TE UVS Tirol 2002/03/05 2001/12/056-10

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Veröffentlicht am 05.03.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Stellvertretenden Vorsitzenden Dr. S. D. über die Beschwerde des Herrn V. M., Trebiulice/Tschechien, vertreten durch Dr. W. L., Dr. W. L., Rechtsanwälte in L., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vom 23.4.2001 nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen wie folgt:

 

I.

Gemäß § 67c Abs 4 AVG iVm Art 129 Abs 1 Z 2 BVG wird dem Antrag des Beschwerdeführers, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge feststellen, dass die von der Bezirkshauptmannschaft Reutte angeordnete Festnahme über den Beschwerdeführer in der Zeit vom 5.4.2001, 22.30 Uhr, bis zum 6.4.2001, 09.30 Uhr, den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt hat und aussprechen, dass die Verhaftung für rechtswidrig zu erklären ist, stattgegeben. Es wird sohin festgestellt, dass der Beschwerdeführer durch die am 5.4.2001 von der Bezirkshauptmannschaft Reutte angeordnete Festnahme in der Zeit vom 5.4.2001, 22.30 Uhr, bis zum 6.4.2001, 09.30 Uhr, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden ist und daher die Verhaftung für rechtswidrig zu erklären war.

 

II.

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl II Nr 499/2001, wird dem Antrag des Beschwerdeführers, ihm Kostenersatz zu leisten, in folgendem Umfang stattgegeben:

 

Schriftsatzaufwand 610,00 Euro

Verhandlungsaufwand 755,00 Euro

Stempelgebühren 13,08 Euro

gesamt 1.378,08 Euro

 

Das Mehrbegehren wird als unbegründet abgewiesen.

 

Die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Reutte) hat den ihr auferlegten Geldbetrag in Höhe von 1.378,08 Euro innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters zu entrichten.

 

III.

Der Antrag der Bezirkshauptmannschaft Reutte, ihr den Aufwandersatz zu ersetzen, wird als unbegründet abgewiesen.

Text

Am 23.4.2001 brachte der Berufungswerber eine Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein und führte darin folgendes aus:

 

?1. Sachverhalt:

Die Festnahme wurde von der Bezirkshauptmannschaft Reutte angeordnet, weshalb die Bezirkshauptmannschaft Reutte als belangte Behörde anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer wurde am 05.04.2001 gegen 14:20 Uhr als LKW-Fahrer des Sattelzugfahrzeuges der Marke Scania mit dem amtlichen Kennzeichen XY (Belgien) anläßlich einer Verkehrsüberwachung bei Kilometer 46,6 am Kontrollplatz Musau im Gemeindegebiet von Musau auf der Fernpaßbundesstraße B179 angehalten. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, dass er gegen die Verordnung LGBL 72/89 (Fernpaßfahrverbot) verstoßen habe. Weiters wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass zwei Reifen nicht mehr die Mindestprofiltiefe aufgewiesen hätten. Die Weiterfahrt bis Roppen zum Reifenwechsel wurde jedoch von den Beamten gestattet. Weiters wurde vom Beschwerdeführer eine Sicherheitsleistung von ATS 5.500,00 verlangt. Der Beschwerdeführer hatte einen so hohen Geldbetrag nicht bei sich und wurde ihm von den Beamten eingeräumt, dass er Geld besorgen könnte. Der Beschwerdeführer hat sich sodann vom Anhalteort in Musau erlaubterweise entfernt und kam gegen 22:00 Uhr zum Gendarmerieposten Reutte. Der Beschwerdeführer konnte lediglich eine Sicherheitsleistung von ATS 2.000,00 aufbringen. Dennoch wurde die Festnahme nach § 35 VStG seitens der Behörde veranlaßt. Gegen den Beschuldigten behängt ein Strafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte zu AZ III-ST-44181/01. Obwohl der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügt, hat die Bezirkshauptmannschaft Reutte am 06.04.2001 ein Straferkenntnis erlassen und über den Beschuldigten wegen des Vergehens nach § 1 der Verordnung LGBL 72/89 eine Geldstrafe von ATS 2.500,00 sowie wegen § 102 Abs 1 in Verbindung mit § 7 Abs 12 KFG und § 4 Abs 4 KDF eine Geldstrafe von ATS 1.000,00, sohin insgesamt ATS 3.500,00 verhängt.

 

Die belangte Behörde begründete die Festnahme gemäß § 35 Z 2 VStG.

 

II. Beschwerdepunkte:

Die Festnahme war rechtswidrig und hat die beschwerdeführende Partei insbesondere im Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Die Festnahme und Anhaltung erfolgte ohne Rechtsgrundlage. Die Verhaftung und Anhaltung verletzt insbesondere Artikel 8 StGG und Artikel 5 MRK.

 

III. Begründung:

Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

 

Gemäß § 35 VStG muss zur Festnahme ein Festnahmegrund vorliegen, im gegebenen Fall der begründete Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer der Strafverfügung zu entziehen versucht (Fluchtgefahr).

 

Begründet wurde die Verhaftung damit, dass sich der Beschwerdeführer der Strafverfolgung zu entziehen versuche. Dieser Umstand ist unrichtig.

 

Aus dem Umstand, dass mit Tschechien kein Verwaltungsübereinkommen besteht, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein begründeter Verdacht für eine Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers vorliegt (subjektive Fluchtgefahr). Wie sich aus dem Akt ergibt, ist der Beschuldigte am 05.04.2001 gegen 22:00 Uhr wiederum beim Gendarmerieposten Reutte eingetroffen und hat eine Sicherheitsleistung im Betrag von ATS 1.000,00 angeboten, zumal er einen weiteren Betrag nicht aufbringen konnte. Hätte sich der Beschuldigte der Strafverfolgung entziehen wollen, so wäre er nicht mehr zum Gendarmerieposten Reutte gekommen. Die Ansicht der belangten Behörde, wonach Fluchtgefahr bestehen würde, ist daher nicht nachvollziehbar.

