TE UVS Steiermark 2002/03/22 60.16-1/2001

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Veröffentlicht am 22.03.2002
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Mag. J P, vertreten durch F, W& P, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 11.10.2001, GZ.: 15.1 6277/1999, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Antrag des Berufungswerbers auf Einstellung der Vollstreckung Folge gegeben.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (im Folgenden kurz: belangte Behörde) wies auf Rechtsgrundlage des § 54 b (1) VStG den Antrag des nunmehrigen Berufungswerbers auf Einstellung der Vollstreckung ihrer Strafverfügung vom 14.06.1999, GZ.: 15.1- 1999/6277, mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. Begründet wurde dieser Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Strafverfügung laut Postzustellungsurkunde am 27.07.1999 an der Adresse F a M, niedergelegt, somit rechtswirksam zugestellt worden sei. Die Behauptung, dass die Strafverfügung mangels Zustellung daher nicht in Rechtskraft erwachsen könnte, gehe daher ins Leere. Die gegenständliche Strafverfügung sei ordnungsgemäß zugestellt worden und daher sehr wohl in Rechtskraft erwachsen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung, in der im Ergebnis ausgeführt wird, dass ein ordnungsgemäß durchgeführtes Beweisverfahren ergeben hätte, dass die verfahrensgegenständliche Anschrift, unter der die Strafverfügung zugestellt worden sei, nicht als Abgabestelle im Sinne des Zustellrechtes anzusehen wäre und die versuchte Zustellung nicht rechtswirksam geworden sei. So sei der Berufungswerber tatsächlich mit 15.07.1999 in eine neue Wohnung an die Adresse F a M, übersiedelt und habe dort spätestens ab 25.07.1999 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen: Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit zur Erlassung einer Berufungsentscheidung wurde seitens der erkennenden Behörde ein umfangreiches Prüfungsverfahren eingeleitet und zunächst auf Grundlage des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.06.1999, 99/03/0042, davon ausgegangen, dass es sich bei einer Entscheidung über die im Ergebnis vorgebrachten Einwendungen des Berufungswerbers gegen den Bestand des Titelbescheides (Strafverfügung der belangten Behörde vom 14.06.1999) im Sinne des Art. 9 Abs 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen um einen im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheid handelt, für welchen sowohl die Zuständigkeitsregelungen des VVG als auch die Vorschriften über den zweigliedrigen Instanzenzug gelten (vgl. auch VwGH verst. Senat 06.06.1989, Slg. Nr. 12.942/A). Bei ausschließlich dieser Betrachtungsweise wäre somit eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Berufungsentscheidung nicht gegeben gewesen. Maßgeblich dafür, dass der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark eine Zuständigkeit zur Berufungsentscheidung dennoch angenommen hat, war das richtungsweisende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 06.10.1997, G 1393/95 ua. zu § 54c VStG. In diesem Erkenntnis hat das Höchstgericht in verfahrensrelevanter Hinsicht erkannt, dass für den Verfassungsgesetzgeber (auch) die Strafvollstreckung jedenfalls Teil des Verwaltungsstrafverfahrens und damit auch des Verfahrens über Verwaltungsübertretungen war und ist, somit im Sinne des § 129a Abs 1 Z 1 B-VG von einer Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate für derartige Verfahren auszugehen ist. Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Von der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51e Abs 3 Z 4 VStG abgesehen werden. Auf der Grundlage des vorliegenden Verfahrensaktes der Strafbehörde I. Instanz in Verbindung mit dem Ergebnis des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden zunächst folgende Feststellungen getroffen: Die belangte Behörde fällte über den nunmehrigen Berufungswerber zufolge der Anzeige der Bundesgendarmerie, Grenzkontrollstelle F G, vom 11.05.1999, die mit 14.06.1999 datierte Strafverfügung zu GZ.: 15.1 1999/6277 und verhängte wegen diverser, im Einzelnen näher beschriebener Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 bzw. des Kraftfahrgesetzes 1967 Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 3.000,-- (? 