TE UVS Niederösterreich 2002/06/03 Senat-PL-01-0136

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Veröffentlicht am 03.06.2002
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Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wird der Berufung zu den Spruchpunkten 1 und 3 keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesen Punkten bestätigt.

 

Spruchpunkt 2 wird aufgehoben und diesbezüglich gemäß § 45 Abs 1 Z 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 ? VStG, die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

 

Der Berufungswerber hat gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) ? 29,07 als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen zu zahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Strafbeträge und die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu bezahlen (§ 59 Abs 2 AVG).

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe am ***, um 13,50 Uhr im Gemeindegebiet A*********, auf der B **, in Fahrtrichtung *****, das durch Kennzeichen bezeichnete Kraftfahrzeug gelenkt und dabei

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überholt, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, dass er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen konnte, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden oder zu behindern (Punkt 1),

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überholt, wobei der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges dadurch gefährdet und behindert wurde (Punkt 2),

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vor bzw auf dem Schutzweg überholt, obwohl der Verkehr im Bereich des Schutzweges nicht durch Arm- oder Lichtzeichen geregelt wurde (Punkt 3).

 

Hiefür wurden über den Beschuldigten zu den Spruchpunkten 1 bis 3 jeweils Geldstrafen in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 60 Stunden) verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte Berufung.

 

Auf Grund der Berufung wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer der Beamte, der die Übertretungen wahrgenommen hat, als Zeuge einvernommen wurde.

 

Vom Beschuldigten wurde im Zuge des Verfahrens im Wesentlichen vorgebracht, dass er  die Übertretungen nicht begangen habe. Der Zeuge habe die Übertretungen lediglich im Rückspiegel wahrgenommen und sei es daher nicht möglich gewesen, die genauen Abstände entsprechend den tatsächlichen Perspektiven festzustellen. Es wäre daher erforderlich gewesen, dass der Zeuge eine maßstabsgetreue Skizze anfertigt. Er habe auch keineswegs auf dem Schutzweg überholt, wie dies vom Zeugen dargestellt wurde. Er habe auch durch vorausfahrende Fahrzeuge die Ankündigung des Schutzweges nicht erkennen können. Beantragt wurde die Durchführung eines Lokalaugenscheines. Weiters hätten nicht drei Strafen verhängt werden dürfen, da es sich um ein fortgesetztes Delikt gehandelt habe.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß § 16 Abs 1 lit c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Der Tatbestand dieser Bestimmung ist daher schon dann vollendet, wenn der Lenker eines Fahrzeuges den Überholvorgang begonnnen hat, ohne geprüft und einwandfrei erkannt zu haben, dass er andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert. Es genügt eine abstrakte Gefährdung oder Behinderung und ist hiefür ein Nachweis, dass konkret etwa ein entgegenkommendes oder ein auf dem rechten Fahrstreifen fahrendes Fahrzeug beim Wiedereinordnen tatsächlich gefährdet oder behindert wurde, nicht notwendig. Die Bestimmung stellt daher auf dem Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges ab.

 

Der Zeuge hat ausgeführt, dass der Beschuldigte eine Kolonne von ca 15 bis 20 Fahrzeugen überholt hat und handelte es sich um eine dichte Fahrzeugkolonne, welche sich überdies in einer leichten Rechtskurve bewegte. Es war daher für den Beschuldigten nicht möglich, eine ausreichende Sicht auf den Gegenverkehr zu haben oder einzusehen, ob sich irgendwo eine Lücke zwischen den Fahrzeugen der Kolonne gebildet hatte, wo ihm das Einordnen möglich gewesen wäre. Damit hat der Beschuldigte diese Übertretung unabhängig davon, ob es nunmehr tatsächlich zu einer Gefährdung oder Behinderung anderer Personen oder Verkehrsteilnehmer gekommen ist, jedenfalls begangen, da er eine dicht aufgeschlossene Fahrzeugkolonne zu überholen begonnen hat, und bereits zu Beginn des Überholvorganges eine Notwendigkeit zum Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen erkennbar war.