 

Dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz nicht in Österreich hat, spielt für den gegenständlichen Fall keine Rolle. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass diesbezüglich kein hinreichender Grund für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzung nach § 35 lit b VStG, nunmehr Zahl 2, vorliegt (Slg Nr 8961).

 

Die Festnahme des Beschwerdeführers findet daher keine Deckung und war rechtswidrig.

 

Die Freilassung erfolgte am 06.04.2001 um 09:30 Uhr.

 

Auch die geforderte Sicherheitsleistung von ATS 5.000,00 war unangemessen, zumal die BH Reutte im Straferkenntnis lediglich ATS 3.500,00 an Strafe ausgesprochen hat.

 

Darüber hinaus hat der beigezogene Herr S. U. gegenüber den Beamten geäußert, dass er am nächsten Tage ATS 5.500,00 für den Beschwerdeführer bezahlen werde, sowie, dass er als Zustellbevollmächtigter bereit steht.

 

Beweis: GZP 729/01 Gendarmerieposten Reutte Akt 111-ST-44181

 

IV. Anträge:

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge feststellen, dass die von der Bezirkshauptmannschaft Reutte angeordnete Festnahme über den Beschwerdeführer in der Zeit vom 05.04.2001, 22:30 Uhr, bis zum 06.04.2001, 09:30 Uhr, den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht auf persönliche Freiheit verletzt hat und aussprechen, dass die Verhaftung für rechtswidrig zu erklären ist, sowie die belangte Behörde in den Kostenersatz verfällen. Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen.

 

Für V. M.

 

An Kosten werden verzeichnet:

Schriftsatzaufwand für Beschwerde ATS 8.400,00

zuzüglich 20 Prozenz USt ATS 1.680,00, gesamt ATS 10.080,00

 

Am 5.7.2001 brachte die Bezirkshauptmannschaft Reutte folgende Gegenschrift ein:

A) Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer lenkte am 5.4.2001 gegen 14.20 Uhr das Sattelkraftfahrzeug, Zugfahrzeug Kennzeichen XY (B), mit dem Sattelanhänger Kennzeichen XY (B), mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 30.000 kg auf der Fernpass Straße B 179 im Gemeindegebiet Musau von Deutschland kommend in Fahrtrichtung Fernpass - Innsbruck.

Am Kontrollplatz in Musau bei km 46,6 wurde er im Zuge einer Verkehrsüberwachung von Bezirksinspektor B. und Bezirksinspektor B. des Gendarmeriepostens Reutte angehalten.

Bei der Kontrolle wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges folgende Verwaltungsübertretungen begangen hat:

1. Das Sattelkraftfahrzeug wurde gelenkt, obwohl das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist und diese Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 2 der Verordnung der Landesregierung, LGBI Nr 72/ 1989 fiel.

2. Das Fahrzeug wurde in Betrieb genommen, obwohl sich der Lenker vorher nicht überzeugt hat, dass der gezogene Anhänger den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, da bei der ersten Achse rechts und bei der dritten Achse rechts die Reifen die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe im mittleren Bereich der Lauffläche von 2 mm nicht mehr aufwiesen. Die Mängel an den betreffenden Reifen wurden auch vom Sachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung festgestellt.

Weiters wurde anlässlich der Lenkerkontrolle festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer, der im Besitz des tschechischen Reisepasses Nr 6274078 ist, zu Erwerbszwecken in Österreich aufhielt, ohne einen gültigen Aufenthaltstitel (Schengen-Visum) vorweisen zu können. Die Weiterfahrt bis Roppen zum Reifenwechsel wurde mit einer ausgetauschten, mit Standort Roppen zugelassener Zugmaschine gestattet, da auf Grund der trockenen Fahrbahn keine Gefahr in Verzug bezüglich der Verkehrssicherheit gegeben erschien. Da der Beschwerdeführer somit bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach der StVO 1960 und dem KFG 1967 auf frischer Tat betreten wurde und der Beschwerdeführer angab, dass er seinen Wohnsitz in Tschechien habe und erst seit 10 Tagen bei der Fa XY/Belgien als Kraftfahrer beschäftigt sei, wurde er von Bezirksinspektor B. des GP Reutte gemäß § 37 a Abs 2 VStG 1991 zum Erlag einer vorläufigen Sicherheitsleistung in Höhe von ATS 5.500,00 aufgefordert.

Bezirksinspektor B. wurde von der Bezirkshauptmannschaft Reutte mit Ermächtigungsurkunde vom 5.9.2000, ZI 37027, gemäß § 37 a VStG in Verbindung mit den §§ 100 Abs 3 StVO 1960, 134 Abs 4 KFG 1967 sowie weiteren, hier nicht in Betracht kommenden Sondervorschriften - ermächtigt, wegen der im Anhang II der Urkunde angeführtenVerwaltungsübertretungen

a) von der in § 35 Z 1 und 2 vorgesehenen Festnehmung von Personen abzusehen, wenn der Betretene eine festgesetzte vorläufige Sicherheit, die den im Anhang II jeweils festgelegten Betrag nicht übersteigen darf, freiwillig erlegt sowie

b) von Personen, die auf frischer Tat betreten werden und bei denen eine Strafverfolgung offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, eine festgesetzte vorläufige Sicherheit, die den im Anhang II jeweils festgelegten Betrag nicht übersteigen darf, einzuheben.

