TE UVS Steiermark 2002/02/14 30.7-131/2001

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Veröffentlicht am 14.02.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des H S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 25.9.2001, GZ.: 15.1-1999/2076, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung gegen Punkt 1.) und Punkt

2b.) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Hinsichtlich Punkt 2a.) des angefochtenen Straferkenntnisses wird die Berufung abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von ? 7,27 (S 100,--) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von ? 3,63 (S 50,--), dieser ist binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 25.9.2001, GZ.: 15.1-1999/2076, wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 27.2.1999 in der Zeit zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr in Spital am Semmering, auf dem im Bereich der Mittelstation des Vierersesselliftes im Kaltenbach gelegenen Parkplatz in unmittelbarer Nähe eines dort abgestellten Reisebusses,

R B mit unanständigen Worten beschimpft und dadurch den öffentlichen Anstand verletzt, da dieses Verhalten gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten verstoßen habe (Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses);

P S einen Schlag ins Gesicht versetzt und dadurch den öffentlichen Anstand verletzt, da dieses Verhalten gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten verstoßen habe (Punkt 2a. des angefochtenen Straferkenntnisses) und P S einen Schlag ins Gesicht versetzt und dadurch die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört (Punkt 2b. des angefochtenen Straferkenntnisses). Er habe dadurch die Rechtvorschriften des § 1 erster Fall Stmk. LGBl. Nr. 158/75 verletzt (Punkt 1. und Punkt 2a. des angefochtenen Straferkenntnisses) und wurden deshalb über ihn zwei Geldstrafen im Ausmaß von je S 500,-- (je ? 36,34) - im Uneinbringlichkeitsfall zwei Ersatzfreiheitsstrafen im Ausmaß von je zwei Tagen - gemäß § 3 Abs 1 leg cit verhängt und des § 81 Abs 1 SPG 1991 (Punkt 2b. des angefochtenen Straferkenntnisses) verletzt und wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (? 36,34) - im Uneinbringlichkeitsfall zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe - gemäß § 81 Abs 1 leg cit verhängt. In der rechtzeitig eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber lediglich aus, dass die Beschuldigungen im Straferkenntnis falsch wären und in dieser Angelegenheit in Wien derzeit am Bezirksgericht Riemergasse verhandelt werde. Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unter Hinweis auf § 51e Abs 3 VStG entfallen, nachdem im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist und die Durchführung einer Verhandlung weder zur Beurteilung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung erforderlich war noch vom Berufungswerber beantragt wurde. Auf Grundlage des der Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungs-strafbehörde erster Instanz ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 27.2.1999 gegen 17.00 Uhr kam es am Parkplatz der Mittelstation des Vierersesselliftes in Kaltenbach, Spital am Semmering, Bezirk Mürzzuschlag, zwischen dem Berufungswerber, der mit einem Reisebus aus Wien zum Schifahren nach Spital am Semmering gekommen war, und anderen Reiseteilnehmern zu einer wörtlichen und tätlichen Auseinandersetzung, die offenbar ihren Grund in einer Alkoholisierung der handelnden Personen hatte. Der offensichtlich stark betrunkene Berufungswerber griff in einen Streit zwischen seiner Tochter und deren Freund ein und kam es in weiterer Folge zu einer Einmischung von außenstehenden Personen im Zuge dessen es auch zu Körperverletzungen kam. Während der Auseinandersetzung, die auch verbal geführt wurde, versetzte der Berufungswerber einer anderen Person einen Schlag ins Gesicht. Der obenstehende Sachverhalt ergibt sich aus den Zeugenaussagen, die im erstinstanzlichen Verfahren im Rechtshilfewege eingeholt wurden. Entscheidungswesentlich war vor allem die Aussagen der unbeteiligten Zeugen B P, R M und I S, die übereinstimmend das Verhalten des Berufungswerbers dokumentierten und besteht für die Berufungsbehörde kein Grund, den Aussagen dieser unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen keinen Glauben zu schenken.

Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 1 erster Fall Stmk. LGBl. Nr. 158/75 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

Diese Verwaltungsübertretung erfordert das Tatbestandselement der Öffentlichkeit und ist darüber hinaus gefordert, dass der Anstand verletzt worden ist.