 

Diese Feststellungen waren dem Zeugen zweifellos auch vor der gegenständlichen Kolonne fahrend im Rückspiegel wahrnehmbar, da es diesbezüglich keineswegs auf genaue Abstandsangaben und ? wie bereits dargelegt ? auch nicht auf den Umstand ankam, ob ein Fahrzeug beim Wiedereinordnen abbremsen musste.

 

Die Ausführungen des Zeugen sind schlüssig und nachvollziehbar, sodass seitens der Berufungsbehörde kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln. Da der Sachverhalt überdies durch die Schilderungen des Zeugen ausreichend klargestellt ist, bestand auch kein Anlass, eine maßstabsgetreue Skizze anfertigen zu lassen, zumal auch keine bestimmten Entfernungsangaben für die Beurteilung der gegenständlichen Übertretung erforderlich waren.

 

Auf Grund der zweifelsfreien Angaben des Zeugen steht auch fest, dass der Beschuldigte tatsächlich auf dem Schutzweg überholt hat, wobei dieser auch durch das entsprechende Verkehrszeichen nach § 53 Abs 1 Z 2a StVO 1960 ordnungsgemäß gekennzeichnet war. Einer darüber hinausgehenden Vorankündigung bedurfte es nicht. Einem Verkehrsteilnehmer ist es weiters bei gehöriger Aufmerksamkeit zumutbar, einen durch Verkehrszeichen ordnungsgemäß gekennzeichneten Schutzweg auch bei vorausfahrenden Fahrzeugen und Traktoren rechtzeitig wahrzunehmen, sodass  das diesbezügliche Vorbringen weder einen Rechtfertigungs- noch einen Entschuldigungsgrund darstellt.

 

Von der beantragten Durchführung eines Lokalaugenscheines war abzusehen, da nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren keinerlei Unklarheiten hinsichtlich der Tatörtlichkeiten bestanden haben, die nur im Zuge eines Lokalaugenscheines zu klären gewesen wären.

 

Die in den Spruchpunkten 1 und 3 vorgeworfenen Übertretungen können daher als erwiesen angesehen werden.

 

Entgegen der Annahme des Berufungswerbers liegen keine fortgesetzten Delikte vor und schließen sich diese auch nicht gegenseitig aus, sodass in Anwendung des Kumulationsprinzipes jedes Delikt gesondert zu bestrafen ist.

 

Zum Spruchpunkt 2 ist festzustellen, dass hier dem Beschuldigten angelastet wird, es sei der Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeuges gefährdet und behindert worden. Nach den Aussagen des Zeugen ist diese Feststellung jedoch unzutreffend und gab der Zeuge an,  derartiges  auch im bis vorherigen Verfahren nicht behauptet zu haben.

 

Spruchpunkt 2 war daher aufzuheben und diesbezüglich das Verfahren einzustellen.

 

Hinsichtlich der Strafbemessung zu den Spruchpunkten 1 und 3 ist festzustellen:

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens sowie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen.

 

Eine Gefährdung der gesetzlich geschützten Interessen liegt deshalb vor, weil die vom Beschuldigten begangenen Übertretungen erfahrungsgemäß eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen.

 

Den in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angenommenen persönlichen Verhältnissen ist der Beschuldigte nicht entgegengetreten.

 

Erschwerungsgründe liegen nicht vor, mildernd ist die bisherige Unbescholtenheit.

 

Die verhängten Strafen bewegen sich lediglich im untersten Bereich des bestehenden Strafrahmens und sind daher bei Berücksichtigung der dargelegten Strafzumessungsgründe als angemessen zu bezeichnen.

 

Die Berufung war daher zu den Spruchpunkten 1 und 3 abzuweisen.

 

Gemäß § 64 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren 20 % der verhängten Strafen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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