Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn H W, vertreten durch Dr. G P-F, Dr. P W, Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 21.3.2001, GZ.: 15.1 4110/2000, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 17.12.1999 von 15.00 bis 15.45 Uhr den Versuch unternommen, die Ausübung des ärztlichen Berufes durch Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, an einem Menschen vorzunehmen, indem er diesen zu überzeugen suchte, derartige Behandlungen an sich durch ihn vornehmen zu lassen, obwohl er über keine Berufsberechtigung als Arzt verfüge.
Wegen Verletzung des § 2 Abs 2 Ziff. 1 Ärztegesetz 1998 wurde über ihn gemäß § 199 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (? 363,36), für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in der ua. neben dem Hinweis auf ein beim BG anhängiges Strafverfahren wegen des Verdachts der Kurpfuscherei nach § 184 StGB, womit eine verwaltungsstrafrechtliche Bestrafung dem Doppelbestrafungsverbot zuwider laufen würde und deshalb der Antrag gestellt werde, das gegenständliche Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Strafgerichtes auszusetzen, ausgeführt wird, dass dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zufolge weder eine Untersuchung noch der Versuch einer Untersuchung, die einem Arzt vorbehalten sei, vorliege. Es werde daher der Antrag gestellt, den Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an die Behörde I. Instanz zurückzuverweisen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- (? 726,73) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung hatte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 Z 1 VStG zu entfallen. Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei Verwaltungsübertretungen, wie im vorliegenden Fall, sechs Monate; sie ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Im gegenständlichen Fall ist die Verfolgungsverjährungsfrist am 17.6.2000 abgelaufen, da die Tat am 17.12.1999 begangen wurde.
Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache.
Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (z.B. Ladung, Vernehmung, Zeugenaussage, Strafverfügung). Eine Verfolgungshandlung muss daher, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, von einer Behörde ausgehen, gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet, innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein und wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat. Der Eintritt der Verfolgsverjährung ist von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH verstärkter Senat, 19.9.1984, Slg. 11525 A); dies auch dann, wenn die Einwendung der Verfolgungsverjährung vom Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren nicht geltend gemacht worden ist (VwGH, 21.12.1988, 85/18/0120).
Auf Grundlage des vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde I.
Instanz ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen:
Die einzige innerhalb der Frist nach § 31 Abs 2 VStG relevante Verfolgungshandlung, die seitens der belangten Behörde im konkreten Fall gesetzt wurde, stellt die Aufforderung an den Berufungswerber zur Rechtfertigung vom 8.6.2000 dar. Mit dieser wird dem Berufungswerber entgegen dem Vorwurf im Spruch des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt, eine Verwaltungsübertretung "nach § 2 Abs 2 Ziff. 1 Ärztegesetz 1948" dadurch begangen zu haben, als er am 17.12.1999 eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit ausübte, indem er Mag. S L auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, untersucht habe".
Abgesehen davon, dass bezogen auf den (möglichen) Tatzeitpunkt das Ärztegesetz 1998 in Geltung gestanden ist, hat offensichtlich der Aktenlage nach, aber auch aus Sicht der belangten Behörde eine Untersuchung der angegebenen Person nicht stattgefunden und wurde deshalb der Gegenstand des Spruchs und somit der Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs 4 AVG bildende Vorwurf dem Berufungswerber gegenüber erstmals im Straferkenntnis vom 21.3.2001, welches außerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG erlassen wurde, insoferne grundlegend dahingehend abgeändert, als dem Berufungswerber nunmehr vorgeworfen wird "den Versuch unternommen zu haben, die Ausübung des ärztlichen Berufs - es folgt die Wiedergabe der verba legalia des § 2 Abs 2 Ziff. 1 des Ärztegesetzes 1998 - durch Untersuchung an einem Menschen vorgenommen zu haben, indem er diesen zu überzeugen suchte, derartige Behandlungen an sich vornehmen zu lassen" obwohl der Berufungswerber über keine Berufsberechtigung als Arzt verfüge. Unbeschadet der Tatsache, dass es sich bei diesem Vorwurf keinesfalls um einen mit der zitierten Verfolgungshandlung identen Tatvorwurf handelt, weshalb es der erkennenden Behörde verwehrt ist, korrigierend einzugreifen, ist darauf hinzuweisen, dass auch dieser "neue" Vorwurf an einem Spruchmangel im Sinne des § 44 a Z 1 VStG insoferne leidet, als es der Angabe der Schuldform, im konkreten Fall des Vorsatzes ermangelt.
So bedarf es der Nennung subjektiver Tatbestandsmerkmale (der Schuldform) dort, wo das Gesetz ausdrücklich nur die vorsätzliche Tatbegehung unter Strafe stellt, wie eben beim Versuch der Begehung einer Verwaltungsübertretung im Sinne des § 8 VStG (siehe dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Linde-Verlag, Seite 971). Schließlich ist neben des bereits erwähnten Fehlens der Schuldform als subjektivem Tatbestandsmerkmal im konkreten Fall darauf hinzuweisen, dass sich der Vorhalt in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8.6.2000 im Wesentlichen nur in der Wiedergabe der "verba legalia" erschöpft. Dem Konkretisierungsgebot des § 44 a VStG, die Tat jeweils entsprechend den Gegebenheiten des konkreten Falls zu individualisieren, wurde somit nicht entsprochen. Dies ist besonders im Lichte des Berufungsvorbringens, wonach im einzelnen näher beschriebene Handlungen des Berufungswerbers nicht einmal den Versuch einer Behandlung darstellen könnten, von besonderer Bedeutung. Aus den dargestellten Erwägungen war daher das Verwaltungsstrafverfahren nach Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses einzustellen und erübrigt sich somit ein weiteres Eingehen auf das sonstige Berufungsvorbringen, insbesonders eine weitere Befassung mit der Frage, inwieweit der, konkret Gegenstand des Verfahrens beim BG in Verhandlung bildende Tatvorwurf wegen des Verdachts des Vergehens der Kurpfuscherei nach § 184 StGB, die gegenständliche Verwaltungsübertretung insoferne umfassend mitbetrifft, als dadurch ein Fall der Subsidiarität vorliegt und daher gemäß § 199 Abs 1 des Ärztegesetzes 1998 zutreffendenfalls ausschließlich die Zuständigkeit des Strafgerichtes zu einer Verfolgung des Berufungswerbers gegeben ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.