TE UVS Steiermark 2002/01/02 30.3-23/2001

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Veröffentlicht am 02.01.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Berufung des A B, geb. am 13. Dezember 1970, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 15. Mai 2001, GZ: III/S-7.084/01, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung in Punkt 2.) und 3.) Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG eingestellt.

In den Punkten 1.) und 4.) wird die verhängte Geldstrafe auf je EUR 36,34 (S 500,-- ) - im Uneinbringlichkeitsfall je 18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe - herabgesetzt. Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Behörde erster Instanz verringern sich daher auf EUR 7,27 (S 100,--).

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe "am 05.12.2000, um 06.30 Uhr bis 06.45 Uhr, in Graz 4, Kreuzung Eggenberger Gürtel - Annenstraße - Bahnhofgürtel 1.) es als Teilnehmer der Plattform "Mayday 2000" welche im Zuge einer Versammlung gegen die österreichische Bundesregierung protestierte, nach Auflösungserklärung (§ 13 Abs 1 VersammlungsG) durch den Behrödenvertreter der BPD-Graz (Hr. Dr. L) 05.12.2000 unterlassen, von 06.30 Uhr bis 06.45 Uhr in Graz 4, Kreuzung Eggenberger Gürtel - Annenstraße unterlassen den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinander zu gehen, indem Sie sich auf die Fahrbahn setzten, dort verweilten kund der Aufforderung die Fahrbahn freizugeben nicht nachgekommen sind, wobei weitere Versuche wieder auf die Fahrbahn zu gelangen, von Sicherheitswacheorganen durch "Sperrriegeln" verhindert werden musste. 2.) Durch laute Sprechchöre und durch die Verwendung von Megafonen wurde ungebührlicher Lärm verursacht. Der Lärm war vermeidbar und wirkte störend. 3.) Durch Blockadeaktionen verhielten Sie sich besonders rücksichtslos und haben dadurch die öffentliche Ordnung gestört. 4.) Durch Hinsetzen auf den Zebrastreifen auf den jeweiligen Kreuzungen und durch Blockieren des Straßenverkehrs der Straßenzüge haben Sie sich vorschriftswidrig auf der Fahrbahn befunden." und haben dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 14 Abs 1 VersammlungsG, 2.) § 1 LGBl 158/75 2. Fall, 3.) § 81 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und 4.) § 76 Abs 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen. Hiefür wurden in Punkt 1.) eine Geldstrafe gemäß § 19 VersammlungsG in der Höhe von EUR 145,35 (S 2.000,--) - im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe -, in Punkt

2.) gemäß § 3 Abs 1 LGBl 158/75 in der Höhe von EUR 72,67 (S 1.000,--) - im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe -, in Punkt 3.) gemäß § 81 Abs 1 SPG in der Höhe von EUR 72,67 (S 1.000,--) - im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe - und in Punkt 4.) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von EUR 72,67 (S 1.000,--) - im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe - verhängt und als Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens ein Betrag von EUR 36,34 (S 500,--) gemäß § 64 VStG vorgeschrieben. Übertretung in Punkt 1.): In dem Punkt gibt der Berufungswerber an, dass er sich ca. 2 Minuten auf dem Zebrastreifen, und zwar jenem über den Bahnhofgürtel um ca. 6.30 Uhr aufgehalten habe. Als die Aufforderung von Dr. L, die Fahrbahn zu verlassen, kam, sei er der Aufforderung nachgekommen und habe sich von der Fahrbahn entfernt. Dem steht die Aussage des Zeugen E W entgegen, der angab, dass sich der Berufungswerber in der Zeit von 6.30 Uhr bis 6.45 Uhr auf der Fahrbahn Kreuzung Eggenberger Gürtel - Annenstraße - Bahnhofgürtel aufgehalten habe. Er habe auch wahrgenommen, dass der Berufungswerber trotz Aufforderung von Dr. L den Zebrastreifen nicht verlassen habe. Diese Darstellung wird auch in der Zeugenaussage von Oberstleutnant K bestätigt. Die erkennende Behörde folgt in ihrer Beweiswürdigung den Aussagen der beiden Exekutivorganen, da es den Zeugen durchaus zumutbar ist, festzustellen, wer nach der Auflösungserklärung der Versammlung den Versammlungsort nicht verlässt. Wobei festgehalten wird, dass der Versammlungsort nicht nur der Zebrastreifen ist, sondern der Kreuzungsbereich. Das Vorbringen des Berufungswerbers stellt sich somit als Schutzbehauptung dar. Gemäß § 14 Abs 1 Versammlungsgesetz sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinander zu gehen, sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist. Da somit erwiesen ist, dass der Berufungswerber trotz Auflösungserklärung den Versammlungsort nicht verlassen hat, ist die ihm unter Punkt

