Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Albin Larcher über die Berufung des Herrn R. L., Gnadenwald, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Othmar Mayer, Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13.12.2001, Zl VA-328-2001, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe am 01.07.2001 um 21.33 Uhr im Bezirkskrankenhaus Hall in Tirol, nachdem er Kraftfahrzeug Motorrad, Kennzeichen IL-, vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, die Blutabnahme verweigert.
Dadurch habe der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit c iVm § 5 Abs 4 StVO begangen und wurde über ihn gemäß § 99 Abs 1 lit c StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.162,77 (Ersatzarrest 16 Tage) unter gleichzeitiger Festsetzung der Verfahrenskosten verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass die Bestrafung zu Unrecht erfolgt sei. Der Beschuldigte sei nie zu einer Atemalkoholuntersuchung aufgefordert worden. Er habe die Blutabnahme zwar verweigert, allerdings sei diese Aufforderung aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unzulässig gewesen. Aus diesem Grunde sei das Strafverfahren einzustellen.
Aufgrund dieses Berufungsvorbringens wurden am 07.05.2002 und am 04.06.2002 öffentlich mündliche Verhandlungen durchgeführt und neben dem Beschuldigten ein mitbeteiligter Gendarmeriebeamter sowie der damals behandelnde Arzt des Bezirkskrankenhauses Hall als Zeugen einvernommen.
Der Beschuldigte selbst blieb in seiner Aussage bei seinen bisherigen Aussagen im Zuge des erstinstanzlichen Verfahren. Es bestätigte zwar, zur Blutabnahme aufgefordert worden zu sein und dies abgelehnt zu haben, betonte jedoch weiters, dass er nicht zu einer Atemalkoholuntersuchung aufgefordert wurde. Weiters wurde der zweitbeteiligte Gendarmeriebeamte einvernommen. Dieser brachte in seiner Aussage vor, dass zum damaligen Zeitpunkt die Amtshandlung nicht von ihm, sondern von seinem Streifenpartner geführt wurde. Er sei nur bei Teilen der Amtshandlung dabei gewesen und habe ihren Anfang, der in den Toiletträumlichkeiten des Bezirkskrankenhauses Hall begonnen habe sowie das Ende der Amtshandlung, das im Behandlungsraum des Bezirkskrankenhauses Hall stattgefunden habe, nicht mitbekommen. Er habe nur mitbekommen, wie der Beschuldigte gemeinsam mit seinem Streifenkollegen die Toiletträumlichkeiten verlassen habe und am Weg in das Behandlungszimmer des Bezirkskrankenhauses Hall ohne Angabe von Gründen den Alkoholtest verweigert habe.
Dem widersprechend führt der anzeigenerstattende Gendarmeriebeamte in seiner Zeugenaussage vor der Führerscheinentzugsbehörde zweiter Instanz aus, dass beider damaligen Amtshandlung die Verweigerung des Alkoholtestes aufgrund gesundheitlicher Probleme erfolgte. So habe der Beschuldigte ausgesagt, er könne aufgrund von Schmerzen im Brustbereich keine Atemalkoholuntersuchung durchführen.
Aus diesem Grunde wurde in einer fortgesetzten Verhandlung der damals diensttuende Oberarzt des Bezirkskrankenhauses Hall als Zeuge befragt. Dieser gab an, dass er sich an den gegenständlichen Vorfall noch erinnern könne und dass er mit Sicherheit nie über die medizinische Möglichkeit einer Atemalkoholuntersuchung befragt wurde. Er könne sich noch erinnern, dass der Beschuldigte in einem guten Allgemeinzustand gewesen sei und zeitlich und räumlich bestens orientiert. Der Beschuldigte habe während seiner Untersuchung im Behandlungsraum des Unfallkrankenhauses Hall gestanden. Er sei nicht liegend oder sitzend transportiert worden.
Er könne sich noch erinnern, dass er über Aufforderung des Gendarmeriebeamten des Beschuldigten gefragt habe, ob er einer Blutuntersuchung zustimme. Dies habe der Beschuldigte verweigert. Er könne mit Sicherheit ausschließen, dass über eine Atemalkoholuntersuchung geredet wurde und er nicht befragt wurde, ob diese grundsätzlich möglich sei. Nach seinem Dafürhalten hätte es hiefür keine Hindernisse gegeben.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines "Ungehorsamsdeliktes" - als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt - tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 5 Abs 4 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll, zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden habe.
Gemäß § 5 Abs 4a StVO sind die Organe der Straßenaufsicht weiters berechtigt, Personen, bei denen die Untersuchung gemäß Abs 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtigt sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.
