TE UVS Steiermark 2002/01/25 30.15-27/2001

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Veröffentlicht am 25.01.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn H S, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. A L und Dr. K L E, gegen die Punkte 2.) bis 4.) des Straferkenntnisses der Politischen Expositur Bad Aussee vom 20.3.2001, GZ.: 15.1 857/2000, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung im Punkt 2.) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Hinsichtlich der Punkte 3.) und 4.) wird die Berufung abgewiesen. Die verhängte Strafe beträgt somit hinsichtlich des Punktes 3.) ?

290,69 (S 4.000,--) und hinsichtlich des Punktes 4.) ? 145,35 (S 2.000,--).

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von ? 87,21 (S 1.200,--) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Hinsichtlich dieser beiden Punkte wird der Strafausspruch dahingehend ergänzt, dass der Ersatzarrest jeweils gemäß § 16 VStG bemessen wird.

Text

Mit den Punkten 2.) bis 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses wurden dem Berufungswerber in seiner Funktion als persönlich haftender Gesellschafter und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma S L OEG mit dem Sitz in A S, B A, nachstehende, anlässlich der Baustellenkontrolle vom 26.9.2000 hinsichtlich der Baustelle B, B A, festgestellte Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt:

Punkt 2.) Eine Übertretung des § 68 Abs 4 BauarbeiterschutzVO, da der waagrechte Abstand der Gerüstkonsolen des Gerüstes, welches als Arbeitsgerüst verwendet wurde, 3 m betrug (Geldstrafe: S 10.000,--, ? 726,73).

Punkt 3.) Ein Verstoß gegen § 36 Abs 7 ArbeitsmittelVO, da die am oben angeführten Gerüst angelegte Alu-Ausziehleiter als Verkehrsweg verwendet wurde, obwohl sie keine Seitenwehren, Rückensicherungen oder andere Einrichtungen nach § 35 Abs 2 ArbeitsmittelVO aufwies, obwohl die Gefahr eines Absturzes über mehr als 5 m bestand (Geldstrafe: S 4.000,--, ? 290,69). Punkt 4.) Ein Verstoß gegen § 159 Abs 4 Z 1 BauarbeiterschutzVO, da auf der Baustelle keine Aufzeichnungen über die Arbeitnehmerunterweisungen gemäß § 154 Abs 1 BauarbeiterschutzVO auflagen, obwohl die betroffenen Arbeitnehmer länger als fünf Arbeitstage auf der angeführten Baustelle beschäftigt wurden (Geldstrafe: S 2.000,--, ? 145,35).

In seiner dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Beschuldigte zu Punkt 2.) ein, dass gemäß § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO die vom Hersteller (Erzeuger oder Vertreiber) vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten seien. Aus den "sicherheitstechnischen Anforderungen für das Errichten und Benutzen von Leitergerüsten" ergäbe sich, dass für die gegenständliche WAKÜ-Arbeitsbühne die Leitern im horizontalen Abstand bis maximal 4 m auseinander aufgestellt werden dürfen. Nachdem der Abstand ohnedies nur 3 m betrug, sei somit gemäß § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO den vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen des Herstellers entsprochen worden. Zu Punkt 3.) wurde eingewendet, dass jene Leitern, welche als Verkehrsweg, nämlich als Aufstiegshilfe zum Gerüst bzw Dach verwendet wurden, ohnedies allen sicherheitstechnischen Anforderungen entsprochen hätten. Die Leitern, die zum Aufstieg verwendet wurden, seien nicht ident mit jenen gewesen, welche links und rechts der WAKÜ-Arbeitsbühne aufgestellt waren. Zu Punkt 4.) wurde eingewendet, es sei zwar richtig, dass die Baustelle insgesamt gesehen länger als fünf Arbeitstage gedauert habe, es habe jedoch zwei Mal witterungsbedingte Unterbrechungen gegeben, sodass die Arbeitnehmer jedenfalls nicht ununterbrochen länger als fünf Arbeitstage an der gegenständlichen Baustelle gearbeitet hätten. Hinsichtlich aller drei Punkte wurde vorgebracht, dass für die gegenständliche Baustelle der Mitgesellschafter des Berufungswerbers, C L alleine verantwortlich war und gegen diesen aus Anlass der gleichen Kontrolle ohnedies sowohl ein Gerichtsverfahren, als auch ein Verwaltungsstraf-verfahren eingeleitet worden sei. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 4.12.2001 in welcher neben dem Berufungswerber sein Mitgesellschafter C L, weiters der Meldungsleger Ing. H sowie die Arbeitnehmer E P und M G als Zeugen einvernommen wurden, wird unter Verwertung der in der Verhandlung vorgekommenen Urkunden, insbesondere der Gerüstbeschreibung und den sicherheitstechnischen Anforderungen für das Errichten und Benutzen des gegenständlichen Leitergerüstes der Marke WAKÜ, sowie weiters der Tatortfotos nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen: Der Berufungswerber ist gemeinsam mit C L persönlich haftender Gesellschafter der S und L OEG mit dem Sitz in B A. Im September 2000 hatte die OEG ca. 13 Mitarbeiter und ungefähr vier bis fünf Baustellen, welche gleichzeitig betrieben wurden. Bei der OEG handelt es sich um eine Spenglerei. Die Firma war zum Zeitpunkt des Unfalles im Besitz von Gewerbeberechtigungen für das Dachdecker- und Spenglergewerbe. Gewerberechtlicher Geschäftsführer für das Dachdeckergewerbe war Herr N N, für das Spenglergewerbe der Berufungswerber. C L verfügt über die Lehrabschlussprüfung im Spenglergewerbe, nicht jedoch die Meisterprüfung. Im Unternehmen besteht eine interne Aufgabenteilung dahingehend, dass jeder der beiden Gesellschafter für die von ihm betriebenen Baustellen alleine verantwortlich ist, die beiden Gesellschafter kontrollieren sich auch nicht gegenseitig. Im Unternehmen wurden nach der Firmengründung mehrere Arbeitsbühnen der Marke WAKÜ und Bavaria angeschafft, auf welchen ständig gearbeitet wird. Die verfahrensgegenständliche Baustelle an der Adresse B in B A fiel in den Verantwortungsbereich von C L. Der Auftrag bestand darin, Spenglerarbeiten sowie Dachausbesserungen durchzuführen. Die eingesetzte Partie bestand aus dem Vorarbeiter E P sowie weiters M G, I B und S M. Mit den Arbeiten wurde ca. eine Woche vor dem Unfall vom 26.9.2000 begonnen, eine Baustellenmeldung wurde nicht erstattet. Am ersten Tag wurde unter Leitung von C L zunächst ein WAKÜ- Leitergerüst auf der linken Seite des Gebäudes aufgestellt. Verwendet wurde ein sogenanntes gemischtes System, bestehend aus Konsolen und Arbeitsbühne der Marke WAKÜ und zwei Anlehnleitern der Marke Helval in welche die Arbeitsbühne eingehängt wurde. Der waagrechte Abstand der Gerüstkonsolen betrug 3 m. Unmittelbar neben dem Gerüst stand eine Anlegeleiter (Aluausziehleiter), welche weder Seitenwehren, noch Rückensicherung oder sonstige Absturzsicherungen im Sinne von § 36 Abs 7 ArbeitsmittelVO aufwies. Diese Leiter wurde in weiterer Folge von den Arbeitnehmern einerseits für den Auf- und Abstieg zur Arbeitsplattform auf der WAKÜ-Arbeitsbühne verwendet und andererseits als Aufstieg auf das Dach hinsichtlich der dort durchzuführenden Arbeiten (Austausch der schadhaften Dachsparren). Die Arbeitsbühne wurde in einer Höhe von 8,2 m, gemessen ab dem Boden, montiert, obwohl laut sicherheitstechnischer Anforderung der Firma WAKÜ Geräte GesmbH die Aufbauhöhe auf maximal 7 m begrenzt ist. C L hatte vor der Aufstellung die Traufenhöhe nicht gemessen. In weiterer Folge wurde rechts vom Eingang ein baugleiches Gerüst, ebenfalls mit einer Anlehnleiter als Aufstiegshilfe aufgestellt. Dieser Gerüstaufbau erfolgte in Abwesenheit von C L durch den Vorarbeiter P und die übrige Arbeitnehmerpartie. Die Arbeitsplattform beim rechten Gerüst war in gleicher Höhe angebracht wie beim linken Gerüst. Die Arbeitnehmer hatten beim Gerüstaufbau die Aufstellungsanleitung des Herstellers nicht zur Hand, der Vorarbeiter P wusste nicht, dass die maximale Aufstellhöhe mit 7 m begrenzt war. Das am 26.9.2000 eingestürzte Gerüst auf der rechten Gebäudeseite wurde von den Arbeitnehmern zumindest schon am Vortag verwendet, ohne dass der Berufungswerber oder C L eine Abnahmeprüfung