1.) zur Last gelegte Verwaltungsübertretung erwiesen. Es stellt auch keinen Entschuldigungsgrund dar, dass der Berufungswerber hiebei Fotos gemacht hat. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nachdem die Auflösung der Versammlung durch Dr. L (Bundespolizeidirektion Graz) verfügt wurde, war der Berufungswerber verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und wegzugehen. Da er dies nicht tat - auch wenn er keinen Widerstand gegen die Behördeorgane geleistet hat - machte er sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und hat offensichtlich gegen den Schutzzweck der Norm verstoßen, da die Anwesenheit nach Auflösung einer Versammlung ein Gefährdungspotential für Menschen und Sachen in sich birgt. Gemäß § 19 Abs 2 VStG war noch zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abwägung eine Strafmilderung möglich wäre.

Eine Herabsetzung der Strafe konnte deshalb vorgenommen werden, da im Gegensatz zur Behörde erster Instanz der Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit zum Tragen kommt. Die ausgesprochene Strafe ist auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen (Einkommen, vermögenslos, Sorgepflicht für Kind) angepasst. Dem Berufungsantrag "die verhängte Geldstrafe herabzusetzen" konnte daher Folge gegeben werden.

Übertretung in Punkt 2.):

Der Berufungswerber gab an, dass er sich weder an den Sprechchören beteiligt hat, noch habe er ein Megaphon verwendet. Das Beweisverfahren, die Einvernahme der Meldungsleger, hat ergeben, dass der Berufungswerber kein Megaphon verwendet hat. Soweit dem Berufungswerber vorgeworfen wird, sich an einem Sprechchor beteiligt zu haben und daher ungebührlicher Weise störenden Lärm erregt zu haben, wird der Verantwortung des Berufungswerbers Glauben geschenkt, dass er sich an keinem Sprechchor beteiligt hat, sondern versuchte, den Handlungsablauf zu fotografieren. Da in dem Punkt die Verwaltungsübertretung nicht mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen ist, war dem Berufungsantrag stattzugeben und das Verfahren zur Einstellung zu bringen.

Übertretung in Punkt 3.):

Der Berufungswerber gibt an, dass er der Aufforderung, die Fahrbahn zu verlassen, nachgekommen sei und sodann vom Gehsteig aus den Handlungsablauf fotografierte. Somit hielt sich der Berufungswerber sehr wohl trotz Auflösung der Versammlung am Versammlungsort auf - auf dem Gehsteig im Bereich der Kreuzung Eggenberger Gürtel - Annenstraße - Bahnhofgürtel (siehe Verwaltungsübertretung in Punkt 1.)), jedoch kann dem Berufungswerber hiebei nicht unterstellt werden, durch Blockadeaktionen sich besonders rücksichtslos verhalten zu haben. Ausdrücklich wird bemerkt, dass bei einer Übertretung des § 81 Abs 1 SPG ein rücksichtsloses Verhalten für sich alleine noch nicht ausreicht, sondern verlangt der Gesetzgeber besondere Rücksichtslosigkeit. Die "besondere" Rücksichtslosigkeit ist jedoch nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen; ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Bei der Bewertung haben auch grundrechtlich gewährleistete Positionen besondere Bedeutung. Allein das Fotografieren einer - wenn auch unangemeldeten Versammlung - von der Position des Berufungswerbers aus (Gehsteig), ist noch nicht darauf gerichtet, den Verkehr zu stören und lässt noch keine "besondere" Rücksichtslosigkeit aufkommen. Dem Berufungsantrag war daher auch in dem Punkte stattzugeben. Übertretung in Punkt 4.):

Da lediglich die Höhe der verhängten Strafe bekämpft wurde, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen (VwGH 16.9.1971, 1268 u. a./70).

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Durch das Hinsetzen auf dem Zebrastreifen hat der Berufungswerber ein Verhalten gesetzt, das die Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des fließenden Verkehrs beeinträchtigt und somit gegen grundlegende Prinzipien der Straßenverkehrordnung verstoßen. Gemäß § 19 Abs 2 VStG war noch zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abwägung eine Strafmilderung möglich wäre.

Auf Grund des von der Behörde erster Instanz nicht berücksichtigten Milderungsgrundes der bisherigen Unbescholtenheit war die Strafe zu reduzieren. Die ausgesprochene Strafe ist auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Berufungswerbers (Einkommen, vermögenslos, Sorgepflicht für Kind) angepasst.

Dem Berufungsantrag auf Herabsetzung der Strafe konnte daher aus obgenannten Gründen Folge gegeben werden.

Schlagworte
besondere Rücksichtslosigkeit Demonstration Versammlung fotografieren Blockadeaktion Aufenthalt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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