I
Der Berufung betreffend Spruchpunkt 1 wird Folge gegeben. Der genannte Spruchpunkt wird aufgehoben. Das Strafverfahren zu Spruchpunkt 1 wird eingestellt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl Nr 51, in der derzeit geltenden Fassung und §§ 24 und 45 Abs 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52, in der derzeit geltenden Fassung.
II
Der Berufung betreffend Spruchpunkt 2 wird keine Folge gegeben. Der genannte Spruchpunkt wird vollinhaltlich bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51, in der derzeit geltenden Fassung iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52, in der derzeit geltenden Fassung.
Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Berufungsbehörde zu Spruchpunkt 2 beträgt S 600,--.
Rechtsgrundlage:
§ 64 Abs 1 und 2 VStG
Die Berufungswerberin hat daher zu Spruchpunkt 2 binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung folgenden Gesamtbetrag zu bezahlen:
zu Spruchpunkt 2 verhängte Geldstrafe: S 3.000,--
zu Spruchpunkt 2 vorgeschriebener Beitrag zum Verfahren vor der Behörde erster Rechtsstufe: S 300,--
zu Spruchpunkt 2 vorgeschriebener Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren: S 600,--
Gesamtbetrag S 3.900,--
in Euro ? 283,42
Rechtsgrundlage:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom **.**.****, Zl. 3-****-**, wurde über die Berufungswerberin wegen Übertretung des § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 nach § 99 Abs 2 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von S 3000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) und wegen Übertretung des § 4 Abs 5 StVO 1960 nach § 99 Abs 3 lit b leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von S 3000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.
Im Spruch dieses Straferkenntnisses wurde es als erwiesen angesehen, dass die Berufungswerberin am **.**.****, um 17,15 Uhr, in H***, auf der Gemeindestraße O***, auf Höhe des Hauses Nr. ***, stadtauswärts, als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen *** ein entgegenkommendes Fahrzeug gestreift und dessen Außenspiegel beschädigt hat sowie bei einem Verkehrsunfall insofern an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt hat,
als sie nicht tätig geworden ist im Hinblick auf die an der Unfallstelle seitens der Organe der öffentlichen Aufsicht zu pflegenden Erhebungen und zu treffenden Feststellungen und als sie nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt hat, obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgte.
In der dagegen fristgerecht und vollinhaltlich erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin vor, dass sie keinen Schaden habe feststellen können und dass auch vom Lenker des entgegenkommenden PKW kein Schaden geltend gemacht worden sei. Es habe daher keine Veranlassung zur Feststellung des Sachverhaltes und zur Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle gegeben, da kein Sachschaden festgestellt worden sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat hierüber folgendes erwogen:
I
Betreffend Spruchpunkt 1. ist folgendes festzustellen:
Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Das Wort ?wirken? bedeutet ein Tätigwerden im Hinblick auf die an der Unfallstelle seitens der Organe der öffentlichen Aufsicht zu pflegenden Erhebungen und zu treffenden Feststellungen und nicht eine bloße Anwesenheitspflicht.
Ein Verstoß gegen § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 liegt nicht nur beim Verlassen der Unfallstelle vor Eintreffen der von einem Unfallbeteiligten herbeigerufenen Polizei oder Gendarmerie sondern etwa auch beim Alkoholgenuss nach dem Unfall vor.
Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass das Verhalten einer solchen Übertretung für schuldig erkannten Person, welches als Unterlassung der Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung qualifiziert wird, eindeutig umschrieben wird.
In § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 ist eine allgemeine Aussagepflicht, wie sie etwa für Zeugen besteht, nicht umfasst.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen wurde. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH-Erkenntnis vom 15. Dezember 1983, 82/10/125).
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Aus der gewählten Form der Tatanlastung zu Spruchpunkt 1 ergab sich nicht, in welcher Form die Berufungswerberin nicht tätig geworden ist im Hinblick auf die an der Unfallstelle seitens der Organe der öffentlichen Aufsicht zu pflegenden Erhebungen und zu treffenden Feststellungen.
Eine Aufnahme des Umstandes, dass die Berufungswerberin wenngleich sie an der Unfallstelle kurz angehalten hat, danach, ohne das Eintreffen der Exekutivorgane abzuwarten, obwohl ein Identitätsnachweis zwischen den Unfallbeteiligten nicht erfolgt ist, die Unfallstelle verließ, ist nicht erfolgt.