durchgeführt hatten. Vor Beginn der Arbeiten führte C L mit dem Vorarbeiter E P lediglich eine kurze mündliche Sicherheitsunterweisung durch, Aufzeichnungen hinsichtlich dieser Unterweisung im Sinne von § 154 Abs 5 BauarbeiterschutzVO wurden nicht geführt. Am 26.9.2000 befanden sich die Arbeiter alleine auf der Baustelle. Der Vorarbeiter P und der Hilfsspengler M waren damit beschäftigt, am Boden neue Sparren vorzubereiten. Diese Sparren wurden an Seilen befestigt und von den auf der Arbeitsplattform stehenden Arbeitnehmern G und B in die Höhe gezogen. Eine Hebevorrichtung für die Sparren war nicht vorhanden, den Arbeitern war das händische Hinaufziehen der Sparren von der Arbeitsbühne aus von C L nicht untersagt worden. Als einer der Sparren schon beinahe hinaufgezogen war, kippte die Arbeitsbühne, vermutlich weil sich eine Sicherheitsschraube gelöst hatte, welche in weiterer Folge nicht mehr auffindbar war und beide Arbeitnehmer stürzten in die Tiefe. G erlitt dabei leichte Prellungen und Abschürfungen, I B wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Landeskrankenhaus B A eingeliefert. Auf der gegenständlichen Baustelle wurde von Arbeitnehmern des Berufungswerbers am 18.9.2000, 19.9.2000, 20.9.2000. 25.9.2000 und 26.9.2000 sowie durch Herrn P auch noch am 27.9.2000 gearbeitet. Beweiswürdigung: Die Feststellungen betreffend die firmeninterne Aufgabenteilung und das Kontrollsystem gründen sich auf die diesbezüglich in allen Punkten übereinstimmenden Angaben der beiden Firmenchefs sowie der befragten Arbeitnehmer. Die Feststellungen betreffend die Marke, die Gerüstbestandteile, den Konsolabstand und die Aufbauhöhe gründen sich auf die Aussage des Arbeitsinspektors, welcher diese Daten auch in den Erfassungsbogen der gegenständlichen Kontrolle eintrug. Dass die als Aufstiegshilfe verwendete Alu-Ausziehleiter keine Sicherungen im Sinne von § 35 Abs 1 und 2 ArbeitsmittelVO aufwies und keine schriftlichen Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitnehmerunterweisungen im Sinne von § 154 Abs 1 und 5 BauarbeiterschutzVO angefertigt wurden, wurde vom Berufungswerber und seinem Mitgesellschafter ohnedies nicht bestritten. Die Arbeitstage auf der gegenständlichen Baustelle ergeben sich aus den vom Berufungswerber selbst nach der Wiederöffnung des Beweisverfahrens vorgelegten Stundenaufzeichnungen. Zum Einwand der mitbeteiligten Partei, es könne aus diesen Stundenaufzeichnungen nicht mit Sicherheit entnommen werden, ob es sich bei der Baustelle "M", um die verfahrensgegenständliche Baustelle handle, sei bemerkt, dass sich aus dem im Parallelverfahren gegen C L beigeschafften Gerichtsakt ergibt, dass es sich bei der Baustelle "M" tatsächlich um die verfahrensgegenständliche Baustelle in der B handelt (M ist offenbar der Name des Bauherrn). Rechtliche Beurteilung: Zu Punkt 2.): Hinsichtlich des vom Berufungswerber vorgebrachten Einwandes, er habe sich, was den Abstand der Gerüstkonsolen anbelangt, ohnedies im Sinne von § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO an die sicherheitstechnischen Anforderungen des Herstellers (Vertreibers) gehalten wurde im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Zentralarbeitsinspektorates eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 13.6.2001, GZ.: 461 1206/5-IX/1/01, führt das ZAI aus, dass es sich bei der gegenständlichen WAKÜ-Arbeitsbühne weder um ein Konsolgerüst im Sinne des § 68 BauarbeiterschutzVO, noch um ein Gerüst sonstiger Bauart, sondern lediglich um eine an Leitern zu befestigende Plattform handelt. Da der Einsatz dieser Arbeitsbühne durch die BauV nicht geregelt wird, ist § 17 Abs 4 BauV anzuwenden, festgelegt wird, dass die vom Hersteller (Erzeuger oder Vertreiber) vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. Da laut sicherheitstechnischer Anforderung des Herstellers bzw Vertreibers ein Konsolabstand von bis zu 4 m zulässig ist und dieser Konsolabstand bei der Aufstellung nicht