Gemäß § 5 Abs 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtige Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
Ausgehend von diesen gesetzlichen Regelungen ist zum Einen festzustellen, dass vor einer allfälligen Blutabnahme der Proband zu einer Untersuchung der Atemluft aufzufordern ist. Erst wenn diese aus in der Person gelegenen Gründen nicht möglich ist, ist eine Blutabnahme zulässig.
Im gegenständlichen Fall ergeben sich nunmehr jedoch grundlegende Zweifel am tatsächlichen Ablauf der Amtshandlung. Der amtshandelnde Beamte führt aus, dass der Beschuldigte die Atemalkoholuntersuchung begründet verweigert habe. Der zweite Gendarmeriebeamte führt aus, dass die Alkoholuntersuchung unbegründet verweigert worden sei.
Desweiteren führt der behandelnde Arzt aus, er sei nicht gefragt worden, ob eine Atemalkoholuntersuchung möglich sei oder nicht. In seiner Gegenwart wäre nur von Blutabnahme die Rede gewesen.
Im Straferkenntnis vom 13.12.2001 wird dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe die Blutabnahme verweigert.
Im Übrigen wird im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13.12.2001 als übertretene Verwaltungsnorm § 5 Abs 4 StVO vorgeworfen.
Im gegenständlichen Fall war es dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol nicht möglich, den genauen Sachverhalt so weit zu klären, dass mit zweifelsfreier Sicherheit festgestellt werden kann, ob der Beschuldigte nunmehr die Atemalkoholuntersuchung oder wie im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vorgeworfen, die Blutabnahme verweigert habe. Die teilweise widersprechenden Angaben der beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten sind insofern nicht geeignet, einen konkreten Schuldvorwurf zu erheben.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet (ua) die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und dass
2. die Identität der Tat - z.B. nach Ort und Zeit - unverwechselbar feststeht.
Dieser letzteren Forderung ist dann entsprochen, wenn
a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er - im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren - in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und
b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl das hg Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg N.F. Nr 11.466/A).
Der Beschuldigte hat zufolge § 44a Z 2 VStG auch ein Recht darauf, dass ihm im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, genannt wird (VwGH vom 02.07.1979, Slg 9898A verstärkter Senat und VwGH vom 09.07.1992, Zl 91/10/0239). Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, auch wenn dies vom Berufungswerber nicht eingewendet worden ist, zu prüfen, welche Norm als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, gemäß § 44a Z 2 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen ist (VwGH verstärkter Senat vom 19.09.1984, Slg 11525A).
Es ist daher primär jene Gesetzesstelle zu zitieren, die die Nichtbefolgung unter Strafe stellt. Da oft die Beurteilung, welche Bestimmung die durch die Tat verletzte darstellt, auf Schwierigkeiten stößt, wenn Gesetzesstellen eindeutige Gebote oder Verbote aussprechen, sich jedoch an anderer Stelle weitere Bestimmungen finden, die dieses schon vorher genannte Verhalten zu einer Verwaltungsübertretung erklären und mit Strafe bedrohen, ist es notwendig, um Formalfehler zu vermeiden, im Spruch nicht nur die Gebotes(Verbots-)norm, sondern auch jene Bestimmung, die das Verhalten ausdrücklich als Übertretung erklären, als verletzte Verwaltungsvorschrift anzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit der genannten Problematik auseinandergesetzte und in seinem Erkenntnis vom 19.09.1984, Zl Slg 11525A, ausgesprochen, dass § 44a Z 2 VStG nur die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde, verlangt. Nach dem Wortlaut des § 44a VStG kommt es weder bei der Umschreibung der Tat nach Z 1 noch bei der Zitierung der Verwaltungsvorschriften nach Z 2 auf jene Vorschrift an, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt. Die Anordnung des § 44a Z 2 VStG wird daher durch die Anführung derjenigen Norm als verletzte Verwaltungsvorschrift entsprochen, unter die die Tat nach § 44a Z 1 VStG zu subsumieren ist, ohne dass es der Zitierung der Vorschrift, die einen Verstoß gegen die Gebots- oder Verbotsnorm als Verwaltungsübertretung erklärt bedürfte.
Gemäß § 45 Abs 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Im gegenständlichen Fall wurde im Straferkenntnis hinsichtlich der vorgeworfenen Tat und der zuordenbaren Gesetzesstelle eine im Gesetz nicht vorgesehen Kombination gewählt.
Insofern war das vorliegende Strafverfahren einzustellen.