Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Gert Ebner über die Berufung des Herrn G., vertreten durch RAe C., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 03.08.2001, Zl S- 7629/01, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 03.08.2001, Zl S- 7629/01, wurde dem Berufungswerber nachstehender Sachverhalt spruchgemäß zur Last gelegt:
?Sie haben - wie am 12.04.2001 um 21.00 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 im Gemeindegebiet Innsbruck, bei Km 72,5 am LKW-Parkplatz Ampasser Hof, Fahrtrichtung Westen, anlässlich einer Kontrolle festgestellt wurde - als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges BZ- und BZ- am 11.04.2001 in der Zeit ab 15.49 Uhr innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraumes von 30 Std die vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Std um 6 Std 18 Min verkürzt, da die Gesamtdauer lediglich 1 Std 42 Min betrug.?
Dadurch habe er eine Übertretung nach Art8 Abs2 EG-VO 3820/85 begangen und wurde über ihn gemäß § 134 Abs1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von 218,02 Euro (3.000,00 Schilling) im Uneinbringlichkeitsfall 4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verhängt.
Dagegen erhob der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und führte im wesentlichen aus, dass er I) schuldig erkannt worden sei, wie am 12.04.2001 um 21.00 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 im Gemeindegebiet Innsbruck bei km 72,5 am LKW-Parkplatz Ampasser Hof, Fahrtrichtung Westen, anlässlich einer Kontrolle festgestellt worden sei, als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges BZ- und BZ- am 11.04.2001 in der Zeit ab 15.49 Uhr innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraumes von 30 Std die vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Std um 6 Std 18 Min verkürzt zu haben, da die Gesamtdauer lediglich 1 Std 42 Min betragen habe. Er habe dadurch gegen Art8 Abs2 EG-VO 3820/85 verstoßen. II) Wie sich aus dem Ereignisprotokoll sowie den Tachoblättern ergebe, habe er seine Fahrzeit am 12.04.2001 um 7.46 Uhr begonnen. Er habe in der Zeit von 7.46 Uhr bis 19.43 Uhr eine Lenkzeit von 7 Std 14 Min gehabt. Dieser Lenkzeit stünden Ruhezeiten im Ausmaß von 5 Std 16 Min gegenüber. Gem Art6 EG-VO 3820/85 dürfe die Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Std nicht überschreiten. Die Lenkzeit des Beschuldigten habe lediglich 7 Std 14 Min betragen und habe er sämtliche erforderlichen Ruhezeiten eingehalten. III) Darüber hinaus sei dem Beschuldigten das Recht auf Einräumung des rechtlichen Gehörs nicht gewährt worden. Trotz Antrag auf Fristverlängerung sei ein Straferkenntnis ergangen ohne Anhörung des Beschuldigten und leide gegenständliches Straferkenntnis auch an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat widerlegen hätte können.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie den Befund des kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen beim Amt der Tiroler Landesregierung, Ing. Herbert Sch., vom 23.10.2001.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Der Anzeige der BPD Innsbruck, Gefahrguttruppe, Wachzimmer Wilten, vom 03.05.2001 ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte am 12.04.2001 um 21.00 Uhr in Innsbruck auf der
A 12, Höhe km 72,5, Fahrtrichtung Westen, angehalten und einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle unterzogen worden sei. Bei der automatisationsunterstützten Auswertung der Schaublätter sei festgestellt worden, dass der Beschuldigte beim Betrieb des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen BZ- folgende Übertretungen gesetzt habe:
1. am 11.04.01 in der Zeit ab 15:49 Uhr innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraumes von 24/30 Stunden die vorgeschriebene Ruhezeit vom 8:00 Stunden um 6:18 Stunden verkürzt. Die Gesamtdauer habe 1:42 Stunden betragen.
Diese Übertretung sei anlässlich einer am 12.04.2001 um 21.00 Uhr durchgeführten Kontrolle des Sattelzugfahrzeuges mit Anhänger/Sattelanhänger (mehr als 3,5 t höchst zul.Ges.Masse), Kfz-Kennzeichen BZ- (A) Anhänger-Kennzeichen BZ- (A), Int. Verkehr: ja; am Kontrollort Innsbruck, Autobahn A 12 bei km 72,5, Lkw-Parkplatz Ampasser Hof, Fahrtrichtung: Westen, mittels ADAS (Automationsunterstütztes-Daten-Auswerte-System) der Schaublätter festgestellt worden.
In weiterer Folge wurde von der Erstbehörde mit 08.05.2001 zu Zahl S-7629/01 eine Strafverfügung erlassen, die vom Beschuldigten durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig beeinsprucht wurde. Er beantragte, das ordentliche Verfahren einzuleiten, insbesondere dem Beschuldigten die anläßlich der Straßenkontrolle abgenommenen Tachoblätter zur Verfügung zu stellen.
Nach Aktenübersendung an die BH Bludenz wurde seitens des Rechtsvertreters Akteneinsicht genommen. Mit Schreiben vom 25.07.2001 wurde vom Rechtsvertreter des Beschuldigten ein Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung der Einwendungen um weitere zwei Wochen gestellt.
Zur Abklärung der Unstimmigkeiten bezüglich der Lenkzeiten, der Ruhezeiten und der Fahrtunterbrechungen, wurde mit Schreiben vom 18.09.2001 der erstinstanzliche Akt an die Abteilung Verkehr-Technischer Bereich zur Überprüfung der Schuldvorwürfe übermittelt.
