Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Monica Voppichler-Thöni über die Berufung des Herrn H., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 05.03.2001, Zahl 4-ST-42277/00, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber nachfolgender Sachverhalt spruchgemäß vorgeworfen:
?Sie lenkten am 20.03.2000 um 12.30 Uhr den PKW, Kennzeichen K-, in Osttirol, Gemeinde Lienz, Hauptplatz, Höhe Café ?Petrocelli?, wobei Sie beim Rückwärtsfahren gegen die Beifahrertür des Pkws, Kennzeichen SP-, stießen, wodurch an diesem Fahrzeug Sachschaden entstand. Sie haben es in der Folge unterlassen, obwohl Sie durch Ihr Verhalten mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichen Zusammenhang standen,
1.
sofort anzuhalten,
2.
ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen.?
Dadurch habe er zu Spruchpunkt 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs1 lita StVO und zu Spruchpunkt 2. eine solche nach § 4 Abs5 StVO begangen, weshalb über ihn zu Spruchpunkt 1. gemäß § 99 Abs2 lita StVO eine Geldstrafe in Höhe von 36,34 Euro (500,-- S), bei Uneinbringlichkeit 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 21 Abs1 VStG eine Ermahnung verhängt wurde.
Weiters wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten in Höhe von 3,63 Euro (50,-- S) verpflichtet.
In seiner fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber Hubert Sodia durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass die Erstbehörde die Rechtslage falsch werte, obwohl sie in die Ergebnisse des gerichtlichen Verfahrens zu 2 C 1244/00 g des Bezirksgerichtes Lienz Einblick gehabt habe. In diesem Verfahren habe der Sachverständige Ing. H. festgestellt, dass es sich technisch nicht nachvollziehen ließe, ob das Fahrzeug der Klägerin schon gestanden sei, als diese gehupt habe oder nicht. Weiters habe der Sachverständige in diesem Verfahren technisch ausgeführt, dass der Berufungswerber in Lenkerposition im Fahrzeug die Berührung des unfallbeteiligten Pkws weder optisch oder akustisch noch durch ruckartige Geschwindigkeitsveränderung seines Pkws hätte wahrnehmen können, da bei Berührung der Kunststoffteile der Stoßstange am Beklagtenfahrzeug und der aus Kunststoff gefertigten Flankenleiste am Klagsfahrzeug kein Kollisionsgeräusch entstanden sei.
Laut dem Sachverständigen sei es daher nachvollziehbar, dass der Beschuldigte im Fahrzeug sitzend die Berührung des Klagsfahrzeuges nicht wahrgenommen habe und bei einer Kopfdrehung nach rechts während des Ausparkens und einem Blick nach rechts hinten das Klagsfahrzeug auch nicht direkt habe sehen können. Der Berufungswerber führt daher begründend aus, dass sich aufgrund dieses Gutachtens des Ing. H. eindeutig ergeben habe, dass ihn strafrechtlich keine wie immer geartete Verantwortung träfe. Des weiteren hat der Berufungswerber angegeben, dass es kein strafrechtliches Verschulden darstelle, wenn nach dem Wegfahren gehupt werde und er ein Handzeichen der Klägerin wahrnehme und dieses so deute, dass alles in Ordnung sei.
Auf Grund des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes steht nachfolgender Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Berufungswerber H. lenkte am 20.03.2000 um 12:30 Uhr den PKW, Marke ?Mercedes Benz?, Kennzeichen K-, in Osttirol, Gemeinde Lienz Hauptplatz, Höhe Café ?Petrocelli? rückwärts aus der nordseitig der Richtungsfahrbahn befindlichen Parkfläche und kollidierte dabei mit dem von der Unfallszweitbeteiligten Frau B. gelenkten PKW, Marke ?VW Golf?, Kennzeichen SP- , der zum Zeitpunkt der Kollision auf der Richtungsfahrbahn in westlicher Richtung weisend stand. Zuvor fuhr die Unfallszweitbeteiligte rückwärts aus der sich südlich der Richtungsfahrbahn befindlichen Parkfläche aus.
