TE UVS Steiermark 2002/03/05 30.15-25/2001

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Veröffentlicht am 05.03.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn H K, vertreten durch Dr. H R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 7.3.2001, GZ.: 15.1- 2000/837, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Punkte 1) und 2) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen beiden Punkten behoben und das Verfahren hinsichtlich des Punktes

1.) gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG, hinsichtlich des Punktes 2.) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Spruch II

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn H K, vertreten durch Dr. H R, gegen Spruch II des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 7.3.2001, GZ.:

15.1-2000/837, mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 6.3.2000 als verspätet zurückgewiesen wurde, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.

Text

Mit Straferkenntnis vom 7.3.2001, GZ.: 15.1-2000/837, (Spruch I) wurden dem Berufungswerber in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma K T GmbH mit dem Sitz in M als Arbeitgeber der Tischlerin Frau M U nachstehende, anlässlich der Kontrolle vom 10.2.2000 festgestellte Übertretungen des Mutterschutzgesetzes zur Last gelegt:

1. Die unterlassene Evaluierung des Arbeitsplatzes von Frau M U gemäß § 2a Abs 1 MutterschutzG (Geldstrafe: 290,69, S 4.000,--).

2a. Dass Frau M U mit Arbeiten beschäftigt war, bei denen die Gefahr einer Berufserkrankung im Sinne der einschlägigen Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, gegeben ist, da diese mit der Fertigung eines Schlafzimmerschrankes im Ausmaß von 2,3 x 3,18 m beschäftigt war, wobei sie mit einer Formatkreissäge Holzteile zuschneiden musste und laut Messbericht der A W vom 30.5.1995 für diesen Bereich eine tägliche Lärmexposition von LA, eq 8 h 85 dB überschritten wird, obwohl werdende Mütter keinesfalls mit schweren körperlichen Arbeiten oder mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, die nach der Art des Arbeitsvorganges oder der verwendeten Arbeitsstoffe oder -geräte für ihren Organismus oder für das werdende Kind schädlich sind. Wegen dieser Übertretung der Bestimmung des § 4 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 Z 3 MutterschutzG wurde über ihn eine Geldstrafe von ?

72,67 (S 1.000,--) verhängt. 2b. Dass Frau M U mit Arbeiten beschäftigt war, bei denen sie mit Rücksicht auf ihre Schwangerschaft besonderen Unfallgefahren ausgesetzt war, da diese mit der Fertigung eines Schlafzimmerschranks im Ausmaß von 2,3 x 3,18 m beschäftigt war, wobei sie für den Zusammenbau des Hochschrankes zwei vor dem Schrank stehende Stehleitern benutzen musste. Wegen dieser Übertretung des § 4 Abs 3 MutterschutzG wurde über ihn eine Geldstrafe von ? 72,67 (S 1.000,--) verhängt. Mit Spruch II des zitierten Bescheides wurde der Einspruch des Beschuldigten gegen Punkt 1) der Strafverfügung vom 6.3.2000, GZ.:

15.1-2000/837, als verspätet eingebracht zurückgewiesen. In seiner dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Beschuldigte zu Spruch I Punkt 1) ein, die nicht durchgeführte Evaluierung sei aus Anlass der Kontrolle vom 10.2.2000 gar nicht angezeigt worden. Vielmehr habe ihm das AI für die Durchführung der Evaluierung eine Frist bis 21.2.2000 gesetzt und habe er die Evaluierung fristgerecht durchgeführt. Erstmals mit Ladungsbescheid vom 9.8.2000 sei er mit diesem neuen Vorwurf im Verwaltungsstrafverfahren konfrontiert worden. Zu Punkt 2a) wurde eingewendet, es könne den Vorschriften des ASVG nicht entnommen werden, dass die Gefahr einer Berufskrankheit im Sinne einer Lärmschwerhörigkeit bestehe, wenn die tägliche Lärmexposition einen Beurteilungspegel von 85 dBA überschreitet. Gleiches gelte für den Einwand des AIes, dass das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung (Gehörschutz) eine Berufskrankheit nicht auszuschließen vermag. Zu Punkt 2b) wurde eingewendet, dass es sich beim Besteigen der unteren Sprossen einer Leiter nicht um eine besondere Unfallsgefahr im Sinne von § 4 MutterschutzG handle. Zu Spruch II wurde vorgebracht, der Einspruch vom 9.3.2000 habe sich gegen alle Punkte der Strafverfügung gerichtet. Er habe damals der Behörde gegenüber lediglich erklärt, dass er sich mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (? 72,67) in einem Punkt abfinden würde, wenn die anderen Punkte damit erledigt seien. Dies sei von der Behörde zu seinen Lasten als Einspruchsverzicht zu Punkt 1) der Strafverfügung gedeutet worden. Hinsichtlich der Punkte 2a) und 2b) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der allgemein gerichtlich beeidete Sachverständige für Allgemein- und Arbeitsmedizin Obersanitätsrat Dr. med. Thomas Chromecki mit der Erstattung eines Gutachtens dahingehend beauftragt, ob und welche Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes durch die von der schwangeren Tischlerin M U am 10.2.2000 durchgeführten Tätigkeiten verletzt wurden. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 16.8.2001 in welcher unter Beiziehung des Sachverständigen der Berufungswerber, sowie die Zeugen Arbeitsinspektorin S K und M U einvernommen wurden, wird unter Verwertung der in der Verhandlung vorgekommenen Urkunden, insbesondere des Sachverständigengutachtens nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen: Zu Spruch I:

Der Berufungswerber ist seit dem 27.7.1999 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. K T GmbH mit der Geschäftsanschrift M. Beim Unternehmen handelt es sich um eine Tischlerei in welcher 13 Mitarbeiter, darunter seit ca. 7 Jahren als einziger weiblicher Mitarbeiter in der Produktion die Tischlerin M Ubeschäftigt wird. Weitere weibliche Mitarbeiter sind im Büro beschäftigt. Der Berufungswerber hat bis zum 10.2.2000 keine Evaluierung des Arbeitsplatzes von Frau M U im Sinne von § 2a Abs 1 MutterschutzG durchgeführt. Frau U teilte dem Berufungswerber vor Weihnachten 1999 ihre Schwangerschaft schriftlich mit und erfolgte am 17.1.2000 eine Schwangerschaftsmeldung an das AI, welche Anlass der gegenständlichen Kontrolle vom 10.2.2000 war. Der Berufungswerber berief eine Betriebsversammlung ein und wies alle Mitarbeiter an, Frau U bei ihrer Arbeit zu helfen. Frau U wurde mitgeteilt, dass sie nichts Schweres heben darf und keine Lackierarbeiten durchführen dürfe. Einen Tag vor der verfahrensgegenständlichen Kontrolle suchte Frau U die Gynäkologin Frau Dr. med. B E auf, welche wegen "körperlicher Belastungen und bei Arbeit große Staubentwicklung (Tischlerei)" den vorzeitigen Mutterschutz beantragte. Frau U befand sich zu diesem Zeitpunkt in der 17. Schwangerschaftswoche. Am 10.2.2000 führte die Arbeitsinspektorin S K aus Anlass der Schwangerschaftsmeldung eine Betriebsüberprüfung in Begleitung des Betriebsrates Herrn K durch, wobei sie sich zunächst den Arbeitsplatz von Frau U zeigen ließ. Während die Arbeitsinspektorin wartete, erschien Frau U und trug dabei in jeder Hand eine Zwinge, welche bei nachträglichem Abwiegen ein Gewicht von je 7 kg hatte. Befragt nach ihrer konkreten Tätigkeit teilte Frau U der Arbeitsinspektorin mit, dass die den in Punkt 2) des Straferkenntnisses näher beschriebenen Schrank zusammenbauen müsse. Vor dem Schrank war eine Stehleiter aufgestellt, welche Frau U, um Arbeiten im oberen Bereich des Schrankes durchführen zu können, ein paar Stufen hinaufsteigen musste. Zu den von Frau U bei ihrer Tätigkeit verwendeten Maschinen gehört auch eine in einem Nebenraum aufgestellte Formatkreissäge, welche von ihr für diverse Zuschneidearbeiten in einem Ausmaß von max. 5 Stunden pro Woche verwendet wurde. Dabei hielt sich Frau U immer nur kurz an der Maschine auf und verwendete für die Zuschneidearbeiten immer einen Gehörschutz. Laut Messbericht der A W vom 30.5.1995 wurde an der gegenständlichen Maschine ein Lärmpegel von 89 dBA gemessen. Am 11.2.2000 ging Frau U in den vorzeitigen Mutterschutz, nachdem der Berufungswerber aus Anlass der gegenständlichen Kontrolle noch selbst für sie beim Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag Herrn Dr. W H einen Termin vereinbart hatte. Zu Spruch II: Per 6.3.2000 erließ die belangte Behörde eine Strafverfügung in welcher dem Berufungswerber aus Anlass der verfahrensgegenständlichen Anzeige insgesamt vier Übertretungen des Mutterschutzgesetzes zur Last gelegt wurden. Punkt 1) betraf eine Übertretung gemäß § 4 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 Z 1 MutterschutzG (Tragen von zwei Zwingen mit einem Gesamtgewicht von 14 kg). Am 9.3.2000 erschien der Beschuldigte persönlich auf der Bezirkshauptmannschaft und gab bei der Sachbearbeiterin Frau H W einen Einspruch gegen die Strafverfügung zu Protokoll. Anlässlich dieser Vorsprache erklärte der Berufungswerber, dass er sich bezüglich der Übertretung in Punkt 1) der Strafverfügung schuldig fühle und die dafür verhängte Strafe von S 1.000,-- (? 72,67) akzeptiere, wenn das Verfahren bezüglich der übrigen Punkte der Strafverfügung eingestellt wird. Von Frau W wurde dazu kein Kommentar abgegeben. Protokolliert wurde schlussendlich ein Einspruch, der sich ausdrücklich nur auf die Punkte 2) bis 4) der Strafverfügung bezieht, wobei zu diesen Punkten konkrete Einwendungen vorgebracht wurden. Erst mit Schreiben vom 5.4.2000, bei der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag eingelangt am 13.4.2000, wurde als Ergänzung zum Einspruch auch Punkt 1) der Strafverfügung bestritten und weiters zu den bereits vorliegenden Einspruchsangaben hinsichtlich der Punkte 2) bis 4) ergänzende Ausführungen erstattet. Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im Großen und Ganzen übereinstimmenden Angaben des Berufungswerbers und der einvernommenen Zeugen. Hinsichtlich der Benützungsdauer der Formatkreissäge war den Angaben des Berufungswerbers und der Zeugin U zu folgen, wonach diese Arbeiten nur wenige Stunden pro Woche, insgesamt jedenfalls nicht mehr 5 Stunden pro Woche in Anspruch nahmen. Rechtliche Beurteilung: Spruch I:

Zu Punkt 1):

Gemäß § 2a Abs 1 MutterschutzG hat der Dienstgeber bei der Beschäftigung von Dienstnehmerinnen über die nach dem Arbeitnehmerinnenschutzgesetz - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, vorgesehenen Pflichten hinaus für Arbeitsplätze, an denen Frauen beschäftigt werden, die Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit von werdenden und stillenden Müttern und ihre Auswirkungen auf die Schwangerschaft oder das Stillen zu ermitteln und zu beurteilen. Gemäß § 40 Abs 4 leg cit tritt die Bestimmung des § 2a leg cit für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig weniger als 250 Dienstwerber beschäftigt werden, mit 1.1.1997 in Kraft.

Gemäß § 40 Abs 4a Z 3 leg cit muss die Umsetzung der im § 2a festgelegten Pflichten des Dienstgebers bei Arbeitsstätten in denen regelmäßig 10 bis 50 Dienstnehmer beschäftigt werden, bis 1.7.1999 fertiggestellt sein (gemäß Ziffer 4 leg cit läuft die Fertigstellungsfrist für Arbeitsstätten, in denen regelmäßig bis zu 10 Dienstnehmer beschäftigt werden, bis 1.7.2000). Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren wurden im Betrieb des Berufungswerbers zum Kontrollzeitpunkt 13 Arbeitnehmer beschäftigt. Es kommt somit für die Fertigstellung der Evaluierung die Frist des § 40 Abs 4a Z 3 MutterschutzG zur Anwendung. Nach Auffassung der Berufungsbehörde kann der Berufungswerber jedoch für diesen in objektiver Hinsicht verwirklichten Sachverhalt aus nachstehenden, formalen Gründen nicht bestraft werden:

Die Bestimmung des § 40 Abs 4a MutterschutzG enthält nach der Anzahl der Dienstnehmer gestaffelte Fertigstellungsfristen für die Evaluierung. Nach Auffassung der Berufungsbehörde ist die Kenntnis der zum Kontrollzeitpunkt im Betrieb beschäftigten Dienstnehmer im gegebenen Zusammenhang ein wesentliches Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 44a VStG, da ohne Kenntnis der Beschäftigtenzahl nicht feststellbar ist, ob überhaupt ein Fristversäumnis vorliegt. Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Fall, da bei einer Beschäftigtenzahl von max. 10 Dienstnehmern gemäß Ziffer 4 leg cit zum Kontrollzeitpunkt noch gar keine Übertretung vorgelegen wäre. Aus dem erstinstanzlichen Akt ergibt sich, dass die Anzeige des AIes vom 23.2.2000 und auch mehrere nachfolgende Stellungnahmen keinerlei Hinweis auf die Beschäftigtenzahl enthalten, zumal die unterbliebene Evaluierung ursprünglich gar nicht Gegenstand der Anzeige war. In der parallel zur Anzeige verfassten Mängelrüge gemäß § 9 Abs 1 ArbIG vom 21.2.2000 wurde der Berufungswerber zwar unter Punkt 4.) unter Setzung einer Nachfrist von vier Wochen auf die unterbliebene Evaluierung nach § 2a und 2b MutterschutzG hingewiesen. Auch dieses Aufforderungsschreiben enthält jedoch keinen Hinweis auf die Beschäftigtenzahl. Gleiches gilt für die erste Verfolgungshandlung der belangten Behörde vom 9.8.2000 zu diesem Spruchpunkt sowie das angefochtene Straferkenntnis. Im Ergebnis wurde die maßgebliche Beschäftigtenzahl erst in der mündlichen Berufungsverhandlung ermittelt. Nach Auffassung der Berufungsbehörde handelt es sich bei der nicht fristgerechten Durchführung der Evaluierung gemäß § 2a iVm § 40 Abs 4a MutterschutzG um ein Unterlassungsdelikt in der Form eines Dauerdeliktes. Die sechsmonatige Frist des § 31 Abs 2 VStG begann daher im konkreten Fall mit der Nachholung der Evaluierung innerhalb der vierwöchigen Nachfrist beginnend ab 21.2.2000 zu laufen. Bezüglich des fehlenden Spruchbestandteils der Beschäftigtenzahl folgt daraus, dass hinsichtlich dieses wesentlichen Tatbestandelements bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist und das Verfahren somit hinsichtlich dieses Punktes gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen war. Zu Punkt 2a:

Gemäß § 4 Abs 1 MutterschutzG dürfen werdende Mütter keinesfalls mit schweren körperlichen Arbeiten oder mit Arbeiten oder in Arbeitsverfahren beschäftigt werden, die nach der Art des Arbeitsvorganges oder der verwendeten Arbeitsstoffe oder - geräte für ihren Organismus oder für das werdende Kind schädlich sind. Gemäß Absatz 2 Z 3 leg cit gelten als Arbeiten im Sinne des Absatz 1 unter anderem solche Arbeiten, bei denen die Gefahr einer Berufserkrankung im Sinne der einschlägigen Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes BGBl. Nr. 189/1955 gegeben ist. Gemäß § 177 Abs 1 ASVG iVm der Anlage 1 zu diesem Bundesgesetz zählt zu den Berufskrankheiten im Sinne des ASVG unter anderem durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit (Nr. 33 der Anlage). Der Sachverständige Dr. med. Thomas Chromecki ging bei der Erstattung seines Gutachtens von nachstehenden Fakten aus:

Laut Messgutachten der A vom 30.5.1995 wurde an der Formatkreissäge im gegenständlichen Betrieb ein A-bewerteter energieäquivalenter Schalldruckpegel von 89 dB gemessen. Aufgrund er im Messgutachten festgestellten täglichen Lärmexposition von LA, eq 8h = 85 dB ergibt sich, dass von einer täglich 4- stündigen Lärmeinwirkung ausgegangen wurde. Die gegenständliche Formatkreissäge befand sich nicht in jenem Raum, in welchem Frau U den gegenständlichen Kasten zusammenbaute. Frau U verwendete die Formatkreissäge immer nur für kurze Zeit, insgesamt nicht mehr als 5 Stunden pro Woche, wobei sie immer einen Gehörschutz benutzte. Ausgehend von diesen Fakten, gelangte der Sachverständige in seinem Gutachten vom 23.8.2001 sowie im Nachtragsgutachten vom 29.9.2001 zum Ergebnis, dass Frau U unter diesen Arbeitsbedingungen nicht in Gefahr war, eine durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit als Berufskrankheit zu erleiden. Zu den Stellungnahmen der Arbeitsinspektionsärztin vom 10.9.2001 und vom 20.12.2001 in welchen die Behauptung aufgestellt wurde, dass eine tägliche Lärmexposition über LA, eq 8 h = 85 dB jedenfalls zu einer irreversiblen Innenohrschädigung führt und somit das Beschäftigungsverbot des § 4 Abs 2 Z 3 MutterschutzG in Kraft setzt, ist zu bemerken, dass sich eine solche absolute Grenze aus den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht ergibt. In dem der Stellungnahme vom 20.12.2001 angeschlossenen Auszug aus dem Erlass des Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, ZIA vom 5.11.1999 wird im Gegenteil darauf hingewiesen, dass der Beurteilungspegel ein energieäquivalenter Dauerschallpegel mit einem Beurteilungszeitraum von 8 Stunden ist und eine Verkürzung der Lärmexpositionsdauer dazu führt, dass höhere Dauerschallpegel für Arbeitnehmerinnen zulässig sind, ohne dass der Beurteilungspegel überschritten wird. Allein daraus folgt schon, dass es entscheidend auch auf die Dauer der Lärmeinwirkung ankommt, welche im Fall der Frau M U mit nur wenigen Stunden pro Woche äußerst gering war. Das zur Entscheidung berufene Senatsmitglied schließt sich daher aus den dargestellten Gründen der Beurteilung des arbeitsmedizinischen Sachverständigen an. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass der Berufungswerber die ihm zu diesem Punkt angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen ist. Zu Punkt 2b): Gemäß § 4 Abs 3 MutterschutzG dürfen werdende Mütter nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie mit Rücksicht auf ihre Schwangerschaft besonderen Unfallgefahren ausgesetzt sind. Im Anlassfall galt es somit zu prüfen, ob das Besteigen der untersten Stufen einer Stehleiter durch die zum damaligen Zeitpunkt in der 17. Woche schwangere Tischlerin eine besondere Unfallsgefahr im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Da das Gesetz diesbezüglich keine näheren Ausführungen enthält, bedurfte es zur Klärung dieser Frage der Beiziehung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigen. Hinsichtlich dieses Punktes gelangte der Sachverständige unter Bedachtnahme auf die geringe Körpergröße und die kräftige Konstitution der Betroffenen zum Ergebnis, dass die Risiken der Benützung der zwei untersten Stufen einer Leiter mit den normalen Risiken des täglichen Lebens ident ist und kein erhöhtes Risiko bzw keine besondere Unfallsgefahr im Sinne von § 4 Abs 3 MutterschutzG darstellt. Da das Benützen der zwei untersten Stufen einer Leiter somit keine Arbeit im Sinne von § 4 Abs 3 MutterschutzG darstellt, war das Verfahren auch hinsichtlich dieses Punktes gemäß § 45 Abs 2 Z 2 VStG einzustellen. Dieser Auffassung schloss sich im Übrigen auch die mitbeteiligte Partei an, indem noch in der mündlichen Verhandlung vom 16.8.2001 der Strafantrag hinsichtlich der Punkte 2a) und 2b) vollinhaltlich zurückgezogen wurden. Spruch II: Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat. Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren wird als erwiesen angenommen, dass der Beschuldigte, als er am 9.3.2000 bei Frau W vorsprach, sich zu Punkt 1) der Strafverfügung schuldig bekannte, auf die Einbringung eines Rechtsmittels verzichtete und nur die übrigen Punkte der Strafverfügung bekämpfte. Die von Frau W mit dem Beschuldigten aufgenommene Niederschrift bringt somit den damaligen Willen des Beschuldigten korrekt zum Ausdruck. Dass der Beschuldigte bei diesem Rechtsmittelverzicht zu Punkt 1) der Strafverfügung mit einer Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der übrigen Punkte rechnete und sich auch gegenüber Frau W dahingehend äußerste, vermag an diesem Sachverhalt nichts zu ändern, zumal der Beschuldigte selbst zugab, dass Frau W auf seine diesbezügliche Äußerung nichts entgegnete, ihm insbesondere keine Versprechungen bezüglich einer Verfahrenseinstellung der Punkte 2) bis 4) der Strafverfügung machte. Vor dem Hintergrund dieses unstrittigen, für die rechtliche Beurteilung ausreichenden Sachverhaltes konnte daher eine zeugenschaftliche Einvernahme von Frau W entfallen und war der diesbezügliche Beweisantrag zurückzuweisen. Der Berufungswerber hat nämlich bei seiner Schilderung des Ablaufs der Amtshandlung vom 9.3.2000 nichts vorgebracht, was darauf schließen ließe, dass er sich damals in einem durch Frau W veranlassten Willensmangel befunden hat, indem diese ihm etwa die Einbringung eines Rechtsmittels wegen offenbarer Aussichtslosigkeit ausgeredet hätte oder ihm Hoffnungen gemacht habe, dass das Verfahren bezüglich der übrigen Punkte eingestellt wird. Mangels Behauptung eines Willensmangels bestand somit kein Anlass zu diesbezüglichen Ermittlungen. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus Nachstehendes: Dem Verwaltungsverfahrensrecht ist die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts unter der auflösenden Bedingung, dass das Verfahren hinsichtlich der übrigen Punkte einen bestimmten Ausgang nimmt, fremd. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (ua. VwGH 13.2.1991, 91/01/0011, 10.3.1994, 94/19/0601) stellt sich ein Rechtsmittelverzicht vielmehr, sofern bei der Verzichtsabgabe kein Willensmangel vorgelegen ist, als eine endgültige, dh unwiderrufliche Prozesshandlung dar, welche zur Folge hat, dass ein dennoch erhobenes Rechtsmittel unzulässig ist. Das Motiv für die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes ist ohne Bedeutung, solange keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Partei durch der Behörde zuzurechnende Drohungen mit rechtswidrigem Verhalten zur Abgabe des Rechtsmittelsverzichtes bestimmt wurde (VwSlg. 12616A; VwGH 12.11.1992, 9218/0160). Wird ein Rechtsmittelverzicht deshalb abgegeben, weil der vom Bescheid Betroffene fälschlich von einer offenbaren Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ausgegangen ist, so handelt es sich dabei um einen rechtlich unerheblichen Motivirrtum, auf dessen Ursache es nicht ankommt (VwGH 21.1.1988, 88/02/0002 bis 0005). Auf die "Ursache" der Beweggründe kommt es sohin nicht an (VwGH 15.12.1989, 89/02/0143). Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass der Berufungswerber am 9.3.2000 Punkt

1) der Strafverfügung nicht beeinsprucht hat und das erst am 5.4.2000 verfasste ergänzende Vorbringen, mit welchem auch dieser Punkt bekämpft wurde, jedenfalls verspätet eingebracht wurde. Die belangte Behörde hat daher den Einspruch des Berufungswerbers gegen Punkt 1) der Strafverfügung zu Recht als verspätet eingebracht zurückgewiesen, weshalb die dagegen eingebrachte Berufung abzuweisen war.

Schlagworte
Evakuierung Fristen Unterlassungsdelikt Arbeitnehmeranzahl Tatbestandsmerkmal Dauerdelikt
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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