Auf Grund dieser Ermächtigung war Bezirksinspektor B. berechtigt, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung eine vorläufige Sicherheitsleistung bis zu ATS 18.000.00 und nach dem Kraftfahrgesetz wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges mit mangelhafter Bereifung je beanstandeten Reifen eine vorläufige Sicherheit von ATS 1.500,00 einzuheben.

Da der Beschwerdeführer vorerst angab, dass er nur einen Bargeldbetrag von ATS 2.000,00 bei sich habe, jedoch den Restbetrag in Höhe von ATS 3.500,00 beschaffen wolle, und er überdies die von ihm gelenkte Sattelzugmaschine am Anhalteort in Musau abstellte, wurde ihm vom einschreitenden Gendarmeriebeamten die zur Beschaffung der vorläufigen Sicherheit nötigen Zeit eingeräumt.

 

Daraufhin telefonierte der Beschwerdeführer mit der Fa XY in R. und erklärte nach diesem Telefonat, dass die Fa XY/R. nicht bereit sei, ihm den fehlenden Geldbetrag für den Erlag der verlangten Sicherheitsleistung zur Verfügung zu stellen; der Chef der Fa XY/R. (U. S.) habe dem Beschwerdeführer vielmehr erklärt, er solle sich mit der Fa XY in R./Belgien in Verbindung setzen, die sollten ihm das nötige Geld vorstrecken.

Zudem gab der Beschwerdeführer gegenüber Insp. B. an , dass ein anderer Lkw-Lenker der Fa XY/R. vorbeikommen und zur Klärung des Sachverhaltes beitragen würde.

Nach ca einer Stunde kam ein Lenker der Fa XY/R. zum Kontrollplatz Musau und übernahm mit einer auf den Standort Roppen zugelassenen Zugmaschine den Sattelanhänger des vom Beschwerdeführer gelenkten Sattelkraftfahrzeuges.

Dieser Lenker, der das Sattelkraftfahrzeug übernahm, versicherte gegenüber dem Gendarmeriebeamten, dass von der Fa XY/R. jemand vorbeikommen würde und dem Beschwerdeführer das Geld für die Sicherheitsleistung vorstrecken werde.

Auf Grund dieser Zusicherung wurde von Bezirksinspektor B. von einer Beschlagnahme der dem Anschein nach dem Beschwerdeführer gehörenden Sachen als vorläufige Sicherheit im Sinne des § 37 a Abs 3 VStG Abstand genommen.

Im Sattelkraftfahrzeug, das von einem Beauftragten der Fa XY/R. übernommen worden war, befanden sich alle persönlichen Sachen und auch die Geldtasche des Beschwerdeführers mit einem Inhalt laut seinen Angaben von ATS 2.000,00.

Der Beschwerdeführer hatte nur mehr seine Leibwäsche aber weder Bargeld noch irgendwelche Wertsachen, die als Sicherheit beschlagnahmt hätten werden können.

Die amtshandelnden Beamten warteten noch bis gegen 16.30 Uhr auf das Eintreffen eines Vertreters der Fa XY/R. Da diese Person jedoch nicht erschien, überließ der Beschwerdeführer freiwillig den Gendarmeriebeamten die Fahrzeugpapiere des Sattelzugfahrzeuges und seinen Reisepass.

Nach Abschluss des Verkehrsüberwachungsdienstes am Kontrollplatz Musau fuhren die Gendarmeriebeamten zum Gendarmerieposten Reutte, während der Beschwerdeführer weiterhin am Kontrollplatz Musau auf das Eintreffen eines Vertreters der Fa XY/R. wartete. Gegen 22.00 Uhr erschien der Beschwerdeführer in Begleitung des Firmenchefs der Fa XY/R., Herrn U. S., und gab an, dass er kein Geld dabei habe.

Herr U. S. verlangte die sofortige Ausfolgung der Papiere, die von den Dienst habenden Beamten Bezirksinspektor L. und Bezirksinspektor B. an U. S. auch ausgefolgt wurden.

Von den Beamten wurde neuerlich eine Sicherheitsleistung in Höhe von ATS 5.500,00 verlangt.

Herr U. S. mischte sich nun in die Amtshandlung ein und erklärte, dass der Beschwerdeführer V. M. kein Geld habe.

Nachdem die Beamten auf der Einhebung der Sicherheitsleistung von ATS 5.500,00 bestanden, entnahm U. S. aus seiner Geldtasche eine ATS 1.000,00 Note, legte diese auf das Abfertigungspult und erklärte, mehr zahle er nicht.

Daraufhin wurde von den Gendarmeriebeamten der Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft Reutte, Herr Amtsdirektor T. W., vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

 

Herr Amtsdirektor W. ordnete die Festnahme und Vorführung vor die Behörde an, falls die Sicherheitssumme nicht bezahlt werde. Diese zu treffende Maßnahme wurde wiederum Herrn U. S. mitgeteilt. Nach einiger Zeit legte U. S. eine weitere ATS 1000,00 Note auf das Abfertigungspult mit dem Bemerken, mehr zahle er nicht, die Gendarmerie soll froh sein, dass er ATS 2.000,00 bezahlt und wenn man das Geld nicht annehme, würde man gar nichts bekommen. Über diesen Sachverhalt wurde erneut der Journaldienstbeamte der BH Reutte, Amtsdirektor W. verständigt. Dieser ordnete daraufhin an, dass eine Sicherheitssumme von ATS 4.000,00 einzuheben ist, ansonsten sei der Beschwerdeführer zum Zweck der Vorführung am 6.4.2001 vor die Behörde festzunehmen, da begründeter Verdacht bestehe, dass sich der Beschwerdeführer der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde.

