Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird die Einstellung
des Strafverfahrens verfügt.
Mit dem nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ bekämpften
Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft X über Frau H**** U********gestützt auf § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) verhängt und überdies die Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten und
von Untersuchungsgebühren ausgesprochen. Angelastet wurde Frau U********, dass sie
am 13.3.2000 in G********** durch Bereithalten im Auslieferungslager und somit durch
Inverkehrbringen der Ware ?Hirsecremesuppe ? Suppen (ausgenommen mit Fleisch oder
Geflügelfleisch)? gegen die Bestimmungen der Nährwertkennzeichnungsverordnung
verstoßen habe. Dies deswegen, da das Lebensmittel die nährwertbezogene Angabe
?salzarm? aufgewiesen habe und gemäß § 4 Nährwertkennzeichnungsverordnung
nährwertbezogene Angaben nur dann zulässig sind, wenn sie sich auf den Brennwert, auf
in § 3 Abs1 litb NWKV genannte Nährstoffe oder auf Stoffe, die einer der in § 3 Abs1 litb
genannten Nährstoffgruppe angehören oder deren Bestandteile bilden, beziehen. Salz sei
aber weder in § 3 Abs1 litb angeführt noch bilde es einen Bestandteil der dort genannten
Stoffe bzw. Stoffgruppen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung mit dem Hinweis, dass es
verwunderlich sei, dass es für eine österreichische Behörde uninteressant sei, welche
Vorgänge im gemeinsamen EU-Raum stattfinden. Von den obersten Instanzen des Landes werde immer wieder betont, welchen Riesenvorteil die österreichische Wirtschaft
durch den EU-Beitritt erhalten habe. Großhändler aus dem EU-Raum, hauptsächlich
Deutschland, könnten straffrei die gleichen Produkte in österreichische
Einzelhandelsgeschäfte liefern. Auf jeden Fall müsste die Behörde die Situation erst
prüfen und vor einer Bestrafung eine Richtigstellung anordnen oder
den im EU-Raum
befindlichen Hersteller strafen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 5.11.2001 eine öffentliche
mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, in der eine Beweisaufnahme durch
Vorbringen der Berufungswerberin und Einsicht in den gesamten erstund
zweitinstanzlichen Verwaltungsstrafakt erfolgte.
Auf Grund dieser Beweisaufnahme ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am 13.3.2000 wurde von der nunmehrigen Berufungswerberin in G***********, M**********
7, das Produkt ?Hirsecremesuppe ? Suppen (ausgenommen mit Fleisch oder
Geflügelfleisch)? im Auslieferungslager bereitgehalten. Dieses Produkt war ? ohne weitere
Verarbeitung ? für den Letztverbraucher bestimmt.
Auf dem Etikett befand sich ua folgender Hinweis: ?salzarm?. Das verfahrensgegenständliche Produkt wurde von einem Drittunternehmen an die
nunmehrige Berufungswerberin geliefert.
Diese Sachverhaltsfeststellung ist einerseits unbestritten und steht
andererseits auch im Einklang zur Aktenlage.
In rechtlicher Hinsicht ist der festgestellte Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Gemäß § 3 Abs 1 Nährwertkennzeichnungsverordnung ist eine Nähwertkennzeichnung
jede in der Etikettierung aufscheinende Angabe über
a)
den Brennwert (Energiewert),
b)
den Gehalt an Eiweiß (Proteinen), Kohlehydraten, Fett,
Ballaststoffen, Natrium und den
in der Anlage angeführten und gemäß den dort angegebenen Werten in
signifikanten
Mengen vorhandenen Vitaminen oder Mineralstoffen.
Gemäß § 3 Abs 2 NWKV ist eine nährwertbezogene Angabe jede beim Inverkehrbringen
von Lebensmitteln erscheinende Angabe, Darstellung oder Aussage, mit der erklärt,
suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere
Nährwerteigenschaften besitzt, weil es Energie liefert, in vermindertem bzw in erhöhtem
Maß liefert oder nicht liefert oder weil es Nährstoffe enthält, in verminderter bzw erhöhter
Menge enthält oder nicht enthält. Angaben oder Hinweise auf den Alkoholgehalt eines Lebensmittels sind keine nährwertbezogenen Angaben gemäß dieser Verordnung.
Gemäß § 4 NWKV sind Angaben im Sinne des § 3 Abs 2 nur dann zulässig, wenn sie sich
auf den Brennwert, auf in § 3 Abs 1 litb genannte Nährstoffe oder auf Stoffe, die einer der
in § 3 Abs 1 litb genannten Nährstoffgruppen angehören oder deren Bestandteile bilden,
beziehen. Im § 3 Abs 1 litb NWKV ist Natrium (Na) erwähnt, nicht jedoch Natriumchlorid
(NaCl). Letztgenannter Stoff ist ident mit Kochsalz. Diese Bestimmungen der
österreichischen Nährwertkennzeichnungsverordnung stellen die innerstaatliche
Umsetzung der Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln dar. Die §§ 3 und 4 der österreichischen
NWKV finden daher in der genannten Richtlinie, insbesondere in Art 1
Abs 4 und Art 3 ihre
Deckung.
Wenngleich Natrium lediglich ein Bestandteil von Kochsalz und somit mit diesem nicht
ident ist, darf nicht übersehen werden, dass in der deutschsprachigen Fassung der Nährwertkennzeichnungsrichtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24.9.1999 ? anders
lautend zur französisch- und englischsprachigen Fassung ? in Art 4
Abs 2 und Art 6 Abs 1
von ?Kochsalz (Natrium)? die Rede ist.
Durch teleologische Interprätation ist das Ziel des Richtliniengebers dahingehend
erkennbar, dass für Personen mit erhöhtem Blutdruck ein Hinweis geschaffen werden
sollte, dass ein Produkt natriumarm ist. Gerade dies wird mit der Angabe ?salzarm?
verwirklicht. Bei der verfahrensgegenständlichen Angabe ?salzarm? handelt es sich daher
um eine zulässige nährwertbezogene Angabe. Diese Rechtsmeinung der Berufungsbehörde steht auch im Einklang mit der Rechtsansicht des Bundesministeriums
für soziale Sicherheit und Generationen (Erlass GZ 31.901/51-IX/B/12/0 vom 31.8.2000).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.