Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung der A M R, vertreten durch Dr. H K, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 8.10.2001, GZ.: III/S-28691/00, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung
Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 8.10.2001, GZ.: III/S-28691/00, wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 21.7.2000 um 11.10 Uhr in Graz 4, am Radweg der Keplerbrücke, ca. 15 m östlich der Kreuzung mit dem Lendkai, als Lenkerin eines Fahrrades überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert worden wären, da es zu gegenständlichem Verkehrsunfall gekommen sei.
Sie habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 16 Abs 1 lit a StVO verletzt und wurde über sie gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (? 72,67), im Falle der Uneinbringlichkeit 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Im rechtzeitig eingebrachten Rechtsmittel bekämpft die Berufungswerberin durch ihren Rechtsvertreter dieses Straferkenntnis dem gesamten Inhalte nach, beantragte die Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines kfz-technischen Sachverständigen sowie die nochmalige Einvernahme der weiteren Unfallbeteiligten zum Beweise der Richtigkeit ihrer Verantwortung, nämlich einen ausreichenden Seitenabstand eingehalten zu haben. Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- (? 726,73) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Gründen zu beheben ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Berufungsausführungen und konnte gemäß § 51e Abs 2 VStG auch von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Aus dem der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ergibt sich, dass es am 21.7.2000 am Radweg der Keplerbrücke in Graz, ca. 15 m östlich der Kreuzung mit dem Lendkai zu einem Zusammenstoß zweier Radfahrerinnen kam. Die Berufungswerberin überholte eine vor ihr fahrende Radfahrerin, als diese offenbar durch eine Auslenkbewegung nach links mit der Berufungswerberin zusammenstieß und danach beide zu Fall kamen. Die Berufungswerberin wurde leicht, die andere Radfahrerin schwer verletzt.
Der gegenständlich Verkehrsunfall wurde vom Verkehrsunfallkommando der Bundespolizeidirektion Graz aufgenommen und nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die Bundespolizeidirektion Graz das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, in der sie der Berufungswerberin eine Übertretung des § 16 Abs 1 lit a StVO zur Last legt.
Dieser Bestimmung zufolge darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.
Grundsätzlich ist die Bedachtnahme auf andere Straßenbenützer nicht nur auf die entgegen-kommenden oder auf andere Fahrzeuge eingeschränkt, denn das Wort insbesondere
dient lediglich dem Hinweis auf die besondere Gefahr des Zusammenstoßes mit einem entgegen-kommenden Fahrzeug beim Überholen.
Die Behörde erster Instanz führt in der Begründung ihres Straferkenntnisses aus, dass sie die der Berufungswerberin zur Last gelegte Übertretung deshalb für erwiesen hält, weil das Überholen schon dann zu unterlassen ist, wenn die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers gegeben ist. Des Weiteren führt sie aus, dass für ein gefahrloses Überholen die Berufungswerberin einen entsprechenden Seitenabstand zur überholten Radfahrerin einhalten hätte müssen, zumal insbesondere bei Radfahrern Auslenkbewegungen nicht ausgeschlossen werden können. Die Behörde erster Instanz übersieht hier, dass die von ihr herangezogenen Bestimmung des § 16 Abs 1 lit a StVO sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer bezieht, sondern auf ein dem überholenden Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden oder Behindern können bzw einen Platzmangel. Der Lenker darf grundsätzlich nur dann überholen, wenn er in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit eines gefahrlosen Überholens zu überzeugen und hat den Versuch eines Überholmanövers abzubrechen und sich wieder hinter das vor ihm fahrende Fahrzeug einzureihen, sobald er auf der Überholstrecke ein Hindernis oder sonst die Möglichkeit einer Gefährdung erkennt. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, da das gegenständliche Überholmanöver der Berufungswerberin völlig unbeeinflusst von einem allfälligen Gegenverkehr stattfand, da dieser auf dem Radweg der Keplerbrücke nicht vorhanden war. Die Behörde erster Instanz hat richtig ausgeführt, dass beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand einzuhalten ist und der gegenständliche Verkehrsunfall offenbar - so die Behörde erster Instanz - durch einen zu geringen Seitenabstand, den die Berufungswerberin von der von ihr überholten Radfahrerin einhielt, geschah. In diesem Fall jedoch hätte die Berufungswerberin die Bestimmung des § 15 Abs 4 StVO verletzt, derzufolge beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten ist. Da die mangelhafte Tatbildumschreibung im Zusammenhang mit dem im Spruch des angefochtenen Bescheides erhobenen Tatvorwurf somit nicht den angeführten gesetzlichen Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG entspricht, war im Hinblick darauf, dass eine Sanierung dieses Mangels durch die erkennende Behörde aufgrund der Bestimmungen der §§ 31 und 32 VStG nicht mehr möglich ist, das Strafverfahren zufolge Vorliegens von Umständen, die die Verfolgung ausschließen, gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.