Da der Beschwerdeführer bzw U. S. nicht bereit waren, diesen Betrag zu hinterlegen, wurde der Beschwerdeführer V. M. um 22.30 Uhr von BI B. zum Zwecke der Vorführung vor die Bezirkshauptmannschaft Reutte festgenommen und am 6.4.2001 gegen 08.30 Uhr vorgeführt. Nach Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens mit dem Beschwerdeführer wurde die Festnahme um 09.30 Uhr aufgehoben.

 

B) Zur Rechtslage:

Die belangte Behörde pflichtet dem Beschwerdeführer bei, dass die erfolgte Festnahme zum Zweck der Vorführung vor die Behörde einen Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, der von den Beamten des Gendarmeriepostens Reutte durchgeführt wurde und der Bezirkshauptmannschaft Reutte als belangte Behörde zuzurechnen ist.

Diese Maßnahmenbeschwerde ist jedoch aus folgenden Gründen unbegründet:

Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1. der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist oder seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist oder

2. begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde,

oder

3. der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Fest steht, dass der Beschwerdeführer aus der Sicht der einschreitenden Gendarmeriebeamten als Lenker des oben angeführten Sattelkraftfahrzeuges bei der Begehung von Übertretungen der StVO und des KFG auf frischer Tat betreten wurde.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Tschechien. Mit Tschechien besteht kein Verwaltungsübereinkommen. Damit wäre eine Strafverfolgung offenbar unmöglich.

Deshalb wurde der Beschwerdeführer von einem im Sinne des § 37 a Abs 2 Z 1 und 2 ermächtigten Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostens Reutte aufgefordert, eine vorläufige Sicherheit in Höhe von ATS 5.500,00 zu erlegen.

 

Da der Beschwerdeführer diesen Betrag angeblich nicht bei sich hatte und angab, dass er diesen Betrag auftreiben werde, wurde ihm von den Gendarmeriebeamten die Möglichkeit eingeräumt, sich das Geld zum Erlag der Sicherheitsleistung zu beschaffen.

Für die Annahme, dass dem Beschwerdeführer von der Fa XY/R. das zum Erlag der Sicherheitsleistung nötige Geld vorgestreckt wird, sprach insbesondere auch der Umstand, dass der von der Fa XY entsandte Lenker, der den Sattelanhänger des vom Beschwerdeführer gelenkten Sattelkraftfahrzeuges übernahm, gegenüber den Gendarmeriebeamten versicherte, dass die von der Gendarmerie abverlangte Sicherheitsleistung beigebracht würde.

Gegen 22.00 Uhr erschien der Beschwerdeführer in Begleitung des Firmenchefs der XY/R., Herrn U. S., beim Gendarmerieposten Reutte und gab an, dass er kein Geld für den Erlag der Sicherheitsleistung auftreiben konnte.

Gesprächsweise wurde von seinem Begleiter U. S. eine Sicherheitsleistung in Höhe von ATS 2.000,00 angeboten, eine Mehrleistung wurde strikt abgelehnt.

Von den Gendarmeriebeamten wurde daraufhin der Journaldienstverrichtende der Bezirkshauptmannschaft Reutte, Herr Amtsdirektor W., telefonisch kontaktiert, der nach Schilderung des Sachverhaltes die Weisung erteilte, im Sinne des § 37 a Abs 2 Z 1 VStG von einer Festnahme im Sinne des § 35 Z 2 VStG abzusehen, wenn der Betretene eine vorläufige Sicherheit in Höhe von ATS 4.000,00 freiwillig erlegt.

Da der Beschwerdeführer zum Erlag dieser Sicherheitsleistung nicht bereit bzw in der Lage war und er überdies - nachdem die von ihm gelenkte Zugmaschine mit belgischem Kennzeichen mittlerweile ebenfalls von einem Lenker der Fa XY/R. am Kontrollplatz Musau übernommen wurde - nicht mehr im Besitz von verwertbaren Sachen im Sinne des § 37 a Abs 3 VStG war, wurde er gemäß § 35 Z 2 VStG zum Zwecke der Vorführung bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte am folgenden Tag, dem 6.4.2001 festgenommen und am nächsten Tag der Behörde vorgeführt.

Der begründete Verdacht, der Betretene werde sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen, war im gegebenen Zusammenhang insofern gegeben, als der Betretene einerseits bei der Verkehrskontrolle in Aussicht stellte, den von ihm abverlangten Sicherstellungsbetrag in Höhe von ATS 5.500,00 zu beschaffen, es sich aber dann offenbar nach Rücksprache mit dem Chef der Fa XY/R., Herrn U. S., anders überlegt hat und versucht hat, der Gendarmerie lediglich einen Sicherstellungsbetrag in Höhe von ATS 1.000,00 anzubieten.

Für die Annahme, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt war, die von ihm abverlangte Sicherheitsleistung zu erlegen, spricht auch der Umstand, dass bei demvom Beschwerdeführer am Kontrollplatz Musau mit dem Firmenchef der Fa XY/R., Herrn U. S., geführten Telefongespräch Letzterer erklärt haben soll, der Beschwerdeführer solle sich bezüglich der Aufbringung der Sicherheitsleistung mit der Fa XY in R./Belgien in Verbindung setzen und die sollten ihm das Geld vorstrecken, obwohl Herr U. S. gleichzeitig auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa XY in R./Belgien war bzw ist. Obwohl Herrn U. S. das Fahrverbot auf der B 179 Fernpass Straße bestens bekannt ist, hatte er den erst seit 10 Tagen bei der Fa XY/Belgien beschäftigten Beschwerdeführer dazu bestimmt und veranlasst, mit dem Lkw mit belgischem Kennzeichen zur Durchführung eines Warentransportes von Menden/BRD nach Alante in Italien die Fernpassroute zu wählen, obwohl dieser Transport unzweifelhaft unter das Fahrverbot fällt und kein Ausnahmetatbestand gegeben war.