Fest steht auch, dass die Unfallszweitbeteiligte, als sie den PKW des Berufungswerbers auf sich bogenförmig zukommen sah, zu hupen begann. Daraufhin bremste der Berufungswerber, konnte aber sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten und berührte mit der Stoßstange die Flankenschutzleiste am Fahrzeug der unfallbeteiligten Lenkerin. Dabei entstand weder ein Kollisionsgeräusch noch ein ruckartiger Geschwindigkeitsabbau. Auch konnte der Berufungswerber in der Lenkerposition die Berührung optisch nicht wahrnehmen.
Es gilt auch als erwiesen, dass der Berufungswerber die linke Vordertüre öffnete und zur unfallbeteiligten Lenkerin mit Handzeichen Kontakt aufnahm, ob alles in Ordnung sei. Ihr darauffolgendes Handzeichen wertete der Berufungswerber dahingehend, dass alles in Ordnung sei und fuhr weg.
Diese Feststellungen sind im Wesentlichen unstrittig und ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und vor allem auch durch das Gutachten des Sachverständigen Ing. H. zum bezirksgerichtlichen Verfahren
2 C 1244/00 g.
Ing. H. führt in diesem Gutachten an, dass technischerseits nachvollziehbar ist, dass der Berufungswerber im Fahrzeug sitzend die Berührung des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs nicht wahrgenommen hat, da einerseits bei der Berührung der aus Kunststoff gefertigten Stoßstange des Pkws des Berufungswerbers mit der aus Kunststoff gefertigten Flankenseite des Pkws der Unfallszweitbeteiligten kein Kollisionsgeräusch und andererseits durch die Winkelstellung der beiden Fahrzeuge kein Geschwindigkeitsabbau entsteht. Dass keinerlei Berührung im Fahrzeug des Berufungswerbers wahrnehmbar war, bestätigt auch der Beifahrer des Berufungswerbers Ing. H. sowohl in seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Lienz als auch in seiner Aussage im bezirksgerichtlichen Verfahren.
Aufgrund dieses Gutachtens und auch aufgrund der Aussagen der Unfallszweitbeteiligten B. vor der Bezirkshauptmannschaft Lienz und im bezirksgerichtlichen Verfahren ergibt sich auch eindeutig, dass sie zeitlich vor dem Berufungswerber mit ihrem PKW ausparkte und stehenblieb. Wie lange ihr Fahrzeug allerdings vor der Kollision im Stillstand war, konnte auch vom Sachverständigen nicht objektiviert werden.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 4 Abs1 lita StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichen Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Und nach § 4 Abs5 StVO haben die im Abs1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist.
Nach einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird nur das Ausmaß der Spuren am Fahrzeug eine sachverständige Antwort auf die Frage ermöglichen, ob eine Kollision, die derartige Spuren hinterließ, nach Geräusch und Erschütterung vom Lenker eines beteiligten Kfz bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerkt werden müssen oder ob der streifende Kontakt nur außerordentlich geringfügig war, sodass die Wahrnehmung durch den Lenker eher unwahrscheinlich scheint (VwGH 23.2.1976, 258/74). Im Gutachten von Ing. H., der zum Sachverständigen im bezirksgerichtlichem Verfahren (2 C 1244/00g) bestellt wurde, wird eindeutig angeführt, dass der Berufungswerber Hubert Sodia in Lenkerposition im Fahrzeug die Berührung des Pkws der Unfallszweitbeteiligten B. weder optisch oder akustisch noch durch eine ruckartige Geschwindigkeitsveränderung seines Pkws wahrnehmen konnte.
Das Hupen der Unfallszweitbeteiligten, das dem Berufungswerber zu Bewußtsein gekommen ist, kann nicht als objektiver Umstand gewertet werden, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles zu erkennen vermochtet hätte. Auch der Umstand, dass der Berufungswerber mit der unfallsbeteiligten Lenkerin durch Handzeichen Kontakt aufgenommen hat und ihr Zeichen so ausgelegt hat, dass alles in Ordnung sei, lässt aus subjektiver Sicht für den Berufungswerber keinerlei Rückschlüsse auf einen möglichen Verkehrsunfall zu. In einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes heißt es nämlich, wenn weder das Aussteigen noch das Gestikulieren einen spezifischen Hinweis auf eine stattgefundene Kollision beinhaltet, besteht auch für den Lenker kein Anlass, eine solche Kollision mit eingetretenem Sachschaden allein aus diesen Umständen anzunehmen (VwGH 22.3.1991, 90/18/0268)
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.