Unter Anstand wiederum versteht man jene ungeschriebenen Regeln der Sitte und Moral, deren Einhaltung im Umgang und Leben miteinander gefordert werden muss. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Tatbestand des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt. In Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses legt die Behörde erster Instanz dem Berufungswerber zur Last, er hätte diese Bestimmung damit verletzt, als er R B mit unanständigen Worten beschimpft hätte. Gemäß § 81 Abs 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Die Behörde erster Instanz legt dem Berufungswerber zur Last, diese Bestimmung durch einen Schlag ins Gesicht des P S verletzt zu haben.

Diese Tatvorwürfe entsprechen nicht den Anforderungen des § 44a VStG:

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Bescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, dass die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Der Umfang der notwendigen Konkretisierung ist vom einzelnen Tatbild abhängig. Der Tatvorwurf "jemand mit unanständigen Worten beschimpft zu haben" entspricht nicht diesen Anforderungen, da von vorneherein nicht erkennbar ist, welche unanständigen Worte der Berufungswerber nun tatsächlich benutzte. Ist doch gerade der Begriff "unanständig" äußerst weit gefasst und hätte es einer hinreichenderen Konkretisierung der verwendeten Worte bedurft, um festzustellen, ob damit der Abstand (nach einem objektiven Maßstab) tatsächlich im Sinne der Bestimmung des § 1 erster Fall Stmk. LGBl. Nr. 158/75 verletzt wurde.

Tatbestandsmerkmal des § 81 Abs 1 SPG ist unter anderem die Qualifizierung des Verhaltens des Beschuldigten als besonders rücksichtslos und finden sich auch hiezu weder im Spruch, noch in der Begründung des Straferkenntnisses Ausführungen darüber, warum das inkriminierte Verhalten des Berufungswerbers (Schlag ins Gesicht des P S) als besonders rücksichtslos zu qualifizieren war. Da die mangelhafte Tatbildumschreibung im Zusammenhang mit dem im Spruch des angefochtenen Bescheides erhobenen Tatvorwurf somit nicht den angeführten gesetzlichen Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG entspricht, war im Hinblick darauf, dass eine Sanierung dieses Mangels durch die erkennende Behörde aufgrund der Bestimmungen der §§ 31 und 32 VStG nicht mehr möglich ist, das Strafverfahren zufolge Vorliegens von Umständen, die die Verfolgung ausschließen, gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen. Demgegenüber stellt die Tatbildbeschreibung, "jemand anderem einen Schlag ins Gesicht versetzt zu haben" eine Übertretung des § 1 erster Fall Stmk. LGBl. Nr. 158/75 dar, ist dies doch ein Verhalten, das den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit entgegensteht und einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt. Da auch die Tatbildumschreibung den Anforderungen des § 44a VStG genügte, hat der Berufungswerber diese ihm unter Punkt 2a.) des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten. Zur Strafbemessung ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Der Schutzzweck der vom Berufungswerber übertretenen Bestimmung des § 1 erster Fall Stmk. LGBl. Nr. 158/75 liegt darin, zu garantieren, dass bestimmte ungeschriebene Regeln im Leben miteinander bezüglich des öffentlichen Anstandes eingehalten werden.

Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Erschwerungs- und Milderungsgründe lagen keine vor. Die ausgemessene Geldstrafe entspricht auch ungünstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen und war auch in dieser Hinsicht schuld- und tatangepasst. § 65 VStG ist darauf abgestellt, dass in einem Berufungsbescheid jeweils nur über eine einzige Verwaltungsübertretung und damit über "die Strafe" abgesprochen wird. Der Umstand, dass in einem Bescheid über mehrere Verwaltungsübertretungen entschieden wird, bedeutet daher nicht, dass ein teilweiser Erfolg eines Rechtsmittels im Fall einer von mehreren Übertretungen zu einer Anwendung des § 65 VStG auch in jenen Fällen führen muss, in welchen der Berufung hinsichtlich einer weiteren Verwaltungsübertretung keine Folge gegeben wird (VwGH 22.1.1982, 81/02/0315). Hierauf gründet sich die im Spruch vorgenommene Kostenentscheidung.

Schlagworte
Anstandsverletzung Unanständigkeit Konkretisierung Worte
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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