 

Angesichts dieser Tatsache wäre zu erwarten gewesen, dass Herr U. S. als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa XY/Belgien dem möglicherweise tatsächlich mittellosen Beschwedeführer den für den Erlag der Sicherheitsleistung erforderlichen Geldbetrag als dessen Dienstgeber und Anstifter zur Begehung von Verwaltungsübertretungen vorstreckt.

Angesichts der vom Beschwerdeführer gesetzten Verwaltungsübertretungen erschien jedenfalls der von U. S. angebotene Sicherheitsleistungsbetrag wesentlich zu gering, stellen die von ihm begangenen Verstöße gegen die StVO und des KFG doch schwer wiegende Verwaltungsübertretungen dar.

Das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Sammlung Nr 8961, ist auf den vorliegenden Fall nicht heranziehbar und bezieht sich auf einen völlig anders gelagerten Sachverhalt, bei dem ein alkoholisierter Fahrzeuglenker zum Zwecke der Durchführung eines Alkotestes festgenommen wurde. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen tschechischen Staatsbürger, der seinen Wohnsitz in Tschechien hat. Mit Tschechien besteht jedoch kein Verwaltungsübereinkommen, sodass eine Zustellung von Schriftstücken im Verwaltungsstrafverfahren wegen Eingriffes in die Souveränität eines fremden Staates gar nicht möglich wäre, ganz abgesehen davon, dass selbst eine rechtskräftig verhängte Geldstrafe in Tschechien niemals vollzogen werden könnte. Der Betretene war auch nicht im Besitz von Gegenständen, die als vorläufige Sicherheit hätten beschlagnahmt werden können, nachdem die Zugmaschine, in der sich die persönlichen Gegenstände des Betretenen befanden, nach dessen Anhaltung am Kontrollplatz Musau von einem Fahrer der Fa XY/R. übernommen und nach Roppen überstellt wurde.

Damit wurde durch die Fa XY/R. eine allfällige Beschlagnahme von dem Anschein nach dem Betretenen gehörenden verwertbaren Sachen im Sinne des § 37 a Abs 3 VStG geradezu vereitelt.

Wäre nämlich vom Fahrer der Fa XY/R. bei der Abholung des Fahrzeuges dem Gendarmeriebeamten Bezirksinspektor B. nicht versichert worden, dass ein Vertreter der Fa XY/R. dem Beschwerdeführer die zum Erlag der Sicherheitsleistung erforderliche Summe vorgestreckt wird, hätte der Gendarmeriebeamte im Sinne des § 37 a Abs 3 VStG Sachen, die sich in der vom Beschwerdeführer gelenkten Zugmaschine befanden und dem Anschein nach ihm gehörten, beschlagnahmt.

Dadurch, dass dem einschreitenden Gendarmeriebeamten die Beibringung der erforderlichen Sicherheitssumme zunächst zugesichert und von diesem daher von einer Beschlagnahme im Sinne des § 37 a Abs 3 VStG Abstand genommen wurde, später jedoch das Versprechen auf den Erlag der geforderten Sicherheitssumme nicht eingehalten wurde, wurde der einschreitenden Gendarmeriebeamte offensichtlich getäuscht. Insofern konnten daher die Gendarmeriebeamten mit Recht davon ausgehen, dass sich der Betretene der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die geforderte vorläufige Sicherheitsleistung nicht - wie in der Beschwerde angeführt - ATS 5.000,00, sondern nur ATS 4.000,00 betragen hat. Widersprochen wird auch der Angabe in der Maßnahmenbeschwerde, wonach sich Herr U. S. gegenüber den Beamten geäußert habe, dass er am nächstenTag ATS 5.500,00 für der Beschwerdeführer bezahlen werde, sowie weiters, dass er als Zustellungsbevollmächtigter bereit stehe. Herr U. S. hat vielmehr ausdrücklich erklärt, dass er nur bereit sei, einen Betrag von ATS 1.000,00 als Sicherheitsleistung zu erlegen, wobei er dieses Angebot nach Rücksprache der Gendarmerie mit dem Journaldienstbeamten Herrn Amtsdirektor W. auf ATS 2.000,00 erhöht hat.

Unrichtig ist auch, dass Herr U. S. gegenüber den Beamten geäußert hat, dass er als Zustellungsbevollmächtigter bereit steht. Selbst wenn er eine solche Aussage getätigt haben sollte, wären daran keine rechtlichen Folgen zu knüpfen, da zum einen die Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten vom Beschuldigten auszugehen hätte und zum anderen selbst bei Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten - da diese jederzeit zurückgezogen werden könnte - für die Behörde keine Gewähr dafür gegeben gewesen wäre, das Verwaltungsstrafverfahren mit dem Beschuldigten durchführen zu können.

Die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer anlässlich seiner Anhaltung am Kontrollplatz in Musau gegenüber den Gendarmeriebeamten bereit erklärt hat, den für den Erlag der Sicherheit geforderten Geldbetrag in Höhe von ATS 5.500,00 aufzutreiben, und der Umstand, dass er um 22.00 Uhr in Begleitung des Firmenchefs der Fa XY/R. (gleichzeitig auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa XY/Belgien) am Posten Reutte erschienen ist und nunmehr erklärt hat, die Sicherheitsleistung nicht auftreiben zu können, lässt erkennen, dass der Beschuldigte offensichtlich in Kenntnis der Tatsache, dass mangels eines Verwaltungsübereinkommens mit Tschechien die wegen der begangenen Verwaltungsübertretungen verhängten Geldstrafen nicht vollzogen werden können, plötzlich nicht mehr gewillt war, den von ihm geforderten Sicherstellungsbetrag zu leisten.