Der Befund des Kfz-Sachverständigen, Herrn Ing. Herbert Sch., vom 23.10.2001 hat folgenden Inhalt:
?Befund
Als Befundunterlage dient der gegenständliche Akt.
Von den Tachographenschaublättern sind nur Kopien im Akt enthalten. Die Auswertung mittels ADAS (Automationsunterstütztes-Daten-Auswerte-System) ist sehr genau. Die Genauigkeit ist größer als eine optische Auswertung durch den Kfz-Sachverständigen. Im gegenständlichen Fall wurde nur das Schaublatt des Beschuldigten vom 12.04.2001 mittels ADAS ausgewertet.
Das Sattelkraftfahrzeug BZ-.mit BZ-. war zum Zeitpunkt der Anhaltung mit zwei Fahrern besetzt.
Gem Art8 Z2 EG Verordnung 3820/85 muss bei einer Besetzung von zwei Fahrern im Fahrzeug in jedem Zeitraum von 30 Stunden jeder von ihnen eine tägliche Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden einlegen. Als Ruhezeit gilt generell jeder ununterbrochene Zeitraum von mindestens 1 Stunde. Diese kann auch im Fahrzeug verbracht werden, sofern es mit einer Schlafkabine ausgestattet ist und nicht fährt.
Die Auswertung der Kopien der Schaublätter erfolgte optisch und nur auf 5 Minuten genau.
Schaublatt 1 (Beschuldigter als Beifahrer) 11.04.-12.04.01
Fahrtbeginn 15:50 Uhr (11.04.01) Fahrtende 1:15 Uhr
(12.04.01)
keine Ruhezeit während der Fahrt
Ruhezeit von 1:15 Uhr bis 4:05 Uhr = 2 Std 50 min
Schaublatt wurde um 4:05 Uhr entnommen.
Schaublatt 2 (Beschuldigter als Beifahrer) 12.04.-13.04.01
Das Ankunftsdatum (13.04.) wurde offensichtlich falsch
eingetragen.
Fahrtbeginn 4:05 Uhr Fahrtende 7:45 Uhr
keine Ruhezeit am Schaublatt aufgezeichnet
Schaublatt wurde um 7:45 Uhr entnommen
Das Schaublatt 2 hätte nicht verwendet werden dürfen. Die Aufzeichnungen hätten auf Blatt 1 weitergeführt werden müssen.
Schaublatt 3 (Beschuldigter als Lenker)
12.04.01
Fahrtbeginn 7:45 Uhr Fahrt bis 11:15 Uhr
Ruhezeit 11:15 Uhr bis 12:55 Uhr = 1 Std 40 min
Weiterfahrt 12:55 Uhr Fahrt bis 14:33 Uhr
Ruhezeit 14:33 Uhr bis 16:15 Uhr = 1 Std 42 min
Weiterfahrt 16:15 Uhr bis 19:45 Uhr
Blatt entnommen 20:15 Uhr
Schaublatt 4 (Beschuldigter als Beifahrer)
12.04.01
Fahrtbeginn 20:30 Uhr Fahrtende (Blattentnahme) 20:50 Uhr
keine Ruhezeit
Die vier Schaublätter dokumentieren den Zeitraum vom 11.04.01 15:50 Uhr bis 12.04.01 20:50 Uhr, also 29 Std
Die Ruhezeiten des Beschuldigten betrugen in diesem Zeitraum 2 Std 50 min, 1 Std 40 min und 1 Std 42 min, zusammen 6 Std 12 min
Die Anzeige mittels ADAS berücksichtigte nur den größten zuammenhängenden Block mit 1 Std 42 min
Zusammenfassung
Der Beschuldigte hat im Zeitraum von 29 Std als Fahrer bzw Beifahrer in einer Zweifahrerbesetzung, dokumentiert mittels Fahrtenschreiberschaublätter vom 11.04. bis 12.04.01 insgesamt 6 Std 12 min Ruhezeit eingehalten. Diese Ruhezeit wurde auf drei Teilzeiten von 2 Std 50 min, 1 Std 40 min und 1 Std 42 min aufgeteilt.
Die gem Art8 Z2 EG Verordnung 3820/85 vorgeschriebene Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden wurde daher nicht eingehalten.?
Seitens des Rechtsvertreters des Berufungswerbers erging keine Äußerung zum obigen Sachverständigenbefund.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Der im Straferkenntnis erhobene Schuldvorwurf, der Berufungswerber habe - wie am 12.04.2001 um 21.00 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 im Gemeindegebiet Innsbruck, bei Km 72,5 am LKW-Parkplatz Ampasser Hof, Fahrtrichtung Westen, anlässlich einer Kontrolle festgestellt worden sei - als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges BZ- und BZ- am 11.04.2001 in der Zeit ab 15.49 Uhr innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraumes von 30 Std die vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Std um 6 Std 18 Min verkürzt, da die Gesamtdauer lediglich 1 Std 42 Min betragen habe, steht im Widerspruch zum Befund des Kfz-Sachverständigen, Herrn Ing. Herbert Sch., vom 23.10.2001.
Dem Befund ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber am 11.04.01 Fahrtbeginn 15:50 Uhr Beifahrer (Schaublatt 1) und nicht Lenker des gegenständlichen Sattelkraftfahrzeuges war. Der Berufungswerber war als Lenker erst am 12.04.01 Fahrtbeginn 7:45 Uhr tätig (Schaublatt 3).
Die Stattgebung der Berufung hatte somit deshalb zu erfolgen, da der Berufungswerber die ihm im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfene Übertretung nach Art8 Abs2 EG-VO 3820/85 nicht begangen hat.