn die Übertretungen deckungsgleich sind. In diesem Fall kann eine Handlung durchaus wegen mehrfachem Tatverhaltens mehrfach bestraft werden. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gegenständliche Unfall für den Berufungswerber nur deshalb zur verwaltungsstrafrechtlichen Straffreiheit führt, weil er vor dem Bezirksgericht Gleisdorf wegen einer Übertretung des § 94 StGB (Im Stich lassen eines Verletzten) bestraft wurde. Vielmehr ist nach § 22 Abs 1 VStG das Kumulationsprinzip zu beachten, wenn, wie im gegenständlichen Fall, verschiedene Taten im Zuge einer Handlung begangen wurden. So sind die verwaltungsstrafrechtlichen Tatvorwürfe des Nichtanhaltens, der Nichtmitwirkung am Sachverhalt und der Nichtmeldung des Personenschadens andere Taten, als die Unterlassung einer Hilfeleistung, da sie gesondert von einer solchen Unterlassung begangen werden können. Diesbezüglich sei festgehalten, dass eine Doppelbestrafung nur dann vorliegen könnte, wenn dem Berufungswerber eine Übertretung des § 4 Abs 2 erster Fall StVO - Unterlassung der Hilfeleistungspflicht - vorgehalten worden wäre. Dies war jedoch nicht der Fall und war das Handeln des Berufungswerbers, wie ausgeführt, auch aus verschiedenen anderen Aspekten verwaltungsstrafrechtlich rechtswidrig. Das Vorbringen des Berufungswerbers konnte somit nicht zur Straffreiheit führen, da dieses, wie ausgeführt, lediglich den § 4 Abs 2 erster Fall StVO betrifft. Es steht somit fest, dass der Berufungswerber die ihm im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen des § 4 Abs 1 lit a StVO, des § 4 Abs 1 lit c StVO sowie des § 4 Abs 2 zweiter Fall StVO begangen hat. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 4 Abs 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, gemäß § 99 Abs 2 lit a leg cit sofort anzuhalten, um auch den sonstigen gesetzlich festgelegten Lenkerverpflichtungen nachzukommen. Der Lenker hat sich nach dem Anhalten etwa auch zu vergewissern, ob durch den Unfall eine Situation entstanden ist, die es notwendig macht, Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden für Personen oder Sachen zu treffen. Diese Bestimmung dient daher dem Schutz von Personen, der Abwendung von Sachschäden und soll auch die Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung gewährleisten. Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht dient dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, dass die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt (VwGH 13.11.1967, Slg. 7219/A, 2.5.1965, 2210/65 und 13.3.1979, ZVR 1980/117). Die Meldepflicht im Sinne des § 4 Abs 2 zweiter Satz StVO 1960 soll sicherstellen, dass alles zweckdienliche zur Aufklärung eines Unfallereignisses beigetragen wird, um nichts zu verabsäumen, was für die Klarstellung des Sachverhaltes notwendig ist. Außerdem muss dem Geschädigten die Möglichkeit gegeben werden, seine Ansprüche geltend zu machen. In diesem Sinne stellt eine nicht sofortige Meldung des Unfalles mit Personenschaden bei der Polizei- oder Gendarmeriedienststelle jedenfalls eine Beeinträchtigung des Aufklärungsinteresses und der Anspruchsverfolgung dar. Durch sein Verhalten hat der Berufungswerber gegen diese Schutzzwecke verstoßen. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Von der Behörde erster Instanz wurde als erschwerend nichts, als mildernd die Schuldeinsicht und die absolute Unbescholtenheit gewertet. Diesbezüglich war eine Strafherabsetzung nicht gerechtfertigt. Die von der Behörde erster Instanz verhängten Strafen entsprechen auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Berufungswerbers (mtl. Einkommen von netto ca. S 13.000,--, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, keine Belastungen) und dies auch der Behörde erster Instanz bekannt war, wobei sich die Strafen bei einem Strafrahmen von S 500,-- bis zu S 30.000,-- ohnedies im unteren Strafbereich bewegen. Auch soll die Strafe grundsätzlich einen spürbaren Nachteil darstellen, um der neuerlichen Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorzubeugen. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.