Berücksichtigt man, dass der Beschwerdeführer einen Transport von Menden, BRD, bis Alante in Italien durchführen sollte, so erscheint es äußerst unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer auf dieser langen Fahrtstrecke über keinerlei Bargeldmittel verfügte und nicht in der Lage gewesen sein sollte, die verlangte Sicherheitsleistung zu erlegen.

In Reutte und den umliegenden Gemeinden befinden sich zahlreiche Bankomaten und Geldinstitute, sodass es dem Beschwerdeführer bei entsprechender Bereitschaft zum Erlag der vorläufigen Sicherheit ohne weiteres möglich gewesen wäre, sich den abverlangten Betrag zu beschaffen.

Diese Bereitschaft zur Beschaffung der anlässlich der Anhaltung am Kontrollplatz in Musau abverlangten Sicherheitsleistung war ursprünglich auch vorhanden, wollte der Beschwerdeführer doch - wie er sich gegenüber den Gendarmeriebeamten ausdrückte ? ?das Geld beschaffen?.

 

Bei den einschreitenden Gendarmeriebeamten musste daher der Eindruck entstehen, der Beschwerdeführer sei zahlungswillig und zahlungsfähig.

Der plötzliche Sinneswandel beim Erscheinen des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten Reutte gegen 2.00 Uhr lässt in Verbindung mit dem Verhalten des Firmenchefs der XY/Roppen und der XY/Belgien, Herrn U. S., der zunächst eine Sicherheitsleistung von ATS 1.000,00 und nach einigem Feilschen eine Sicherheitsleistung von ATS 2.000,00 anbot, den begründeten Verdacht aufkommen, dass der - von Herrn U. S. mittlerweile über die Rechtslage in Österreich offensichtlich aufgeklärte Beschwerdeführer - zwar in der Lage, aber nicht mehr willens war, den verlangten Sicherstellungsbetrag in Höhe von ATS 4.000,00 zu erlegen und dies im Bewusstsein, dass mangels eines Verwaltungsübereinkommens mit Tschechien eine Strafverfolgung unmöglich sein werde.

 

Aus diesem Verhalten durften die einschreitenden Gendarmeriebeamten bzw der Journaldienstverrichtende der Bezirkshauptmannschaft Reutte mit Recht annehmen, der Betretene werde sich der Strafverfolgung durch Flucht zu entziehen suchen.

Richtig ist, dass der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes allein noch nicht den Verdacht rechtfertigte, dass sich der Betretene der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde. In diesen vom Verfassungsgerichtshof ausjudizierten Fällen lag jedoch jeweils ein Sachverhalt zugrunde, der mit dem gegenständlichen nicht verglichen werden kann, da - wie oben ausgeführt - im vorliegenden Fall auf Grund der vom Betretenen ursprünglich bekundeten Bereitschaft zum Erlag der von ihm geforderten Sicherheitsleistung und dem späteren Sinneswandel klar abgeleitet werden kann, dass er den Erlag der Sicherheitsleistung im Bewusstsein, dass eine Strafverfolgung in Tschechien nicht möglich sein werde, und damit in der Absicht, die Strafverfolgung gegen ihn zu vereiteln, verweigert hat.

Für die Rechtmäßigkeit der Festnahme und Vorführung des Beschwerdeführers vor die Behörde sprechen aber auch folgende Überlegungen:

Gemäß § 37 Abs 1 VStG 1991 kann dem Beschuldigten, wenn begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung oder dem Vollzug der Strafe entziehen werde, von der Behörde durch Bescheid aufgetragen werden, einen angemessenen Betrag als Sicherheitsleistung zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen. Ebenso kann die Behörde vorgehen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe aus Gründen, die in der Person des Beschuldigten liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde.

Der zweite Satz dieser Bestimmung erweitert die Möglichkeit, die Sicherstellung aufzutragen, auf jene Fälle, in denen aus Gründen, die in der Person des Beschuldigten liegen - etwa dem Wohnsitz des Beschuldigten im Ausland - anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe unmöglich oder wesentlich erschwert ist. Es kann nun kein Zweifel daran bestehen, dass gegen den Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in Tschechien hat, mangels eines Verwaltungsübereinkommens zwischen Österreich und Tschechien, weder eine Strafverfolgung und schon gar nicht der Vollzug der Strafe möglich ist, da sich die Zustellung einer Strafverfügung oder eines Straferkenntnisses als Hoheitsakt darstellt und daher völkerrechtlich unzulässig ist.

 

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nach § 37 Abs 1 VStG 1991 ist jedoch erst ab dem Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung zulässig (arg: ?Beschuldigter in Abs 1? (vgl Verwaltungsgerichtshof 22.2.1989, 88/03/0150).

Das Gesetz sieht daher ausdrücklich die Möglichkeit vor, Personen, die im Inland keinen Wohnsitz haben und bei denen die Strafverfolgung oder der Vollzug der Strafe offenbar erschwert oder unmöglich ist, bescheidmäßig zum Erlag einer Sicherheitsleistung zu verpflichten.

Die Erlassung eines Sicherstellungsbescheides setzt jedoch eine Verfolgungshandlung voraus.

