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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des G in Staufenberg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein/Tirol, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Juli 2001, Zl. uvs-2001/K/1/014-1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelzugfahrzeuges (höchstzulässiges Gesamtgewicht über 7,5 t) und eines (ebenfalls nach dem Kennzeichen bestimmten) Sattelanhängers am 29. August 2000 eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke A 12 Inntalautobahn von Deutschland kommend in Richtung Italien fahrend durchgeführt, und habe dabei entgegen den Bestimmungen des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) 1524/96 und (EG) 609/2000 die auf Grund des § 8 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes sowie des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße, BGBl. Nr. 823/1992, vorgeschriebene Ökokarte mit der erforderlichen Anzahl von geklebten und entwerteten Ökopunkten, oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes, elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht (Ecotag), auf Verlangen der Kontrollorgane des Landesgendarmeriekommando für Tirol, Verkehrsabteilung Wiesing, am 29. August 2000 um 19.30 Uhr auf der
A 12 "im Gemeindegebiet von Münster bei km 36,5" nicht zur Prüfung vorgelegt. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z 8 des Güterbeförderungsgesetzes i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) 3298/94 i.d.F. der Verordnungen (EG) 1524/96 und (EG) 609/2000 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 und 2 des Güterbeförderungsgesetzes i.V.m. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung EG 3298/94 in der besagten Fassung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarrest 5 Tage) verhängt.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
2.1. Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der Fassung BGBl. Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Als solche Vorschriften der Europäischen Union kommen im Beschwerdefall die Regelungen in dem den EU-Beitrittsakten beigefügten Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/1995 - mit dem die wesentlichen Regelungen des Transitabkommens, BGBl. Nr. 823/1992, übernommen wurden, das primärrechtlichen Rang hat und entsprechend dem Art. 2 der EU-Beitrittsakte für Österreich und die anderen neuen Mitgliedstaaten das am 31. Dezember 1994 vorhandene Primärrecht modifizierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 96/03/0385) - und weiters die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994, in der Fassung der Verordnungen der Kommission (EG) Nr. 1524/96 vom 30. Juli 1996 und (EG) Nr. 609/2000 vom 21. März 2000, in Betracht.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular
oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von
Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als
"Ökokarte" bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches
Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht
und als "Umweltdatenträger" ("ecotag") bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten
Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß
Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass
es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."
Art. 1 Abs. 1 a der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission lautet:
"1a. Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunktregelung ausgenommen."
2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er die Transitfahrt nicht im gewerbsmäßigen Güterverkehr, sondern im "Werkfernverkehr" durchgeführt habe, was ihm aber nicht innerhalb der Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG vorgeworfen worden sei. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/03/0014, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargelegt, dass die Verpflichtung zur Entrichtung bzw. Entwertung von Ökopunkten auch eine im Werkverkehr erfolgende Transitfahrt erfasst. Dass sich der "Werksfernverkehr" vom "Werksverkehr" auf dem Boden der in Rede stehenden Rechtsvorschriften maßgeblich unterscheiden würde, ist nicht ersichtlich. Von daher stellt der Umstand, ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Transitfahrt im Werkfernverkehr erfolgte, auch kein Tatbestandselement der besagten Verpflichtung dar, das ihm im Lichte der ins Treffen geführten Verfolgungsverjährung gesondert vorzuwerfen gewesen wäre.
2.3. Dem Vorbringen, den Beschwerdeführer treffe an der Nichtentrichtung der Ökopunkte kein Verschulden, da die in Rede stehende Fahrt für ihn die erste Transitfahrt dargestellt habe, und auch das (näher genannte) Unternehmen, für welches er tätig geworden sei, keine Erfahrung im internationalen Transitverkehr gehabt habe, ist entgegen zu halten, dass nach der hg. Rechtsprechung von einem eine Transitfahrt durchführenden Lenker verlangt werden muss, sich mit den für ihn maßgeblichen Regelungen betreffend das Ökopunktesystem, die gemeinschaftsrechtlicher Natur sind, vertraut zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0046).
2.4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Beschwerdefall nicht nach § 21 VStG von der Strafe abgesehen hat. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- oder Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben, hätte sich der Beschwerdeführer doch - wie schon erwähnt - als ein eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführender Lenker zuvor auf geeignete Weise mit einschlägigen Rechtsnormen vertraut machen müssen (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 20. September 2000).
2.5. Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er geltend macht, dass die Voraussetzungen des § 20 VStG gegeben seien, weil drei Milderungsgründe vorlägen, denen keinerlei Erschwerungsgründe gegenüber stünden. Auf dem Boden der Ausführungen unter Punkt 2.3. kann dem vom Beschwerdeführer als Milderungsgrund ins Treffen geführten behaupteten Rechtsirrtum keineswegs das geringe Gewicht beigemessen werden, dass ihm Beschwerde zusinnt, vielmehr kommt dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer als einer eine Transit durchführende Lenker nicht mit den einschlägigen (insbesondere auch gemeinschaftsrechtlichen) Rechts vertraut gemacht hat, ein beträchtliches Gewicht zu, weshalb dieser Umstand als Milderungsgrund nicht in Betracht kommt. Der damit verbleibende einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit kann aber auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bedeuten (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000).
2.6. Schließlich vermag der Beschwerdeführer mit seinem Einwand, die belangte Behörde habe entgegen seinem ausdrücklichen Verlangen keine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt und damit gegen § 51e VStG verstoßen, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, unterlässt es die Beschwerde doch, die Relevanz dieses Verfahrensmangels darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 2000/03/0010).
2.7. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe einen namentlich genannten Zeugen, dessen Vernehmung zum Beweis dafür beantragt worden sei, dass es sich bei der in Rede stehenden Transitfahrt um eine einmalige und erstmalige Transitfahrt des Beschwerdeführers gehandelt habe, dass es sich bei der besagten Firma ferner um "eine junge Firma" handle, die seit dem 6. Jänner 2000 Schrank- und Trennwandelemente für ganz Deutschland produziere, und sich aus der Aussage dieses Zeugen insbesondere Umstände für ein mangelndes bzw. geringfügiges Verschulden des Beschwerdeführers ergeben hätten, nicht zielführend.
2.8. Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 10. Oktober 2001
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001030294.X00Im RIS seit
19.12.2001Zuletzt aktualisiert am
20.07.2012