Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alois Huber über die Berufung des Herrn J. B. W., Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 24.07.2001, Zl SPG-12.114/3c-01, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er sei am 23.03.2001 gegen 21.00 Uhr in das Haus D. 246 in M. zurückgekehrt, obwohl ihm am 25.07.2000 gegen 05.00 Uhr von Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes untersagt worden sei, in den Schutzbereich M., D., samt der zum Haus gehörenden Einfriedung zurückzukehren und habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38a Abs 2 iVm § 84 Abs 1 Z 2 des Sicherheitspolizeigesetzes 1991 begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 72,67, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Stunden, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte fristgerecht berufen.
Darin führte der Beschudigte aus, dass es ein totaler Wahnsinn sei, dass die Bezirksverwaltungsbehörde ein Strafverfahren einleite, wenn er an seinem Elternhaus und der gemeinsamen Ehewohnung viermal an das ebenerdig gelegene Stubenfenster klopfe und einmal an der Haustürklingel läute.
Dieser Berufung kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
§ 38a Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes normiert, dass unter der Voraussetzung, dass aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt sind, einem Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Dabei haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Weggewiesenen zur Kenntnis zu bringen, auf welchem räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht. Dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen, vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.
Nach § 38a Abs 2 leg cit sind unter den Voraussetzungen des Abs 1 die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (weiters) ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen, wobei die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes jedoch unzulässig ist. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29 leg cit) wahrt. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.
In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass sich aus dem Strafverfahren der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu Zahl SPG-12.114/2f-01 ergibt, dass sich die Wegweisung des Beschuldigten im Protokoll des Gendarmeriepostens M. vom 25.07.2000 objektivieren lässt. Danach ist der Beschuldigte am 25.07.2000 um 00.50 Uhr von den einschreitenden Beamten RevInsp E. und RevInsp Ing. B. (aus der verfahrensgegenständlichen Räumlichkeit) weggewiesen worden. Der Beschuldigte ist laut diesem Protokoll überdies mit einem Rückkehrverbot belegt worden, wobei sich der räumliche Schutzbereich auf das Haus in M., D., samt der Einfriedung des zum Haus gehörenden Grundstückes bezieht.
Gemäß § 38a Abs 6 leg cit ist die Anordnung eines Betretungsverbotes der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich darüber zu informieren, dass das Betretungsverbot aufgehoben werde; die Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen.
Eine solche Aufhebung des Betretungsverbotes durch die Sicherheitsbehörde ist offensichtlich nicht erfolgt.
Nach § 38a Abs 7 SPG ist die Einhaltung eines Betretungsverbotes zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet mit Ablauf des zehnten Tages nach seiner Anordnung; es endet im Falle eines binnen dieser Frist eingebrachten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichtes an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit Ablauf des zwanzigsten Tages nach Anordnung des Betretungsverbotes.
Im gegenständlichen Fall ist offensichtlich von der gefährdeten Person beim Bezirksgericht Zell am Ziller ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO eingebracht worden, sodass die Anordnung des Betretungsverbotes durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes spätestens mit Ablauf des zwanzigsten Tages (Betretungsverbot vom 25.07.2000) endete, sodass das Betretungsverbot nach § 38a Abs 2 SPG (durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes) zur vorgeworfenen Tatzeit am 23.03.2001 keine Wirkung mehr entfalten konnte. Dazu normiert § 84 Abs 1 Z 2 SPG, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer ein Betretungsverbot gemäß § 38a Abs 2 missachtet. Da dieses Betretungsverbot nach § 38a Abs 2 leg cit jedoch nicht mehr in Geltung war, hat der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Dies unabhängig davon, dass offensichtlich in der Folge ein Betretungsverbot kraft einstweiliger Verfügung nach § 382b EO vom Bezirksgericht Zell am Ziller erlassen worden ist.