Dies inkludiert allerdings, dass - da nur die Behörde, nicht aber die Gendarmerie eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 VStG) setzen kann, - die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person, falls sie nicht freiwillig bei der Behörde erscheint, der Behörde (dem Behördenorgan) vorgeführt wird.

 

Dem Gesetzgeber kann nun nicht unterstellt werden, dass er eine Regelung treffen wollte, die nicht vollziehbar ist. Der Regelungszweck des § 37 Abs 1 2 Satz besteht nämlich darin, sicherzustellen, dass Personen, die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehen, und bei denen - beispielsweise wegen der Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges mangels eines inländischen Wohnsitzes - für ihr strafbarer Verhalten zur Verantwortung gezogen werden können.

Bestünde nämlich die Möglichkeit der Festnahme solcher Personen zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde nicht, wäre diese Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes unvollziehbar.

Offenbar geht der Gesetzgeber jedoch davon aus, dass für diesen Fall die Bestimmungen des § 35 Z 2 VStG (begründeter Verdacht, dass sich der Betretene der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde) eine ausreichende Handhabe für eine Festnahme und Vorführung bietet, vorausgesetzt, die Person wurde auf frischer Tat betreten. Dies trifft im gegenständlichen Fall zweifellos zu.

Die belangte Behörde vertritt daher den Standpunkt, dass die Festnahme des Beschwerdeführers zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde rechtmäßig und gesetzlich gedeckt war.

Der Umstand, dass nach Vorführung des Beschwerdeführers vor die Behörde von der Möglichkeit der bescheidmäßigen Vorschreibung einer Sicherheitsleistung Abstand genommen und stattdessen das Verwaltungsstrafverfahren mit dem Beschuldigten sofort durchgeführt wurde, ist dabei ohne Relevanz.

Ein allfälliger Verhandlungsaufwand wird bei der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat geltend gemacht.

Beweisantrag:

Es wird beantragt, den von der Fa XY/R. entsandten Lenker, der am Kontrollplatz Musau das Fahrzeug übernommen hat, als Zeugen darüber einzuvernehmen, ob er gegenüber dem Gendarmeriebeamten Bezirksinspektor B. erklärt hat, dass von der Fa XY/R. jemand vorbeikommen würde und dem Beschwerdeführer das Geld für die Sicherheitsleistung vorstrecken werde; weiters möge der Zeuge darüber einvernommen werden, ob er diese Zusicherung in Absprache mit seinem Firmenchef U. S. gemacht hat. Am 5.7.2001 brachte die Bezirkshauptmannschaft Reutte folgende Gegenschrift ein: Parallel zum Maßnahmenbeschwerdeverfahren wurde gegen den Berufungswerber ein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt. Die Bezirkshauptmannschaft Reutte hat mit Straferkenntnis vom 6.4.2001, ZI 3c-ST-44181/01, den Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe am 5.4.2001 um 14.20 Uhr in Musau auf der B 179 in Richtung Fernpass-Innsbruck das Sattelkraftfahrzeug, Kennzeichen XY (B), gelenkt,

Die belangte Behörde stellt sohin den Antrag

die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. An Kosten werden

verzeichnet:

Vorlageaufwand: S 565,00

Schriftsatzaufwand: S 2.800,00

zusammen: S 3.365,00

 

Am 5.7.2001 brachte die Bezirkshauptmannschaft Reutte folgende Gegenschrift ein:

Parallel zum Maßnahmenbeschwerdeverfahren wurde gegen den Berufungswerber ein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt. Die Bezirkshauptmannschaft Reutte hat mit Straferkenntnis vom 6.4.2001, Zl 3c-ST-44181/01, den Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe am 5.4.2001 um 14.20 Uhr in Musau auf der B 179 in Richtung Fernpass-Innsbruck das Sattelkraftfahrzeug, Kennzeichen XY (B), gelenkt,

1) obwohl das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist, und diese Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 2 der zitierten Verordnung falle.

2) in Betrieb genommen, ohne sich vorher, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre, überzeugt zu haben, dass der gezogene Anhänger den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, da bei der ersten Achse rechts und der dritten Achse rechts die Reifen die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe im mittleren Bereich der Lauffläche von 2 mm nicht mehr gegeben gewesen sei.

 

Mit Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20.9.2001, Zl uvs-2001/12/051-11, wurde eine gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen, wobei eine Spruchkorrektur erfolgte. Dieses Berufungserkenntnis ist sowohl an den Beschwerdeführer als auch an die belangte Behörde ergangen. Hinsichtlich des Parteienvorbringens wird daher auf die Begründung dieses Berufungserkenntnisses verwiesen. Im gegenständlichen Fall ist daher von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

 

Der Beschwerdeführer lenkte am 5.4.2001 gegen 14.20 Uhr das Sattelzugfahrzeug SCANIA, Kennzeichen XY (B) mit dem Sattelanhänger Schwarzmüller, Kennzeichen XY (B) auf der Fernpassstraße B 179 im Gemeindegebiet von Musau von Deutschland kommend in Fahrtrichtung Fernpass-Innsbruck. Dabei beging er die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 6.4.2001, Zl 3c-St-44181/01, angeführten Verwaltungsübertretungen. Diese Verwaltungsübertretungen wurden von Bez.Insp. B. und Bez.Insp. B. vom Gendarmerieposten Reutte anlässlich des Verkehrsüberwachungsdienstes festgestellt. Die Anhaltung erfolgte an der Fernpassstraße B 179 bei km 46,6 am Kontrollplatz Musau im Gemeindegebiet von Musau.