überschritten wurde, wurde die "Arbeitsbühne" im Sinne von § 17 Abs 4 BauarbeiterschutzVO und der dazu ergangenen Stellungnahme des Zentral- arbeitsinspektorates ohnedies korrekt aufgestellt. Insbesondere liegt der von der belangten Behörde angezogene Verstoß gegen § 68 Abs 4 BauarbeiterschutzVO nicht vor, da diese Bestimmung auf die gegenständliche Arbeitsbühne gar nicht anzuwenden ist. Da der Berufungswerber somit die ihm hinsichtlich dieses Punktes angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Zu Punkt 3.): Gemäß § 36 Abs 7 ArbeitsmittelVO sind bei Anlegeleitern, welche als Verkehrswege benützt werden und bei welchen die Gefahr eines Absturzes über mehr als 5 m besteht, als Sicherungen Seitenwehren, eine Rückensicherung nach § 35 Abs 1 oder eine andere Einrichtung nach § 35 Abs 2 (insbesondere ein Steigschutz) anzubringen. Der Schutzzweck dieser Bestimmung besteht darin, Anlegeleitern, welche von den Arbeitnehmern auf der Baustelle als Verkehrsweg und somit zum ständigen Auf- und Absteigen benützt werden, ab einer Höhe von 5 m mit besonderen Absturzsicherungen auszustatten. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ist als erwiesen anzunehmen, dass die gegenständliche Anlehnleiter sowohl als Aufstiegshilfe zur Arbeitsbühne, als auch zum Erreichen des Arbeitsplatzes auf dem Dach verwendet wurde, ohne mit einer Absturzsicherung nach § 35 Abs 1 oder Abs 2 ArbeitsmittelVO ausgestattet zu sein. Da die Arbeitsbühne in einer Höhe von 8,2 m eingehängt war und die Arbeiten auf dem Dach in noch größerer Höhe durchgeführt wurden, waren die Arbeitnehmer bei diesem tagelang durchgeführten ungesicherten Auf- und Abstieg einer erheblichen Gefahr ausgesetzt. Im Falle eines Absturzes von der ungesicherten Leiter wäre mit mindestens ebenso schweren Verletzungen zu rechnen gewesen, wie sie der am 26.9.2000 erfolgte Zusammenbruch der Arbeitsbühne zufolge hatte. Zu Punkt 4.): Gemäß § 154 Abs 1 BauarbeiterschutzVO müssen die Arbeitnehmer vor der ersten Aufnahme der Tätigkeit auf der Baustelle in der sicheren Durchführung der Arbeiten unterwiesen werden. Gemäß Absatz 5 leg cit sind über die Durchführung der Unterweisung Aufzeichnungen zu führen. Gemäß § 159 Abs 4 Z 1 BauarbeiterschutzVO müssen unter anderem die Nachweise gemäß § 154 Abs 5 leg cit auf jenen Baustellen zur Einsichtnahme aufliegen, auf welchen Arbeitnehmer länger als fünf Arbeitstage beschäftigt werden. Nach dem durchführten Ermittlungsverfahren ist als erwiesen anzunehmen, dass, wie vom Berufungswerber und seinem Mitgesellschafter ohnedies nicht bestritten wird, hinsichtlich der gegenständlichen Baustelle überhaupt keine schriftlichen Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitnehmerunterweisungen angefertigt wurden. Weiters ergibt sich aus den vom Berufungswerber selbst vorgelegten Stundenaufzeichnungen, dass auf der gegenständlichen Baustelle zumindest sechs Tage lang von Arbeitnehmern der Firma S L OEG Arbeiten durchgeführt wurden. Zum Einwand des Berufungswerbers, es sei auf der gegenständlichen Baustelle zwar insgesamt länger als fünf Tage, jedoch mit Unterbrechungen gearbeitet worden, ist Folgendes zu bemerken: Der Wortlaut des ersten Absatzes des § 159 Abs 4 BauarbeiterschutzVO "sofern ein Arbeitgeber auf einer Baustelle Arbeitnehmer länger als fünf Arbeitstage beschäftigt ..." kann sinnvollerweise nur so interpretiert werden, dass es hiebei auf die Gesamtdauer der Arbeiten ankommt. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, ob die Kontrolle des Arbeitsinspektorates, wie im vorliegenden Fall, zufällig genau am fünften Arbeitstag stattfand bzw ob es vor oder nach der Kontrolle arbeits- oder witterungsbedingte Unterbrechungen gab. Mit der Bestimmung des § 159 Abs 4 erster Satz leg cit wollte der Gesetzgeber offensichtlich kleine Baustellen, auf denen insgesamt nicht länger als fünf Arbeitstage gearbeitet wird, von den bürokratischen Auflagepflichten herausnehmen. Hinsichtlich aller übrigen Baustellen auf denen insgesamt länger als fünf Arbeitstage gearbeitet wird, besteht hingegen ab dem ersten Arbeitstag bereits Auflagepflicht hinsichtlich der im Absatz 4 leg cit genannten Nachweise. Der gesetzliche Tatbestand ist somit jedenfalls als erfüllt anzusehen. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist zu beiden Punkten auszuführen, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine, wie im vorliegenden Fall, bloß interne Aufgabenverteilung zwischen zwei oder mehreren gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenen Firmenverantwortlichen nicht exkulpierend wirkt. Da der für die Baustelle Verantwortliche C L dem Arbeitsinspektorat auch nicht als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs 2 VStG gemeldet war, hätte der Berufungswerber seinen Geschäftspartner hinsichtlich dieser Baustelle jedenfalls kontrollieren müssen, was er nachweislich unterlassen hat. Dies um so mehr, als C L zum Unterschied vom Berufungswerber über keine Meisterprüfung im Spenglergewerbe verfügt und anlässlich seiner Zeugeneinvernahme im Berufungsverfahren den Eindruck beträchtlicher Wissenslücken und eines recht "saloppen" Umgangs hinsichtlich der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften machte. Das Verfahren hat schwere Mängel im Kontrollsystem aufgezeigt, indem etwa C L vor der Aufstellung des Gerüstes die Traufenhöhe nicht maß und vor der Inbetriebnahme der beiden Gerüste keine Abnahmeprüfung vornahm. Dass die gegenständliche Baustelle beim Arbeitsinspektorat nicht gemeldet war, bis zum Zeitpunkt der Kontrolle keine schriftlichen Arbeitnehmerunterweisungen gemäß § 154 BauV durchgeführt wurden und die sicherheitstechnischen Anleitungen betreffend den Gerüstaufbau weder auf der Baustelle auflagen, noch anlässlich der Unfallserhebung in der Firma auffindbar waren, wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Sicherheitsstandards des Unternehmens. Auch der Vorarbeiter P und der weitere Zeuge G zeigten sich völlig uninformiert hinsichtlich der fachgerechten Aufstellung des Gerüstes. Beide wussten nicht Bescheid über die maximale Aufstellhöhe und hatten die schriftlichen Sicherheitsanweisungen des Herstellers noch nie zu Gesicht bekommen. Dies alles muss sich der Berufungswerber in der Schuldform der groben Fahrlässigkeit anrechnen lassen. Zur Strafbemessung: Die anzuwendenden Strafnormen des § 130 Abs 1 Z 16 und § 130 Abs 5 Z 1 ASchG sehen für die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen jeweils einen Strafrahmen von S 2.000,-- (? 145,35) bis S 100.000,-- (? 7.267,28), im Wiederholungsfall Geldstrafe von S 4.000,-- (? 290,69) bis S 200.000,-- (? 14.534,57) vor. Da der Berufungswerber einschlägig nicht vorbestraft ist, kommt im Anlassfall der erste Strafsatz zur Anwendung. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat hinsichtlich des Punktes 4.) ohnedies nur die Mindeststrafe und hinsichtlich des Punktes 3.) nur eine knapp über der Mindeststrafe liegende Geldstrafe verhängt. Nach Auffassung des zur Entscheidung berufenen Einzelmitgliedes sind diese Strafen im Hinblick auf die beschriebenen schweren Mängel im Kontrollsystem durchaus tat- und schuldangemessen. Hinsichtlich des Punktes 3.) ist auch das erhebliche Gefährdungspotential zu berücksichtigen. Da der Berufungswerber wegen mehrerer, nicht einschlägiger Verwaltungsvormerkungen nicht absolut unbescholten ist, ist bei der Strafbemessung als mildernd nichts und als erschwerend ebenfalls nichts anzunehmen. Die vom Berufungswerber mit S 30.000,-- (? 2.180,19) mtl./netto, Sorgepflichten für eine Tochter, kein Vermögen, keine Belastungen, bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden bei der Strafbemessung berücksichtigt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Unterweisungen Baustelle Auflagepflicht Arbeitstage
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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