218,02). Mit Schriftsatz vom 14.07.1999 ersuchte die belangte Behörde das Regierungspräsidium in Gießen in Entsprechung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 um nachweisliche (eigenhändige) Zustellung dieser Strafverfügung, auf der als Abgabestelle der in F a M angegeben war. Aus dem vorliegenden Zustellungszeugnis vom 30.09.1999 in Verbindung mit der Postzustellungsurkunde der Deutschen Post AG, in F a M ergibt sich, dass das verfahrensgegenständliche Schriftstück nach einem an der angeführten Zustelladresse am 27.07.1999 erfolglos gebliebenen Zustellversuch am 30.07.1999 bei der zuvor angeführten Filiale der Deutschen Post AG niedergelegt wurde. Über Anfrage der Berufungsbehörde gab die Deutsche Post AG am 22.12.2001 bekannt, dass das relevante Schriftstück vom Berufungswerber nicht abgeholt und nach Ablauf der Lagerfrist an das Regierungspräsidium Gießen zurückgesandt wurde. Hinweise, wonach die Strafverfügung der belangten Behörde vom 14.06.1999 dieser zurückgeschickt wurde, liegen nicht vor, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es sich bei der einzigen im Strafakt der belangten Behörde erliegenden Ausfertigung einer Strafverfügung, welche auch den Rechtskraftstempel vom 28.01.2000 trägt, allenfalls um das Original der am 30.07.1999 niedergelegten Strafverfügung handeln könnte. Die belangte Behörde ging in der Folge von einer rechtswirksam erfolgten Zustellung ihrer Strafverfügung aus und leitete ein Vollstreckungsverfahren ein, welches ebenfalls auf das zitierte Rechtshilfeabkommen gestützt war. Der Antrag auf Einstellung dieses Vollstreckungsverfahrens wurde zufolge des Spruchs des angefochtenen Bescheides letztlich abgewiesen. Diese Feststellungen stützen sich primär auf die im Verfahrensakt der belangten Behörde erliegenden, an sich unbedenklichen Urkunden der Deutschen Post AG, wobei noch ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung an der ursprünglichen Wohnanschrift des Berufungswerbers in den Hausbriefkasten eingelegt wurde. Der Berufungswerber hat in weiterer Folge über Auftrag der Berufungsbehörde neben der Ablichtung einer Bestätigung der Meldebehörde F a M, in der sein Einzug in die "neue Wohnung" in F a M, per 01.08.1999 dokumentiert wird, letztlich mit Schriftsatz vom 31.01.2002 den diese Wohnung betreffenden Mietvertrag vom 01.06.1999 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass das Mietverhältnis am 01.07.1999 beginnt und dafür auch ab diesem Datum Zahlungen zu leisten sind. Dem genannten Mietvertrag ist auch ein Protokoll der Übergabe der Mietsache am 01.07.1999 angeschlossen. Durch Vorlage dieser Urkunden nimmt die erkennende Behörde somit in freier Beweiswürdigung bei gleichzeitiger Berücksichtigung des § 25 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden, an, dass es dem Berufungswerber zumindest gelungen ist, in einer durchaus nachvollziehbaren Weise glaubhaft zu machen, dass es sich bei der Adresse zum Zeitpunkt der Niederlegung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung um keine relevante Abgabestelle mehr gehandelt hat und ungeachtet der auch seitens der Berufungsbehörde zu beachtenden verfahrensökonomischen Grundsätze dem Vorbringen des Berufungswerbers, spätestens ab 25.07.1999 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bereits an der Adresse gehabt zu haben, nicht entscheidend entgegengetreten werden kann. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen: Unter Abgabestelle im Sinne des § 4 Zustellgesetz - diese Bestimmung gilt sinngemäß wie auch die Regelungen hinsichtlich einer allenfalls vorzunehmenden Niederlegung (diese Vorgangsweise entspricht der Hinterlegung eines Schriftstückes nach österreichischem Zustellrecht) im Geltungsbereich des deutschen Zustellrechtes - ist ua. auch die Wohnung des Empfängers anzusehen. Voraussetzung für die Niederlegung eines Schriftstückes ist jedenfalls, ob an der angegebenen Adresse eine (zulässige) Abgabestelle im Sinne des Zustellrechts überhaupt besteht. Wie der Berufungswerber in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, ist die polizeiliche Meldung für die Frage, ob eine Wohnung als Abgabestelle im Sinne des Zustellrechtes zu sehen ist, für sich allein betrachtet nicht von Bedeutung. Vielmehr kommt es für die Bedeutung eines Ortes als Abgabestelle vor allem darauf an, ob dieser Ort tatsächlich bewohnt wird, dies im Sinn von gewöhnlicher Nächtigung und dauerndem Aufenthalt (vgl. VwGH 23.05.1986, 85/18/0119 ua. sowie zahlreiche Entscheidungen zu § 3 des deutschen Verwaltungszustellgesetzes z.B. BGH, NJW-RR 1997, 1161, VGH München, NJW 1991, 1904 uva.). Da die Zustellung im konkreten Fall nach den Vorschriften, welche die ersuchte Behörde anzuwenden hatte, also nach deutschen Regelungen, vorzunehmen war, war auch § 182 der ZPO Deutschland von Bedeutung, der die dafür geltenden Voraussetzungen bzw. die dabei einzuhaltenden Vorgangsweisen normiert (vgl. die grundsätzlich gleichlautenden österreichischen Vorschriften bezüglich der Vorgangsweise die Hinterlegung eines Schriftstückes betreffend, §§ 16 und 17 Zustellgesetz). Aufgrund der Rechtfertigung des Berufungswerbers, wonach er sich zum Zeitpunkt der Niederlegung der Strafverfügung der belangten Behörde, nämlich am 30.07.1999 - die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides aktenwidrig vom 27.07.1999 aus -, keinesfalls mehr an der Abgabestelle (seiner früheren Wohnung) aufgehalten habe, bereits am 15.07.1999 in eine Wohnung an die Adresse übersiedelt sei und spätestens ab 25.07.1999 dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte, waren seitens der erkennenden Behörde weitere Beweise aufzunehmen. So verliert die Wohnung des Zustelladressaten die Eigenschaft einer Abgabestelle nämlich dann, wenn sie aufgegeben wird, indem der Zustellungsadressat seinen Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort verlegt (BGH, NJW-RR 1994, 564). Hat der Empfänger jedoch früher am Ort der Zustellung gewohnt und ist er dort auch noch polizeilich gemeldet, so obliegt ihm der Beweis dafür, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt die Wohnung bereits aufgegeben hatte (OLG Hamburg, DWW 1990, 236). Im konkreten Fall war der Berufungswerber der Aktenlage nach am 27.07.1999 (Zustellversuch), aber auch am 30.07.1999 (Niederlegung des zuzustellenden Schriftstückes bei der Deutschen Post AG) zwar noch an der "alten" Adresse polizeilich gemeldet, doch hat er, wie bereits ausgeführt, aus Sicht der erkennenden Behörde hinreichend glaubhaft machen können, so insbesonders auch durch Vorlage des diesbezüglichen Mietvertrages vom 01.06.1999, dass er seine ehemalige Wohnung im Sinne der zitierten Judikatur zum verfahrensrechtlichen Zeitpunkt bereits aufgegeben hatte. Daraus folgt jedoch, dass eine rechtswirksame Zustellung - Hinweise darauf, dass es zu einer allfälligen Sanierung eines Zustellmangels gekommen sein könnte, liegen nicht vor - im konkreten Fall nur (noch) an der Abgabestelle in F a M, erfolgen hätte dürfen. In Ermangelung einer rechtskonformen Zustellung ist daher aber auch nicht von der Erlassung der Strafverfügung der belangten Behörde vom 14.06.1999 dem Berufungswerber gegenüber auszugehen. Damit fehlt es aber auch an einer Voraussetzung für die Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens im Sinne des § 54b VStG, nämlich am Titelbescheid hinsichtlich der rechtskräftig verhängten Geldstrafen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Verwaltungsstrafverfahren Vollstreckung von Verwaltungsstrafen Unabhängige Verwaltungssenate Berufung Zuständigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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