 

Gemäß § 37a Abs 2 Z 2 VStG wurde wegen Erschwerung der Strafverfolgung eine Sicherheitsleistung in der Höhe von ATS 5.500,00 vom Angezeigten zur Einhebung verlangt. Da der Beschwerdeführer vorerst angab, dass er Geld holen wolle und er die von ihm gefahrene Sattelzugmaschine am Anhalteort in Musau abstellte, räumten die diensthabenden Beamten die nötige Zeit hiefür ein. Der Beschwerdeführer kam jedoch nicht wie vereinbart zum Anhalteort, sondern er kam am 5.4.2001 gegen 22.00 Uhr zum Gendarmerieposten Reutte, wo er angab, dass er kein Geld dabei habe. Weiters erschien mit ihm der Firmenchef der Firma XY R., der Zeuge U. S., welcher für den Fahrer eine Sicherheitsleistung von höchstens 2.000,00 S erlegen wollte. Laut telefonischer Anordnung des bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte, dem den Journaldienst versehenden Beamten Amtsdirektor T. W., wurde der Beschwerdeführer am 5.4.2001 um 22.30 Uhr von Bez.Insp. B. (Gendarmerieposten Reutte) zur Vorführung an die Behörde vorläufig festgenommen. Er wurde bis zum 6.4.2001, 09.30 Uhr, festgehalten.

 

Dieser Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

Wie sich aus der Gegenschrift der belangten Behörde ergibt, stützt diese die vorläufige Festnahme auf § 35 VStG.

 

Gemäß § 35 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, außer in den gesetzlich besonders geregelten Fällen, Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn

1) der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist, oder

2) begründeter Verdacht besteht, dass er sich der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde, oder

3) der Betretene trotz Abmahnung der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

 

Gemäß § 35 Einleitungssatz VStG ist also Voraussetzung für die Festnahme, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betreffende Person auf frischer Tat betreten. Im gegenständlichen Fall haben die beiden diensthabenden Beamten Bez.Insp. B. und Bez.Insp. B. den Beschwerdeführer um 14.20 Uhr bei der Begehung zweier Verwaltungsübertretungen auf frischer Tat betreten. Die vorläufige Festnahme erfolgte am 5.4.2001 um 22.30 Uhr durch Bez.Insp. B. Es war daher zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer auf frischer Tat betreten worden ist. Eine Person wird auf frischer Tat betreten, wenn das Sicherheitsorgan die Begehung der Tat unmittelbar wahrnimmt, ohne dass zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und Schlüsse gezogen werden müssen (Hinweis auf VfGH 15.6.1974, Slg 7309). Auf frischer Tat wird jemand also dann betreten, wenn das Sicherheitsorgan die Begehung der Tat unmittelbar wahrnimmt, ohne dass zur Feststellung der Tat Erhebungen notwendig sind und aus der erhobenen Tatsache Schlüsse gezogen werden müssen (VfGH 15.6.1974, Slg 7987; 10.6.1977, Slg 8045). Daher kann also im gegenständlichen Fall nicht davon gesprochen werden, dass der Berufungswerber auf frischer Tat betreten worden ist, denn die vorläufige Festnahme wurde von Bez.Insp. B. ausgesprochen, der die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht unmittelbar wahrgenommen hat, sondern die vorläufige Festnahme erst mehr als 8 Stunden nach der Begehung der beiden Verwaltungsübertretungen vorgenommen hat. Diese Tatsache wird auch in der Gegenschrift der belangten Behörde expressis verbis angeführt.

 

Aber selbst dann, wenn man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer auf frischer Tat betreten worden ist, sind die Voraussetzungen zur Festnahme nicht gegeben. Der Fall des § 35 Z 1 VStG ist deshalb nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer sich ausgewiesen hat und seine Identität sofort feststellbar gewesen ist. Der Fall des § 35 Z 2 VStG liegt nicht vor, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass begründeter Verdacht bestehe, dass sich der Beschwerdeführer der Strafverfolgung zu entziehen suchen werde. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die diensthabenden Beamten ihm die nötige Zeit einräumten, um Geld zu holen und der Beschwerdeführer die von ihm gefahrene Sattelzugmaschine am Anhalteort in Musau abstellte. Dass er nicht versuchte, sich der Strafverfolgung zu entziehen, ergibt sich auch daraus, dass er freiwillig gegen 22.00 Uhr zum Gendarmerieposten Reutte zurückkam. Der Fall des § 35 Z 3 VStG ist deshalb nicht gegeben, weil sich dafür aus der Aktenlage keine wie immer gearteten Anhaltspunkte ergeben (vergleiche dazu VfGH 28.11.1980, B 91/79 ua).

 

Gemäß § 37a Abs 2 Z 1 VStG kann ein ermächtigtes Organ von der im § 35 Z 1 und 2 vorgesehenen Festnahme absehen, wenn der Betretene die vorläufige Sicherheit freiwillig erlegt. Die Voraussetzungen des § 35 Z 1 und 2 VStG waren aber - wie vorher ausgeführt - nicht vorgelegen, vor allem wurde der Beschwerdeführer nicht festgenommen, als er auf frischer Tat betreten worden ist (vgl dazu VwGH 19.5.1994, Zl 93/18/0624; ua).

 

Da sohin die Voraussetzungen für eine Festnahme nicht vorlagen, war diese als rechtswidrig zu erklären.

 

Die Kostenbestimmungen stützen sich auf § 79a AVG. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war deshalb abzuweisen, da es sich im gegenständlichen Fall um Pauschbeträge handelt, sodass die Mehrwertsteuer nicht eigens geltend gemacht werden kann. Auch kann für die Gegenäußerung kein eigener Aufwandersatz geleistet werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde, Festnahme, sich, ausgewiesen, hat, rechtswidrig
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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