Die Berufungsbehörde hatte daher den Spruchpunkt 1 aufzuheben und das Strafverfahren hiezu nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.
II
Betreffend Spruchpunkt 2 war folgendes festzustellen:
Gemäß § 4 Abs 5 StVO 1960, in der auf den Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung der 20 Novelle, haben die im Abs 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienstelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Aus dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt der Bezirksverwaltungsbehörde ergibt sich eindeutig, dass sowohl am Fahrzeug der Berufungswerberin ein Schaden am Außenspiegel (linker Außenspiegel) als auch, dass an dem von Herrn O*** Ö*** gelenkten Kraftfahrzeug ein Schaden am Außenspiegel eingetreten ist. Weiters steht zweifelsfrei auf Grund des Akteninhaltes, insbesondere auch auf Grund der Einspruchsangaben der nunmehrigen Berufungswerberin, fest, dass der Berufungswerberin die Verkehrsunfallsverursachung mit der Möglichkeit eines Sachschadens in Fremdeigentum zur Kenntnis gelangt ist. Die Berufungswerberin verließ vor Ort ihr Kraftfahrzeug und führte ein kurzes Gespräch mit dem am Unfall Zweitbeteiligten.
Der Berufungswerberin wäre bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt die Überprüfung des Fahrzeuges des Herrn O*** Ö***, welcher im Übrigen als Zeuge angab, dass er die Berufungswerberin vor Ort nicht beschimpfte, möglich gewesen.
Weiters wäre der Berufungswerberin zumutbar gewesen, dass sie, im Falle, dass es nicht zu einem Identitätsnachweis mit dem am Unfall zweitbeteiligten O*** Ö*** gekommen ist, ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle verständigt hätte.
Die Berufungsbehörde hatte daher davon auszugehen, dass die Berufungswerberin, das ihr in Spruchpunkt 2 angelastete Tatbild erfüllt hat.
Zur Strafhöhe betreffend Spruchpunkt 2 wurde erwogen:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Weiters sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen, wenn die Geldstrafe bemessen wird.
§ 99 Abs 3 lit b StVO 1960 sieht für die im Spruchpunkt 2 angelastete Verwaltungsübertretung die Verhängung einer Geldstrafe bis zu S 10000,--, im Nichteinbringungsfall Arrest bis zu zwei Wochen vor.
Der Berufungswerberin ist zumindest grob fahrlässiges Verhalten anzulasten. Als Inhaberin einer Lenkberechtigung ist ihr die Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und ein dementsprechendes angepasstes Verhalten zuzumuten.
Erschwerend wurde kein Umstand gewertet.
Als mildernd war ( auf Grund des Vorliegens von zahlreichen nicht einschlägigen, rechtskräftigen und im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht getilgten Vormerkungen) ebenfalls kein Umstand zu werten.
Von folgenden aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen war auszugehen:
Die Berufungswerberin verfügt über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen in der Höhe von S 8285,--, hat kein nennenswertes Vermögen und keine Sorgepflichten.
Die Berufungsbehörde konnte im Hinblick auf das Verschulden der Berufungswerberin, den nicht unerheblichen Unrechtsgehalt der Tat, das Nichtvorliegen von Milderungsgründen sowie selbst unter Berücksichtigung deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht finden, dass die von der Bezirksverwaltungsbehörde in Spruchpunkt 2 verhängte Strafe, welche sich ohnehin im unteren Bereich des gesetzlich möglichen Strafrahmens befindet, unangemessen hoch wäre. Die verhängte Strafe soll geeignet, der Berufungswerberin den Unrechtsgehalt der Tat vor Augen zu führen und sie in Hinkunft zu normkonformem Verhalten anzuleiten.
§ 21 VStG konnte nicht angewendet werden, da das Verschulden des Berufungswerbers nicht gering war.
Das tatbildmäßige Verhalten des Berufungswerbers ist nicht erheblich hinter dem Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben, den die betreffende Strafdrohung typisiert.
Von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war zu Spruchpunkt 1. gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG abzusehen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der genannte Spruchpunkt aufzuheben ist.
Betreffend Spruchpunkt 2 war gemäß § 51e Abs 3 Z 3 VStG von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung abzusehen, da im angefochtenen Spruchpunkt 2 eine S 3000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.