Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn H S gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz, vom 14.3.2001, GZ.: III/S-39121/2000, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 22.11.2000, um 22.40 Uhr, in G, K gegenüber dem Haus K 45, als Lenker des Kraftfahrzeuges entgegen dem berechtigten Verlangen von Straßenaufsichtsorganen
1.
den Zulassungsschein und
2.
den für das von ihm gelenkte Fahrzeug vorgeschriebenen Führerschein nicht zur Überprüfung ausgehändigt.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften der § 102 Abs 5 lit b KFG (Punkt 1.)) und § 14 Abs 1 Z 1 FSG (Punkt 2.) verhängte die belangte Behörde unter Verweis auf die einschlägigen Strafbestimmungen zu Spruchpunkt 1.) eine Geldstrafe von S 500,-- und zu Spruchpunkt 2.) eine Geldstrafe von S 700,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle jeweils einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe). Als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde der Betrag von insgesamt S 120,-- vorgeschrieben.
Die belangte Behörde stützte ihren Strafbescheid im Wesentlichen auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion Graz vom 24.11.2000 und auf die Zeugeneinvernahme des Meldungslegers im Verfahren. Demnach sei der Berufungswerber an der im Straferkenntnis angeführten Örtlichkeit sitzend im Personenkraftwagen angetroffen worden. Nach Aufforderung zum Zwecke der Lenker- und Fahrzeugkontrolle den Führerschein und Zulassungsschein vorzuweisen und auch auszuhändigen sei der Berufungswerber dieser Aufforderung nicht nachgekommen. In seiner fristgerecht erhobenen Berufung knüpfte H S an seine bisherige Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren an: Er habe am besagten Tag sein Fahrzeug vor seinem Wohnhaus auf einem Privatgrund abgestellt. Er sei nur deshalb zu seinem Fahrzeug gegangen, weil der Akku vom Mobiltelefon leer gewesen, er telefonieren habe wollen und sich ein Ladekabel im Auto befunden habe. Er habe sein Fahrzeug nicht in Betrieb nehmen oder wegfahren, sondern nur einen Ladestrom für das Telefon nützen wollen. Als er gerade im Fahrzeug telefoniert habe, hätte der Polizeibeamte sein Fahrzeug abgeleuchtet. Ihm sei mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet worden, worauf er sein Telefonat beendet hätte. Er sei aufgefordert worden, die Fahrzeugpapiere zu zeigen. Dieser Aufforderung habe er nicht nachkommen können, da er die Papiere in der Wohnung gehabt hätte. Er sei der Meinung, dass er keine Fahrzeugpapiere mitführen müsse, wenn er nur Ladestrom vom Fahrzeug auf einem Privatparkplatz vor seinem Haus brauche. Im Übrigen hätte der Beamte in seine Wohnung mitgehen und sich die Papiere zeigen lassen können. Der Berufungswerber beantragte die Einstellung des Strafverfahrens. Am 27. März 2002 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Berufungswerbers stattgefunden, in der als Zeuge der seinerzeitige Meldungsleger BI F G zur Sache befragt wurde. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens wird nachstehender Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt: Am 22.11.2000, gegen 23.40 Uhr, saß der Berufungswerber im Kraftfahrzeug, welches in G, K gegenüber dem Haus K auf einem Parkplatz abgestellt war. Das Fahrzeug war nicht in Betrieb. Der Berufungswerber wurde von BI F G im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle zur Aushändigung des Zulassungsscheines und des Führerscheines aufgefordert. Der Berufungswerber verweigerte die Herausgabe der Lenker- und Fahrzeugdokumente mit der Begründung, der Beamte dürfe von ihm keine Papiere verlangen, wenn er mit dem Fahrzeug stehe. Nicht einmal der Schlüssel stecke im Zündschloss. Der Berufungswerber war dem Sicherheitswachebeamten namentlich aus anderen Amtshandlungen bekannt. Vor Aufforderung zum Aushändigen des Führerscheines und des Zulassungsscheines ist der Berufungswerber vom Beamten nicht beim Lenken bzw beim Einparken des Fahrzeuges beobachtet worden. Die Lenker- und Fahrzeugkontrolle sollte anderen vom Beamten verfolgten Zwecken dienen. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussage des einvernommenen Zeugen, die in den wesentlichen Punkten mit der Verantwortung des Berufungswerbers übereinstimmt. Die rechtliche Beurteilung ergibt Folgendes: Gemäß § 14 Abs 1 FSG hat jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges den für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug vorgeschriebenen Führerschein mitzuführen und auf Verlangen das Dokument den gemäß § 35 Abs 2 zuständigen Organen (Organe der Bundesgendarmerie, des Bundessicherheitswachekors, der Gemeindewachen sowie sonstigen Straßenaufsichtsorganen) zur Überprüfung auszuhändigen. Eine ähnliche Bestimmung enthält § 102 Abs 5 KFG, wonach ein Lenker den Zulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug und einen mit diesem gezogenen Anhänger mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen hat. Die Nichtbefolgung dieser Vorschriften stellen Verwaltungsübertretungen gemäß § 37 Abs 1 FSG bzw. gemäß § 134 Abs 1 KFG dar. Im vorliegenden Fall ist der Berufungswerber in beiden Punkten zu Unrecht bestraft worden, weil er unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht verpflichtet gewesen ist, die von ihm verlangten Fahrzeugpapiere dem Sicherheitswacheorgan auszuhändigen. Dies aus nachstehenden Gründen:
Zweck der Aushändigungspflicht ist es unter anderem zu gewährleisten, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes möglichst rasch über die Person des Lenkers genaue Kenntnis erlangen. Insbesondere soll die Einsichtnahme in das vorzuweisende Dokument die Überprüfung ermöglichen, ob die einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle unterworfene Person im Besitze einer für das jeweilige Kraftfahrzeug vorgeschriebene Lenkerberechtigung ist, bzw. ob die im Verkehr verwendeten Fahrzeuge zugelassen sind. Ein Kraftfahrer ist nur dann als Lenker eines Fahrzeuges anzusprechen, wenn er auf einer Fahrt angehalten oder kurz vor Aufforderung zur Aushändigung der Fahrzeugpapiere beim Einparken und Abstellen eines Fahrzeuges beobachtet wird. Dieser zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen dem Lenken eines Fahrzeuges und der Verpflichtung zur Vorweisung der Fahrzeugpapiere ist hier nicht vorgelegen. Der Berufungswerber wurde weder beim Lenken, noch beim Abstellen des Fahrzeuges vom Sicherheitswachebeamten beobachtet. Selbst eine bloße Inbetriebnahme des Fahrzeuges, ohne es zu lenken, zieht noch keine Aushändigungspflicht im Sinne der zitierten Vorschriften nach sich. Es war daher der bekämpfte Strafbescheid im Sinne des § 45 Abs 1 Z 2 VStG in beiden Punkten zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.